Aber auch von ganz anderer Seite sind durchaus ähnliche Töne zu hören. Autorin Christine Nöstlinger hält FPÖ-WählerInnen einfach für „denkfaul“ und „ungebildet“. Sänger Farin Urlaub („Die Ärzte“) stößt in dieselbe Richtung: „Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben.“ Und Christa Zöchling („profil“) beschreibt FPÖ-WählerInnen pauschalisierend als sozial und kulturell klar umrissenen Menschenschlag: „Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe.“
Politik mit problematischen Bildern
Doch nicht der mediale Diskurs, sondern auch die Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik wandelt zuweilen auf ähnlichen Pfaden. Die „arbeitsmarkt- bzw. bildungsfernen“ Schichten sind in zahllosen Strategiepapieren genau jene Zielgruppen, welche durch verschiedene Maßnahmen des Staates „aktiviert“ werden sollen. Doch wer ist damit eigentlich gemeint? Als Bildungsferne werden in der Regel Personen bezeichnet, die keinen oder nur einen niedrigen Formalabschluss besitzen und daher besonders schwer einen Arbeitsplatz finden. Das Bund-Länder-Programm „Initiative Erwachsenenbildung“ schätzt, dass insgesamt rund eine halbe Million nicht mehr schulpflichtige Menschen entsprechenden Basisbildungsbedarf haben oder einen Pflichtschulabschluss benötigen.
Als „arbeitsmarktfern“ gilt in Österreich bereits jemand, der im letzten Jahr maximal zwei Monate beschäftigt und zumindest vier Monate beim AMS als Arbeit suchend vorgemerkt war (Ausnahme WiedereinsteigerInnen). Genau solche Personengruppen möchten auch österreichische PolitikerInnen viel stärker in die Pflicht nehmen.
Stärker „fordern“ statt „fördern“?
Bereits in seinem ersten Arbeitsjahr als Finanzminister meinte Hans Jörg Schelling, dass es in Österreich nur deshalb schwer wäre, „Arbeitskräfte zu finden, weil das Arbeitslosengeld fast genauso hoch ist wie das Arbeitseinkommen. In Deutschland gibt es mit Hartz IV ein Modell, das offenbar besser funktioniert.“
„Fördern und fordern“ lautete der Leitgedanke, als die (deutsche) Bundesregierung 2005 Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu dem Hartz-IV-Paket schnürte. Unter Hartz IV wird die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Menschen, die länger arbeitslos sind, zum Arbeitslosengeld II zusammengeführt, das zum Teil auf einem Niveau unterhalb der Sozialhilfe lag. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bilanziert dazu: „Gefördert wird kaum, gefordert wird viel. Wer Arbeitslosengeld II bezieht, kann nämlich in jeden Job vermittelt werden, egal, ob er untertariflich bezahlt wird oder ob es nur ein Mini- oder ‚Ein-Euro-Job‘ ist. (…) ver.di setzt sich daher für eine sofortige Abschaffung der ‚Ein-Euro-Jobs‘ ein. Denn diese Jobs sind entwürdigend. Erwerbslose werden hier gezwungen, Jobs auszuüben, für die sie vielfach überqualifiziert sind. ‚Ein-Euro-Jobs‘ vernichten außerdem reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Und: Auf diese Weise werden prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland hoffähig gemacht.“
Die Hans-Böckler-Stiftung kritisiert diese allgemeine Tendenz, nämlich dass auch in Europa die schon aus den USA bekannten Zusammenhänge von arbeitsfördernden und repressiven Vorgehensweisen im Sinne eines „strafenden Staats“ aufgegriffen werden . Man fordert also soziale Inklusion durch Zwang und Autorität. All diese Vorschläge firmieren unter dem Schlagwort „aktivierender Sozialstaat“.
Zwang, strenge Kontrollen, Strafen
Aber auch der Bildungsbereich ist hier inzwischen betroffen. Das alte Prinzip der Freiwilligkeit in der Erwachsenenbildung wird in der Praxis immer häufiger durch die Einbindung der entsprechenden Institutionen in sogenannte Integrations- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen durchbrochen. Personen, die in diesem Kontext Sprachkurse absolvieren oder Schulabschlüsse nachholen, unterliegen strengen Kontrollen bzw. Sanktionsmöglichkeiten. Aber beispielsweise auch die Möglichkeit, Verwaltungsstrafen gegenüber Betroffenen bzw. deren Familien bei Nichterfüllung der neuen Ausbildungspflicht zu verhängen, geht in diese Richtung.