Ackern 4.0

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl
Drohnen kommen in der Landwirtschaft vermehrt zum Einsatz, etwa bei der Schädlingsbekämpfung. Oder sie helfen beim Aufspüren von Jungwild, Wildvögel-­Gele­gen und Feldhasen, um diese vor dem ­sicheren Tod durch riesige ­Mähmaschinen zu retten.

Inhalt

  1. Seite 1
  2. Seite 2
  3. Auf einer Seite lesen >
Die Digitalisierung der Landwirtschaft gilt als Zukunftsmodell. Sie soll die körperliche Arbeit durch intellektuelle Inhalte ersetzen.
Die Verbreitung von Computern, Smartphones, Sensoren und Breitbandinternet ermöglicht eine Form der Landwirtschaft, wie sie vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen ist.

Technik für Nachhaltigkeit

Zum Beispiel derart: Kühe können mit Detektoren ausgestattet werden, die permanent ihre Gesundheit überwachen, und Algorithmen planen den Zeitpunkt für eine Insemination. In einem Bericht des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Technische Lösungen für die nachhaltige Landwirtschaft“ heißt es etwa: die Verteilung von Herbiziden lässt sich durch die sinnvolle Anwendung der neuen Technologien um bis zu 18 Prozent verringern. Ähnlich stark könnten die Einsparungen bei Pestiziden oder auch bei der Nutzung von Traktoren sein.

Doch allein auf technische Innovationen zu vertrauen ist der falsche Weg, weiß Andreas Gronauer, Leiter des Instituts für Landtechnik an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). „Technik ersetzt nie Verstand und Wissen. Wer glaubt, dass Technik Fähigkeit und Wissen ersetzen kann, der ist auf dem Holzweg“, warnt er. „Technik ist nur ein dienendes Mittel.“ Sie liefert jedoch Möglichkeiten, um in Prozesse einzugreifen: Sie hilft etwa dabei, die schwere körperliche Arbeit in der Landwirtschaft zu vereinfachen. Besonders das Melken geht aufs Kreuz. Deshalb sollen automatische Melksysteme und -roboter Milch gewinnen. Das Melkgeschirr wird dabei automatisch mit Erkennungssystemen auf Basis von Ultraschall, Laser und optischen Sensoren an das Euter der Kuh angeschlossen. Freilich wird das Rind nun noch mehr zur bloßen Milchmaschine degradiert. Um ständig Milch zu produzieren, muss eine Kuh jedes Jahr ein Kalb gebären. Sie lebt als „Hochleistungsmaschine“, um rund 8.000 Liter Milch pro Jahr zu liefern.

Gedämpfte Erwartungen

Gronauer dämpft die Erwartungen: „Die große Fehleinschätzung ist, dass sich der Bauer dann auf die faule Haut legen kann und das ganze System rennt von alleine.“ Denn in Wahrheit verschieben sich nur die Arbeitsinhalte: „Der Bauer muss etwa mehr Zeit darauf verwenden, seine Tiere zu beobachten.“ Der körperliche Einsatz wird geringer, dafür gibt es mehr intellektuelle Arbeit, die wiederum Wissen und Ausbildung voraussetzt. Durch das Fördersystem ist es notwendig, dass die LandwirtInnen ihre Arbeit genau dokumentieren. Was auf den Feldern gepflanzt wird oder wie viel und welche Düngemittel und Pestizide zum Einsatz kommen, darüber muss Buch geführt werden. Eine oft wenig geschätzte Arbeit. Doch werden diese Tätigkeiten digital erfasst, ersparen sich die LandwirtInnen die langwierigen Computer-Eingaben – am Ende des Jahres einfach „Enter“ drücken und schon spuckt der Computer das fertige Formular aus. Freilich macht das die LandwirtInnen zu gläsernen Bäuerinnen und Bauern, was nicht allen recht ist.

Historisch gesehen waren technische Innovationen in der Landwirtschaft oft ein Nebenprodukt militärischer Entwicklungen. Das gilt etwa für Traktoren oder für die Stickstoffdüngemittel, die als Nebenprodukt der Sprengstoffherstellung entwickelt wurden. Technische Neuerungen werden in der Regel in Groß- und Mittelbetrieben zuerst angewendet. Erst später, wenn neue Produkte in größeren Stückzahlen hergestellt werden, sind sie auch für Kleinbetriebe leistbar.

Kooperation

Andreas Gronauer rät kleineren Landwirtschaften zum überbetrieblichen Einsatz der Ressourcen. Ein Traktor kostet im eher günstigen Segment zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Effizienter ist es, wenn sich Bäuerinnen und Bauern zusammenschließen und Geräte gemeinsam anschaffen. Diese Betriebsgemeinschaften können sich dann etwa High-Tech-Traktoren im höheren Preissegment anschaffen, die etwa mit GPS-Tracker auch am Computer geortet werden können. „Die Bauern können jederzeit online einsehen, wo die Maschinen gerade eingesetzt werden. Auf diese Art ist eine logistisch effiziente Zeitplanung möglich“, erklärt der Landwirtschaftsexperte. „Wenn der Traktor noch 30 Minuten beim Huber-Bauern läuft, kann ich mich im System einbuchen und die Maschine dort abholen.“ Der Vorteil für die Betriebsgemeinschaften liegt auf der Hand: In einzelnen Betrieben läuft ein Traktor etwa 400 Arbeitsstunden pro Jahr, in Betriebsgemeinschaften kann ein Traktor jährlich oft bis zu 1.200 Stunden und länger eingesetzt werden.

