Ade Gemeinnützigkeit

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

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Die Koalition hat es bereits vereinbart, nun bekräftigt es die SPÖ im "Plan A": Die strengen Grenzen für Spekulation im gemeinnützigen Wohnbau sollen aufgeweicht werden.
In der angelsächsischen ArbeiterInnenbewegung gibt es ein Sprichwort, das besagt: „Du kannst nur beeinflussen, was dir auch gehört.“ Damit ist gemeint, dass die Allgemeinheit nur dann die Kontrolle über wesentliche Dinge wie etwa Eisenbahnen, Post oder Wohnraum hat, wenn diese Dinge auch im Besitz der Allgemeinheit sind.

In der österreichischen Wohnpolitik sind in den vergangenen Monaten Maßnahmen in die Wege geleitet worden, die geeignet sind, wesentliche Teile eines solchen Einflusses auszuhebeln. Auf dem Spiel steht nicht weniger als der Fortbestand des gemeinnützigen Wohnbausektors in seiner derzeitigen Form.

Gemeinnützige Bauvereinigungen bauen keine Gemeindewohnungen. Diese werden schon seit etlichen Jahren kaum noch gebaut, auch wenn die Gemeinde Wien derzeit wieder ein paar Hundert von ihnen auf den Markt bringt. Rund eine Million Mietwohnungen gibt es, die in Österreich von sogenannten gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen vermietet werden.

Gewinnbeschränkung

Dabei handelt es sich um Unternehmen wie die Sozialbau AG, die GEWOG, die GESIBA oder auch Alpenland. Zusammengefasst sind sie im „Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen“. Gemeinnützige Bauträger sind dabei schon einen Schritt vom Allgemeingut entfernt: Oft müssen Tausende oder gar Zehntausende Euro an Genossenschaftsbeiträgen ausgegeben werden, um als MieterIn an eine solche Wohnung zu kommen. Das ist durchaus eine finanzielle Belastung. Im Gegensatz zum vollständig privaten und somit profitorientierten Wohnungsmarkt sind den gemeinnützigen Bauvereinigungen jedoch deutliche Grenzen auferlegt. So sind sie bei Bau und Vermietung den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Sie dürfen nur kostendeckende Mieten verlangen und unterliegen einer Gewinnbeschränkung.

Grenzen der Spekulation

Den EigentümerInnen wiederum dürfen nur Gewinne in Höhe von bis zu 3,5 Prozent des Stammkapitals ausgezahlt werden. Darüber hinausgehende Beiträge haben wieder in den gemeinnützigen Wohnbau zu fließen. Festgelegt ist dies im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. In § 1 Absatz 3 heißt es dazu: „Das von gemeinnützigen Bauvereinigungen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung erwirtschaftete Eigenkapital ist im Sinne eines Generationsausgleichs zur Sicherung einer nachhaltigen Wohnversorgung bestehender und zukünftiger Nutzer auf Dauer für Zwecke des gemeinnützigen Wohnungswesens gebunden und zu verwenden.“ Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass mit gemeinnützigem Wohnraum aus Profitinteresse spekuliert wird. Gemeinnützige Wohnungen sollen auch für kommende Generationen leistbare Wohnungen bleiben. Damit könnte bald Schluss sein, geht es nach dem Willen der Bundesregierung. Anfang März 2017 veröffentlichte Bundeskanzler Christian Kern mit großen Fanfarenklängen seinen „Plan A: Programm für Wohlstand, Sicherheit und gute Laune“.

Ab Seite 97 geht es um die Wohnsituation in Österreich. Darin ist zu lesen: „Fakt: 40.000 Obdachlose. Und jeder ist einer zu viel.“ Oder: „Unser Ziel: Gruft und Kluft schließen!“ Dieses Ziel soll scheinbar auf dem Wege eines Interessenausgleichs zwischen MieterInnen und Investoren erreicht werden. „Mit innovativen Ideen kann man beiden Seiten gleichermaßen gerecht werden“, heißt es auf Seite 100. Ziel sei es, „Kosten für alle zu reduzieren“.

Vor allem die gemeinnützigen Bauträger scheinen Motivation zu brauchen. Diesem Ziel sind einige Absätze gewidmet. Der „Plan A“ beschreibt die Problemlage folgendermaßen: „Gemeinnützige Wohnbauträger spielen eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von leistbaren Wohnungen. Im Moment können institutionelle Anleger (wie Versicherungen) allerdings nur sehr eingeschränkt in gemeinnützige Wohnbauträger investieren, da solche Anteile nur eingeschränkt handelbar sind.“

