Pflege braucht Frauen
Frauen brauchen Sicherheit
Praktisch alles rund um das Thema Pflege ist weiblich: Die große Mehrzahl der Pflegepersonen – sei das in Spitälern, Pflegewohnhäusern, Tageszentren oder in der mobilen Pflege – sind Frauen. Es sind Frauen aus der Slowakei, Tschechien, Polen, die in der 24-Stunden-Betreuung tätig sind – mit den negativen Folgen für ihr Familienleben und die dortigen Arbeitsmärkte. Es sind auch Frauen, die den größten Teil der unbezahlten Pflege leisten: Partnerinnen, Töchter, Enkelinnen – mit finanziellen Einbußen, die die Reduktion der Arbeitszeit oder der komplette Ausstieg aus dem Arbeitsleben bis in die Pension bringen. Und nachdem Frauen statistisch gesprochen älter werden als Männer, sind wir auch als Konsumentinnen von Pflegeleistungen stärker betroffen. Fazit: Neben höheren Einkommen und besseren Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal braucht es auch arbeitsrechtliche Absicherung für pflegende Angehörige. Analog der Elternkarenz ist Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit umzusetzen. Nur so sind Frauen abgesichert, wenn sie Angehörige pflegen. Kaum ein Tag vergeht, an dem man in (Boulevard)-Medien nicht über katastrophale Zustände in Spitälern oder Gewalt gegen Pflegepersonal liest. Öffentliche Krankenhäuser werden von jenen, die die lukrativen Seiten des Gesundheitswesens gerne in private Hände geben möchten, systematisch schlecht geredet. Aus einer Umfrage der Arbeiterkammer unter Beschäftigten der Gesundheitsberufe (Oktober bis Dezember 2018, 17.000 Aufrufe des Fragebogens) geht klar hervor, dass Junge deutlich unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen sind. Ein Viertel aller Befragten denkt mindestens ein Mal im Monat ans Aufhören. Kaum verwunderlich daher, dass sich der Run auf Pflegeberufe in Grenzen hält. Fazit: Um für ausreichend Personal und vor allem Nachwuchs in der Pflege zu sorgen, braucht es gute, planbare Arbeitsbedingungen, gerechte Einkommen und ausreichend Ausbildungsstellen für diplomiertes Pflegepersonal. Ein ganz wesentlicher Punkt ist – so abgedroschen es klingt – auch die Anerkennung der Leistung der Pflegenden für die Gesellschaft. Eine Folge des rasanten Fortschritts in Medizin und Pflegewissenschaften ist unser steigendes Alter. Das ist erfreulich, hebt allerdings die Anforderungen an die Gesundheits- und Pflegesysteme – und das kostet. Hochwertige Betreuung und Pflege sind Kernaufgaben eines sozialen Staates. Deren Finanzierung ist, entgegen aller ideologischer Schwarz- und Blaumalerei, mit den richtigen Instrumenten sehr wohl auch langfristig durch die öffentliche Hand möglich. Die von Sozialministerin Hartinger-Klein angedachte, aus Arbeitgeber- und ArbeitnehmerInnen-Beiträgen finanzierte Pflegeversicherung ist kein taugliches Mittel – das würde wieder nur auf eine Finanzierung durch Arbeitseinkommen abstellen. Gerechter und langfristig einträglicher ist die Finanzierung durch die Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer und die Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuer. Fazit: Zur Finanzierung der Pflege wurde 2011 der Pflegefonds geschaffen, der mit 2021 auslaufen wird. Der Bedarf an guter Pflege wird dann nicht enden, daher muss der Pflegefonds Dauerrecht werden. Vermögenssteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Pflege und Betreuung auch in Zukunft in hoher Qualität für alle sicher zu stellen. Berufsbilder in der Pflege ändern sich ständig, neue Ausbildungsformen entstehen, die Verantwortung steigt, neue Pflege- und Betreuungsformen werden geschaffen. Die Einkommen halten mit diesen Veränderungen nicht wirklich Schritt. Die Stadt Wien hat allerdings vorgezeigt, dass es auch anders geht: In zwei Etappen haben sich Stadt und die für die Gemeindespitäler zuständige Hauptgruppe 2 der Gewerkschaft younion auf Gehaltserhöhungen mit einem Gesamtvolumen von 69 Millionen Euro für das Pflegepersonal geeinigt. Österreichweit betrachtet ergibt sich bei den Einkommen folgendes Bild: Erstmals hat die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) die Gehälter in Kollektivverträgen und öffentlichen Schemata der Bundesländer verglichen.Ergebnis sind große Unterschiede, die – so die Erhebung – sachlich nicht erklärbar sind. Aus Daten der AK geht weiters hervor, dass Pflegetätigkeiten in der Langzeitpflege geringer entlohnt werden als in Spitälern. Auch das ist sachlich nicht zu argumentieren. Fazit: Die Stadt Wien macht bei der Entlohnung keinen Unterschied zwischen Spital und Langzeitpflege, das muss die Benchmark sein. Generell müssen die Einkommen mit den Qualifikationen und tatsächlichen Tätigkeiten des Pflegepersonals übereinstimmen. Mit einer gerechten Finanzierung des Sozialstaates – Vermögenssteuern – ist das möglich. Die Arbeit mit kranken und pflegebedürftigen Menschen ist an sich belastend. Umso wichtiger sind gute Rahmenbedingungen – das ist ein deutliches Ergebnis der AK-Umfrage. Vor allem öffentliche Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen haben mit knappen Budgets zu kämpfen, das wirkt sich auf die Personalausstattung aus. Zu wenig Personal geht auch zulasten der Planbarkeit, Dienstpläne halten nicht, das Privat- und Familienleben leidet. Aus der AK-Umfrage: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie regelmäßig mehr Stunden pro Woche arbeiten müssen, als vereinbart. Eine weitere große Baustelle sind die Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Betreuung. Die – vorwiegend Frauen arbeiten unter höchst prekären Bedingungen als Scheinselbständige in Abhängigkeit von privaten Agenturen, ohne soziale Absicherung und auch was Haftungsfragen betrifft in einer Grauzone. Hinzu kommt, dass die Arbeitsmärkte in ihren Heimatländern ausgedünnt werden. Fazit: Zur langfristigen Absicherung des Bedarfs an gut qualifiziertem Pflegepersonal sind ausreichend Ausbildungsplätze für diplomiertes Pflegepersonal essenziell. Im stationären Bereich braucht es einen bundesweit einheitlichen, bedarfsorientierten Personalschlüssel für die Beschäftigten aller Gesundheitsberufe. Im Bereich der 24-Stunden-Betreuung ist die Scheinselbständigkeit zu unterbinden, indem die Betreuungspersonen bei zertifizierten Trägervereinen als ArbeitnehmerInnen beschäftigt werden und Zugang zu einschlägigen Ausbildungen haben.
Pflege braucht Nachwuchs
Nachwuchs braucht Perspektiven
Pflege braucht gerechte Finanzierung
Finanzierung braucht mehr Breite
Pflege braucht faire Einkommen
Einkommen brauchen Modernisierung
Pflege braucht gute Arbeitsbedingungen
Arbeitsbedingungen brauchen mehr Personal