Alleinerziehende stärker armutsgefährdet: Warum ist das so?
Die Ursachen für das deutlich höhere Risiko hätten sich kaum geändert. Ein Grund sei, dass die Vollerwerbstätigkeit zurückgehen würde. Man dürfe nicht vergessen, dass Alleinerziehende ja auch noch einen anderen Vollzeitjob hätten. Nämlich die gesamte Care-Arbeit der Familie. Für viele Alleinerziehende sei extreme Flexibilität und das Tragen aller Verantwortung und Sorgen nichts Neues. Zartler hat über Jahre Alleinerziehende in Österreich begleitet und mit ihnen gesprochen. Manche Interviews dauerten drei Stunden. Für die Studie wurden die Teilnehmerinnen unter anderem gebeten, Tagebuch zu führen. Zartler betont, dass die Pandemie alle Menschen beeinflusst habe. „Alleinerzieherinnen gehören aber ganz klar zu den großen Verliererinnen.“ In ihrer Studie fasst sie zusammen, warum das so ist.
• Alleinerziehende haben Vereinbarkeitsproblematik
Alleinerziehende Eltern haben wenig Möglichkeiten, Kinderbetreuung, Homeschooling und Hausarbeit aufzuteilen. Daher waren sie von den Schließungen der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen besonders betroffen. Zusätzlich konnte nicht mehr auf Netzwerke zur Unterstützung, wie etwa die Großeltern, zurückgegriffen werden.
• Extremer Druck, flexibel zu sein
Eltern mussten sich in der Pandemie grundsätzlich andauernd an neue Rahmenbedingungen anpassen. Bei den Alleinerziehenden trägt diese Last eine Person allein. Dabei mussten immer wieder neue Betreuungsarrangements, Tagesstrukturen und Familienregeln gefunden werden. Diesen Druck spürten die Alleinerziehenden nicht nur in den ausgedehnten Phasen des Lockdowns, sondern auch in der Quarantäne. Manche Familien in der Studie seien bis zu fünfmal in Quarantäne gewesen.
• Existenzängste und gesundheitliche Sorgen
Die finanzielle Situation von Ein-Eltern-Familien ist abseits der Pandemie deutlich schlechter als für andere Familienformen. Sie müssen in Relation deutlich höhere Ausgaben für ihre Kinder tätigen als Paarfamilien. Während der Pandemie haben sich Existenzängste aufgrund der Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Zusätzlich zu der Angst, den Job zu verlieren. Hinzu kamen massive Sorgen vor einer eigenen Erkrankung. Vor allem, da im Krankheitsfall die Kinderbetreuung nicht gesichert werden könnte.
• Sorgen um Kinder
Alleinerziehende machten sich bereits seit Beginn der Pandemie intensive Gedanken um mögliche Bildungsnachteile für ihre Kinder. Zwar sind sie bemüht, ihre Kinder gut durch die Pandemie zu begleiten, doch die Erwerbsarbeit erschwert ein ausreichendes Homeschooling. Das könnte ihre Zukunftschancen beeinträchtigen.
• Einsamkeit und Isolation
Alleinerziehende fühlten sich während der Pandemie über weite Strecken allein gelassen. Sie leiden besonders unter den reduzierten Kontaktmöglichkeiten. Der weitgehende Wegfall von Sozialbeziehungen während der Lockdown- und Quarantänephasen führt zu Gefühlen von Einsamkeit und Isolation. Das beeinträchtigt Wohlbefinden und psychische Gesundheit. Gleichzeitig fehlte in solchen Phasen jegliche Zeit für sich selbst, weil es nicht möglich ist, Arbeit an jemand anderen abzugeben.
Es braucht ein Maßnahmenpaket für Alleinerziehende, das hat die Studie der #WU klar aufgezeigt. Es braucht treffsichere Maßnahmen – u.a. eine Reform des Unterhaltsrechts und anderer Einkommensbestandsteile! Und die Diskussion zu einer Form der #Kindergrundsicherung muss beginnen. https://t.co/zt4x7k5Q4f
— Anna Parr (@AnnaParrCaritas) March 23, 2022
„Wenn wir die Zahlen lesen, die Auswirkungen der Armutsgefährdung sehen und den Menschen zuhören, ist es allerhöchste Zeit, alles zu unternehmen, damit diese Familien nicht weiter beeinträchtigt werden“, fasst Zartler zusammen. Es brauche mehr finanzielle Absicherung, etwa durch eine Kindergrundsicherung. Außerdem mehr Unterstützung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dies erreiche ein ausreichendes, flächendeckendes, zeitlich flexibles und qualitativ hochwertiges Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung müsse durchgesetzt werden.
Alleinerziehende: Folgen der Armutsgefährdung
Viele Begriffe im Kontext der Armutsgefährdung und der Ein-Eltern-Familien klingen abstrakt. Wenn man den Expertinnen zuhört, wird es schnell konkret. Kinder können nicht beim Schulausflug dabei sein oder sitzen im Anorak im Wohnzimmer, weil die Eltern die Heizkosten nicht zahlen können. Sie erzählen von Kindern, die statistisch extrem benachteiligt sind, obwohl sie nichts dafür können, nur einen Elternteil zu haben. Die Corona-Pandemie hat den Kampf gegen die Kinderarmut noch dringlicher gemacht.
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