Greenwashing in der Kreislaufwirtschaft

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Eigentlich fiel 2015 das Recycling-Monopol in Österreich. Doch trotz Strafen und Abmahnungen behält die ARA ihre Vormachtstellung und redet sie schön. Politik und Coca-Cola helfen dabei.
Die Kreislaufwirtschaft kommt aus der Landwirtschaft. Heute ist das der Markt, auf dem jeglicher Mist vom Altpapier über Krankenhausabfälle bis zur Zahnbürste gesammelt, sortiert und so lang wie möglich wiederverwertet wird. Dabei wird er vor allem zu Kompost, zur Energiequelle und zum Rohstoff für neue Waren.

Für Verpackungen ist die Altstoff Recycling Austria Servicegruppe (ARA) auf diesem Markt seit 1993 so etwas wie die Mediaprint im Vertrieb: Sie dominiert das Land mit ihrem Sammel- und Verwertungssystem (SVS). Die ARA AG und ihre vier Tochterfirmen leben vor allem von Lizenzen an Gesellschaften, die auf allen Ebenen Verpackungs- und Elektromüll irgendwie nutzen. Die Verursacher selbst schließen Verträge mit der ARA ab.

Das Müllmonopol

Das Müllmonopol besteht weiter – trotz Untersagung der Wettbewerbsbehörde.
Supermarktketten und Industrie verpflichteten sich über die ARA einst vertraglich dazu, nur über deren Partner Abfall zu entsorgen. Als die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) das 2005 untersagte, war sie nicht konsequent genug: Die ARA umging das Verbot einfach. Der Mitbewerb hätte nun Verträge mit dem Handel vorweisen müssen, um Zugang zum Lizenzmarkt zu erhalten. Das war praktisch nicht möglich – ein Teufelskreis in der Kreislaufwirtschaft. So bestand das Müllmonopol fort.

Wie sollte es auch anders sein? Die ARA ist eine WKO-Erfindung. Sie gehört der österreichischen Industrie und dem Handel, welche in den Neunzigern Mehrwegquoten und Ökoabgaben verhindern wollten. Das erste Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) und die Verpackungsverordnung (VerpackVO) überließen ihnen das Feld im Vertrauen auf Selbstkontrolle. Mit der ARA schufen und schaffen sie sich eigene Regeln. Im Aufsichtsrat sitzen unter anderem die REWE Group und diverse Verpackungsproduzenten. Sie bestimmen die Entsorgungstarife für ihren Verpackungsabfall selbst und profitieren von Überschüssen. Die ARA ist als Non-Profit-Unternehmen konzipiert, wobei Gewinne in Tarifsenkungen fließen sollen. Trotzdem wehrt sie sich dagegen, Monopolist genannt zu werden. Gleichzeitig wird sie nie müde, ihre Marktstellung zu betonen.

6 Millionen Euro Strafe

Selbstbewusst kommentierte die ARA etwa die letzte Reform auf ihrem Gebiet mit Blick auf ihr SVS: „Aus dem Gesichtspunkt der Effektivität lässt sich somit kein Handlungsbedarf für eine Novellierung von AWG und VerpackVO ableiten.“

Das steht schon auf Seite 3 der 75-seitigen Stellungnahme zum damaligen Begutachtungsentwurf. Darin preist sich die ARA als unschuldiger Öko-Vorreiter, welcher mit der Novelle unnötig bestraft werde. Ihre Tochterfirmen ERA und Austria Glasrecycling verwiesen auf den Text. Letztere fügte ihn sogar 1:1 an das eigene Schreiben ans Umweltministerium.

In Deutschland wurde ein ähnliches System vom Bundeskartellamt zerschlagen. Seither sanken die Tarife deutlich.

In Deutschland wurde ein ähnliches System – das DSD – vom Bundeskartellamt zerschlagen. Nach der Aufsplittung sanken die Tarife deutlich. Aktuell will das Amt eine Fusion von DSD mit einer Entsorgungsfirma verbieten. Die Behörde erkannte den Interessenkonflikt in der alten und geplanten Struktur von DSD, an der sich die ARA bis heute orientiert. Deshalb beobachtete die EU-Kommission immer auch die ARA. 2013 mahnte sie den Riesen ab. Weil das wenig änderte, verhängte sie 2016 eine Geldstrafe von 6 Millionen Euro über das Unternehmen. Eigentlich drohte ein Bußgeld von bis zu 19 Millionen Euro, etwa 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Aus Konzernsicht hätte das den Fortbestand der ARA und damit die österreichische Kreislaufwirtschaft bedroht. Da der Vorstand Fehler zugab und strukturelle Abhilfe anbot, fiel die Strafe deutlich milder aus. Von Missbrauch wollte dennoch niemand reden.

