Gesellschaftsrechtliche und steuerliche Konstrukte führen zu schwer nachvollziehbaren Kapitalflüssen und Beherrschungs- und Einflussstrukturen zwischen Konzerngesellschaften. Der Aufsichtsrat hat diese zu überwachen und mit den immer komplexer werdenden Compliance- und Kapitalmarktregeln klarzukommen. ArbeitnehmervertreterInnen wiederum sind mit kaum überschaubaren „Big Data“-Beständen konfrontiert, die über sämtliche Arbeitsprozesse auf Unternehmensebene hinweg gesammelt werden – und die Beschäftigten damit völlig transparent werden lassen. Zusätzlich sind Betriebsräte permanent mit Umstrukturierungsaktivitäten wie Outsourcing, Ausgliederungen, Projekten zur Arbeitszeitflexibilisierung und nicht zuletzt der immer stärker fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung konfrontiert.
Professionalisierung
Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat basiert auf den Regelungen des Arbeitsverfassungsrechtes und ist international – aber auch auf europäischer Ebene – keine Selbstverständlichkeit. Von konservativer bzw. neoliberaler Seite wird immer wieder versucht, die Mitbestimmung zurückzubauen. Vor allem in Konzernen unter angelsächsischem Einfluss werden Betriebsräte im Aufsichtsrat als „Fremdkörper“ empfunden. Auf EU-Ebene soll in den nächsten Monaten das Gesellschaftsrecht flexibilisiert werden, Spaltungen sollen erleichtert werden, Konzerne sollen ihren Sitz – unabhängig vom tatsächlichen Standort des Headquarters – innerhalb der EU frei wählen können. Damit wäre auch die Gefahr verbunden, dass die Mitbestimmung unter die Räder gerät und der Konzernsitz in jenem Land gewählt wird, in dem es die geringsten Mitbestimmungspflichten gibt.
Einhergehend mit den veränderten Rahmenbedingungen zeichnet sich seit Jahren ein Trend Richtung stärkerer Professionalisierung des Aufsichtsrats ab. Deutlich erkennbar ist dies etwa bei kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie Unternehmen im Finance-Bereich. Compliance-Regelungen sowie Aus- und Weiterbildungsverpflichtungen für die Mandatare wurden etwa unter dem Stichwort „Fit and proper“ in den letzten Jahren verschärft. Unter bestimmten Umständen müssen sogar Kompetenzüberprüfungen bei der Finanzmarktaufsicht bewältigt werden. Dies ist gerade für ArbeitnehmervertreterInnen eine Herausforderung, werden sie doch auf Basis einer Wahl (Betriebsratswahl) und anschließender Delegierung durch das Gremium in den Aufsichtsrat entsandt und nicht aufgrund ihres ExpertInnenwissens. Herausforderung wird trotzdem sein, sich entsprechendes Wissen und Know-how anzueignen, um die Funktion im Aufsichtsrat mit der notwendigen Verantwortung ausüben zu können. Hintergrund der Professionalisierung ist auch die zunehmende Sorge, bei nicht sorgfältiger Arbeit zur Haftung herangezogen zu werden. In Österreich hat der ÖGB dieser Sorge Rechnung getragen und die Haftungssummen im Rahmen der Versicherung für Betriebsräte im Aufsichtsrat deutlich erhöht.