Bisher wesentlich für Gemeinnützigkeit

Gerade dies war bislang ein wesentlicher Kern der für gemeinnützige Bauvereinigungen geltenden Bestimmungen. Dadurch soll eben spekulatives Aufkaufen und Verkaufen von gemeinnützigen Wohnungen verhindert werden. Der „Plan A“ möchte dies aufweichen: „Durch entsprechende Anpassungen könnte die Investition in gemeinnützige Wohnbauträger für institutionelle Anleger deutlich interessanter werden. ExpertInnen gehen von einem Potential von ca. 2 Milliarden Euro pro Jahr aus, was jährlich etwa 10.000 zusätzlichen Wohnungen entspricht.“

Auch das Kapital von Versicherungskonzernen, etwa aus dem Bereich der sogenannten „prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge“, soll mobilisiert werden. Erneut aus dem „Plan A“: „Aktuell werden ca. 30 Prozent der Mittel aus der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge in Aktien investiert. Wenn diese Mittel auch in Projekte für leistbares Wohnen umgelenkt werden, steht jährlich ein Potential von bis zu 2 Milliarden Euro zur Verfügung.“

Schrillende Alarmglocken

Als diese Vorschläge in den „Plan A“ hineingeschrieben wurden, waren sie schon lange Bestandteil der Regierungsarbeit. In der Regierungsübereinkunft vom 30. Jänner 2017 ist auf Seite 6 unter der Überschrift „Zusätzliche Mobilisierung privaten Kapitals“ zu lesen: „Um institutionellen Anlegern Investitionen in Anteile gemeinnütziger Wohnbauträger zu erlauben, soll der künftige Verkaufspreis dieser Anteile über dem Kaufpreis liegen können, ohne dass es zu höheren Gewinnausschüttungen der Wohnbauträger kommen muss.“ Dafür sollen Teile des Gesetzes umgeschrieben werden. Im November möchte der Ministerrat die Reform beschließen.

Beim Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) schrillen bereits die Alarmglocken. In einer Stellungnahme vom 2. März heißt es, man begrüße zwar grundsätzlich die Mobilisierung privaten Kapitals, aber: „Mit dieser Neuregelung ist der Abverkauf von Anteilen an Gemeinnützigen Bauvereinigungen, steigender Druck auf Dividenden, der Abfluss von gemeinnützigem Kapital, der Verkauf von Gebäuden bzw. Wohnungen und letztlich eine Steigerung der Wohnungskosten (Mieten) verbunden. Der Vorschlag führt nicht zu einer Erhöhung des Outputs an leistbarem Wohnraum, sondern setzt das System der Wohnungsgemeinnützigkeit aufs Spiel.“ Kurz zusammengefasst befürchten die gemeinnützigen Bauvereinigungen durch die Gesetzesveränderung eine schleichende Privatisierung des gemeinnützigen Wohnraums. Diese könnte drastische Preis- und Mietensteigerungen bedeuten, mit allen negativen Konsequenzen für die MieterInnen.

Wer profitiert?

Tatsächlich kocht schon längst die parlamentarische Gerüchteküche. So stellte die grüne Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser am 3. März eine Anfrage, in der sie darauf Bezug nahm. Darin heißt es: „Wohlinformierte Kreise berichten, die SPÖ, die teilweise über Beteiligungen namhafte Anteile an GBV (Gemeinnützigen Bauvereinigungen) hält, wolle diese verkaufen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf würden die Anteile u. U. schlagartig stark an Wert gewinnen. Schätzungen gehen davon aus, dass der Wert der Anteile, den die SPÖ direkt und indirekt über die Wiener Arbeiterheime an der Sozialbau hält, um 16 Mio Euro steigen würde.“ Moser hat auch andere EigentümerInnen im Blick: „Das ÖVW gehört der Erste Bank, das Stammkapital beträgt 218.018,50 Euro. In der Bilanz ist der Wert noch niedriger angesetzt. Der Substanzwert beträgt rund 40 Mio. Euro. Wenn diese Gesetzesänderung kommt, wäre der Anreiz für die Erste Bank, zu verkaufen, wohl hoch.“

Man hat nur die Kontrolle über das, was einem gehört: Die geplanten Änderungen beim Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz verschieben solche Kontrollmöglichkeiten zu Ungunsten der MieterInnen. In anderen Ländern wie zum Beispiel der Bundesrepublik Deutschland hat man damit bereits Erfahrungen gemacht. Vorhaben wie das hier diskutierte führten dort zu einer großflächigen Totalprivatisierung gemeinnützigen Wohnraumes. In der Hauptstadt Berlin gibt es deshalb eine Mietenkrise, die jene in Österreich noch in den Schatten stellt. Es ist stark zu hinterfragen, ob Österreich hier nacheifern soll.

Der „Plan A“ findet sich hier. Wohnbaupolitisches ab Seite 100:
tinyurl.com/kkexdcg
Stellungnahme der GBV gegen die geplante Gesetzesänderung:
www.gbv.at/Page/View/4645
Anfrage von Gabriela Moser:
tinyurl.com/moadm3y

Von
Christian Bunke
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/17.

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