Durchgetaktete Arbeitsschritte stehen an der Tagesordnung. Dazu jede Menge Dokumentation, mittels derer alle Schritte schriftlich festgehalten werden müssen, die viel Zeit in Anspruch nimmt und jene Zeitfenster, die zur eigentlichen Pflege und Betreuung zur Verfügung stehen, rapide verkürzen. Laut Jürgen Glaser, Professor für angewandte Psychologie und Leiter des Instituts für Psychologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, bleiben bei diplomierten Gesundheits- und KrankenpflegerInnen genau 5% ihrer täglichen Arbeitszeit für die Betreuung übrig. Ein wenig mehr ist es bei PflegeassistentInnen, wo der Prozentsatz bei 9% liegt, in der Fachsozialbetreuung Altenarbeit bzw. Diplomsozialbetreuung Altenarbeit sind es 13%, bei HeimhelferInnen 20%. Wie kann das sein?
Anteil der Arbeitszeit, der für Betreuung aufgewendet wird
diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen
5 %
PflegeassistentInnen
9 %
Fachsozialbetreuung / Diplomsozialbetreuung Altenarbeit
13 %
HeimhelferInnen
20 %
Fehlende Anerkennung
Ein Grund dafür ist die fehlende Anerkennung der Pflegeberufe. Zwar nicht von den pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen direkt, denn diese schätzen die Leistungen, die das Pflegepersonal tagtäglich erbringt. Vielmehr geht es dabei um die fehlende gesellschaftliche Wertschätzung. „Der professionelle Stellenwert der Arbeit in der Langzeitpflege wird nach wie vor gesellschaftlich nicht anerkannt“, betont Gudrun Bauer, Sozioökonomin und Pflegewissenschafterin. Ihr zufolge liegt das vor allem daran, „dass die Pflege von älteren Menschen nach wie vor von vielen als familiäre Aufgabe verstanden wird“.
Der professionelle Stellenwert der Arbeit in der Langzeitpflege wird nach wie vor gesellschaftlich nicht anerkannt.
Gudrun Bauer, Sozioökonomin und Pflegewissenschafterin
Wenn man sich jedoch vor Augen führt, dass Familienmitgliedern für die Pflege von Angehörigen oft die zeitlichen Ressourcen fehlen und Pflege zu Hause größtenteils auf unbezahlter Arbeit basiert, ergibt sich der Handlungsbedarf fast automatisch. „Es sind bewusstseinsbildende Maßnahmen notwendig, die den Mehrwert und die Leistung qualifizierter Pflege- und Betreuungsarbeit sichtbar machen“, so Heidemarie Staflinger, Referentin der Abteilung Arbeitsbedingungen der AK Oberösterreich.
Auswirkungen des Personalmangels
Wenn es nicht mehr möglich ist, den Kranken und Angehörigen in belastenden Situationen beizustehen, sie zu beraten und ihnen zuzuhören, dann nimmt der Personalmangel Dimensionen an, die nicht mehr vertretbar sind. Das liegt nicht nur daran, dass der Pflegebedarf aufgrund des demografischen Wandels steigt, sondern auch daran, dass der Beruf für viele unattraktiv geworden ist und dass die Pflegenden selbst immer älter werden, in Pension gehen und zu wenige neue Kräfte nachrücken. Zudem wird die Pflege laut Claudia Fida, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, „mit hohen Arbeitsbelastungen, geringen Verdienstmöglichkeiten und unattraktiven Arbeitsbedingungen verbunden“. Daher wird es ihr zufolge immer schwieriger, PflegerInnen für den Beruf zu gewinnen und dort auch zu halten. Spitzen sich solche Probleme zu kommt es zu Pflegeskandalen wie jüngst bei der SeneCura-Gruppe.