Bis zu 100 Prozent Marktanteil

All das hat das Selbstbild der ARA nicht getrübt. Je nach Verpackungssorte deckt sie mit ihren Töchtern immer noch gut 70 bis 100 Prozent der Kreislaufwirtschaft in Österreich ab, Restmüll ausgenommen. Das zeigt das EDM, eine Datenbank des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT). Bei Haushalten hält die ARA seit Jahren gut 80 Prozent, im gewerblichen Bereich gar 90 Prozent. Jeder Karton, jede Flasche, jede Folie, jede Dose, die in Österreich anfallen, sollen genau vermessen, umfassend katalogisiert und kostenpflichtig gemeldet werden. Die Meldungen garantieren die Teilnahme am ARA-SVS und sind Sache der Kundschaft.

ARA-Marktanteil
bei Haushalten

80 %

ARA-Marktanteil
im gewerblichen Bereich

90 %

Wie die Arbeit&Wirtschaft von einem Wiener Webshop mit fünf Angestellten erfuhr, ist das eine praktisch unerfüllbare Aufgabe. Unter der Bedingung, dass der Name der Firma anonym bleibt, erklärte man uns dies: Zum einen fehle für die rechtskonforme Dokumentation eine eigene Fachkraft. Andererseits würde die Behandlung wirklich jedes Packerls das Tagesgeschäft lahmlegen. Deshalb melde man keine genauen Mengen, sondern ausdrücklich Schätzungen. PrüferInnen würden das akzeptieren und nicht weiter nachfragen. Bis vor wenigen Jahren prüfte noch das Umweltbundesamt (UBA) selbst. Mittlerweile ist diese Aufgabe über die UBA-eigene VKS GmbH an Deloitte ausgelagert, heißt es aus dem Webshop.

Ein anderer Bereich, den die ARA über einen Service beherrschen will, ist der Handel mit Altfahrzeugen. Die Entsorgung von Schrottautos ist besonders heikel. So dürfen Altreifen aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht deponiert, sondern müssen restlos verwertet werden. „altauto.at“ ist das Mittel, mit dem sich die ARA hier besonders kundenfreundlich gibt. Damit bietet sie Schreddern nicht nur Webtools zur Erfassung und Lagerung ihrer Waren, sondern standardisierte Meldeformulare fürs BMNT und Lieferscheine.

All diese Maßnahmen zeigen, dass hinter dem grünen Image, das die ARA in Clips, Anzeigen und auf Plakaten pflegt, immer noch kartellartige, ökologisch zweifelhafte Praktiken stehen.

All diese Maßnahmen zeigen, dass hinter dem grünen Image, das die ARA in Clips, Anzeigen und auf Plakaten pflegt, immer noch kartellartige, ökologisch zweifelhafte Praktiken stehen. Eine auf Schätzungen basierende Datenerfassung etwa dient mehr dem Profit als dem Naturschutz. Wie reagiert die Politik auf dieses Greenwashing, den Umwelt-Anstrich des ARA-Business?

Mit Politik und Pfandgegnern Plastik sammeln

Das BMNT ist lange gut mit diesem System ausgekommen. Die ARA ist scheinbar „too big to fail“. Eine Zerschlagung wie in Deutschland zum Beispiel stand nie zur Debatte. Auch Brüssels Geldstrafe beeindruckten Wien kaum. Darum ist der Konzern immer noch Top-Partner des Ministeriums. Es führt ihn etwa bei der Plattform „Richtig sammeln“, unterstützt seine Preisverleihungen und umgekehrt.

Die ökologische Fragwürdigkeit wird deutlicher, wenn man sich den wohl größten Miteigentümer und Partner genauer ansieht. Coca-Cola Österreich, die ARA und das BMNT fahren gerade eine landesweite PET-Sammelaktion „Miteinand“. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dabei viele Cola-Flaschen anfallen. Denn die Coca-Cola Company (TCCC) verwendet 3 Millionen Tonnen Plastik im Jahr. Die Schweizer Nestlé S.A. belegt mit 1,7 Millionen Tonnen abgeschlagen Platz 2. Die Zahl war die erste derartige Veröffentlichung durch TCCC überhaupt. In Deutschland strich der Riese zuvor das Pfand für 0,5- und 1,5-Liter-Flaschen. In Großbritannien hingegen gab TCCC Druck von Greenpeace nach und begann mit der Teilnahme an einem Mehrwegsystem.

Grundsätzlich ist für den Multi die Reinigung seiner Trinkgefäße schlicht zu teuer. Recycling wie in Müllendorf und „Bewusstseinsbildung“ kommen da deutlich billiger und verlagern die Verantwortung. Diese Rechnung flog mit dem „Cokeleak“ 2015 auf. Interne Mails und Präsentationen von TCCC zeigten, dass der Limo-Konzern seit jeher nicht nur offensiv Zuckersteuern bekämpft, sondern auch Mehrwegsysteme in aller Welt. Auch deshalb versucht Atlanta seit Jahren mit massiven globalen PR-Maßnahmen, seine Ökobilanz zu begrünen.

Über den/die Autor:in

Zoran Sergievski

Zoran Sergievski, geboren 1988 in Hessen, freier Journalist und Lektor. Studierte Publizistik in Wien. Schreibt seit 2007 für diverse Websites, Zeitschriften und fürs Radio, am liebsten über Medien, Rechtsextreme und Soziales. Lebt mit Kleinfamilie in Wien.

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