Technik und ökologische Landwirtschaft müssen sich nicht zwangsläufig widersprechen. So arbeiten auch manche Bio-LandwirtInnen mit modernen Technologien, etwa wenn sie Drohnen gegen Schädlinge einsetzen. Der Maiszünsler – ein Schmetterling, der seine Eier an Maispflanzen ablegt – gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Schädlingen in Mais- und Hopfenanbaugebieten. Die geschlüpften Larven bohren sich von der Spitze her in den Stängel und fressen sich dann komplett durch die Pflanze. Die Folgen sind oft fatal: Die Mais-Stängel knicken auf halber Höhe um, die Kolben verfaulen und an den Bohrlöchern können sich zudem Pilze bilden. Der natürliche Feind dieses Schmetterlings heißt „Trichogramma brassicae“, eine kleine Schlupfwespenart, die des Maiszünslers Eier angreift.

Von Mitte Juni bis Mitte Juli werden nun Drohnen auf das Maisfeld geschickt, die dort Schlupfwespen-Eier abwerfen. Zur Vorbereitung des Einsatzes gibt der Landwirt die Geokoordinaten des Maisfeldes bekannt. Mithilfe einer App wird anhand dieser Daten ein Flugraster für die Drohne erstellt. Die Kugeln mit den Nützlingen werden in einem Behälter von der Drohne transportiert. In einer dieser Kugeln befinden sich rund 1.100 Schlupfwespenlarven in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Durch kleine Löcher in der Kugel gelangen die Nützlinge nach und nach ins Freie. Die geschlüpften Larven fressen die Eier des Zünslers.

Drohnen sind auch in anderen Bereichen einsetzbar. Sie helfen etwa im Flachgau und dem angrenzenden Innviertel beim Aufspüren von Jungwild, Wildvögel-Gelegen und Feldhasen, um sie vor dem sicheren Tod durch riesige Mähmaschinen zu retten. Der „Octocopter“ mit acht Rotoren ist mit einer hochsensiblen Wärmebildkamera ausgestattet und überfliegt das Gelände in rund 30 bis 50 Meter Höhe.

Elektrische Mobilität

Auch an elektrischer Mobilität wird in der Landwirtschaft gearbeitet. Doch Traktoren brauchen jede Menge Zugkraft. Mit aufladbaren Batterien kann diese Leistung derzeit bei Weitem noch nicht erbracht werden. Dafür müsste ein ganzer Anhänger voll mit Batterien mitgeführt werden. Wenn aber Verbrennungsmotoren in der absolut obersten, optimalen Effizienzregion der Motordrehzahl und des Drehmoments gehalten werden, können damit Generatoren angetrieben werden, die so effizient Strom erzeugen. Dieses Konzept wird bei Mähdreschern und Häckslern angewendet – die von ihnen angetriebenen Generatoren versorgen dann elektrische Antriebe, die die Arbeit am Feld erleichtern.

Prüfende Sensoren

Die Technik dient heute den Menschen, weil sie sensitiver wird. „Wenn man sich eine Bodenkarte ansieht, ist der Boden eines Feldes nie homogen. Es gibt Unterschiede in der Bodenart, der Nährstoffverteilung und der Verdichtung“, erklärt Experte Gronauer. Allerdings sind diese Unterschiede im Kleinen durch die grobe maschinelle Bearbeitung verloren gegangen, die Felder wurden bestellt, als wären sie homogen aufgebaut. „Unsere Urgroßväter waren mit dem Pferd unterwegs und haben sehr wohl noch die Unterschiede auf den Feldern gekannt“, weiß Gronauer. „Sie gingen dem Pflug zu Fuß hinterher und wussten genau, wie der Boden beschaffen ist, und haben darauf reagiert, indem sie den Pflug auch mal tiefer laufen ließen.“ Heute können Sensoren diese kleinteiligen Unterschiede (wieder) erkennen und in entsprechender Weise Rücksicht nehmen.

Doch trotz aller technischen Raffinessen bleibt den LandwirtInnen manche lästige, unangenehme Arbeit noch immer übrig: etwa das Ausbringen der Gülle auf die Felder. Diese stinkende und langweilige Arbeit kann bisher noch kein Roboter übernehmen.

Bericht des Europäischen Parlaments:
www.europarl.europa.eu/thinktank

Von
Christian Resei
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.

Schreiben Sie Ihre Meinung an
resei@gmx.de
oder an die Redaktion
aw@oegb.at

Inhalt

  1. Seite 1
  2. Seite 2
  3. Auf einer Seite lesen >

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.