Anderer Umgang mit Risiko
Verändert hat sich in den letzten Jahren auch der Umgang mit Risiko. Die zunehmende Komplexität macht es schwer, sorgfältige und verlässliche Risikoeinschätzungen vorzunehmen. Als Entscheidungsgrundlage ist der Vorstand und mittelbar damit auch das Überwachungsorgan Aufsichtsrat oft von mathematischen oder statistischen Modellen abhängig. Risiko ist Teil jedes unternehmerischen Handelns, aber wie erkennt das Überwachungsorgan Aufsichtsrat, dass vorgelegte Risikoeinschätzungen mangelhaft bzw. nicht verlässlich sind? Auf juristischer Ebene wird hier seit 2016 die „Business Judgement Rule“ als Maßstab herangezogen. Ihr Ziel ist es, die Haftung der Organe bei ihren Entscheidungen auf ein vernünftiges Maß einzuschränken. In der Praxis geht es wohl darum, relevante Fragestellungen zu identifizieren und entsprechende Informationen vom Vorstand zu verlangen sowie diese auf ihre Plausibilität zu überprüfen. BetriebsrätInnen im Aufsichtsrat können hier oft mit fundiertem internem Wissen über innerbetriebliche Schwachstellen, aber auch über potenzielle Chancen punkten. Voraussetzung dafür ist neben Sachverstand und relevanten Grundkenntnissen auch, dass genügend Zeit für den Aufsichtsratsjob aufgebracht wird und die Sitzungen sorgfältig vorbereitet werden.
Chance für BetriebsrätInnen
Teil der Professionalisierung ist auch der zunehmende Anspruch an Diversität. Erstmals wird es nun in Österreich unter bestimmten Bedingungen eine verpflichtende Frauenquote im Aufsichtsrat geben. Beim Reporting wird zukünftig auf die Diversitätsstrategien verstärkt einzugehen sein. Übrigens werden auch die Transparenzanforderungen im Sozial- und Umweltbereich verstärkt ein Thema im Aufsichtsrat sein. Denn dieser hat den entsprechenden Bericht zu prüfen. Daraus bietet sich eine Chance für Betriebsräte, ihren Anliegen in Richtung Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch Berichterstattung im Nachhaltigkeitsbericht stärker Nachdruck zu verleihen.
Die Professionalisierung macht auch vor den Betriebsräten nicht halt. Gefragt sind tragfähige Unterstützungsstrukturen: ExpertInnen im Unternehmen, Kooperation mit Gewerkschaften und Arbeiterkammern, die Pflege von Betriebsratsnetzwerken und vermutlich auch die Suche nach Verbündeten bei der lokalen Geschäftsführung oder dem/der einen oder anderen KapitalvertreterIn im Aufsichtsrat bilden die entsprechende Basis. Beim Erwerb von notwendigem Know-how für die verantwortungsvolle Aufgabe unterstützen Arbeiterkammer und ÖGB im Rahmen ihres weitreichenden IFAM Seminar- und Weiterbildungsangebots. Spezifische Veranstaltungen und ein umfangreiches Angebot an Büchern und Skripten speziell für Betriebsräte runden das Angebot ab. In der Praxis bewährt sich besonders das Beratungsangebot der Arbeiterkammer, BetriebsrätInnen spezifisch für bevorstehende Aufsichtsratssitzungen im Rahmen des AK-Beratungsangebots etwa durch Analyse von Jahresabschlüssen oder Unterstützung bei gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen vorzubereiten.
Mitbestimmung als Erfolgsfaktor
Die Nominierung von BetriebsrätInnen in den Aufsichtsrat und damit die wirtschaftliche Mitbestimmung wurde 1919 gesetzlich verankert und ist ein maßgeblicher sozialer Meilenstein in der Corporate Governance. Denn Mitbestimmung trägt positiv zum Unternehmenserfolg bei und bereichert das Aufsichtsratsgremium mit einer unternehmensinternen, praktischen Perspektive aus Sicht der arbeitenden Menschen in der Organisation. Der deutsche Mitbestimmungsindex zeigt zum Beispiel, dass Unternehmen mit ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat innovativer sind, nachhaltiger wirtschaften und eine harmonischere Organisationskultur haben. Dabei ist die betriebliche Mitbestimmung im Aufsichtsrat keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Viele europäische Länder haben überhaupt keine Regelungen der Miteinbeziehung auf Board-Level und auch im deutschsprachigen Raum wird oft versucht, die Mitbestimmung zu schwächen. Dabei ist es durchaus im Interesse von ManagerInnen, dass die Belegschaft aktiv einbezogen wird. Eine Studie der europäischen Stiftung Eurofound zeigt dies eindrucksvoll: Österreichische ManagerInnen vertrauen ihren Betriebsräten in 95 Prozent der Fälle, und sie wissen, dass das Engagement für das Unternehmen durch Partizipation der Beschäftigten steigt.
IFAM – Institut für Aufsichtsrats-Mitbestimmung
Heinz Leitsmüller und Simon Schumich
Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
Heinz.Leitsmüller@akwien.at
Simon.schumich@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at