Das neue Arbeitszeitgesetz
Der Arbeitsmarkt wurde 2018 durch das neue Arbeitszeitgesetz erschüttert, das mit September unter dem Deckmantel der Arbeitszeitflexibilisierung in Kraft getreten ist. Was sich nach mehr Autonomie und Freiheit für alle anhört, ist in Wirklichkeit sehr einseitig: Arbeitgeber können noch flexibler über ihre MitarbeiterInnen verfügen, und den ArbeitnehmerInnen drohen mehr Überstunden, verkürzte Ruhepausen und ein erhöhtes Unfallrisiko. Die neuen Bestimmungen gefährden genau das, was die betroffenen Gesetze eigentlich schützen sollten: die Gesundheit der Beschäftigten und die ausreichende Freizeit für Familie, Freunde und Hobbys.
Das neuen Arbeitszeitbestimmungen gefährden genau das, was die betroffenen Gesetze eigentlich schützen sollten: die Gesundheit der Beschäftigten und die ausreichende Freizeit für Familie, Freunde und Hobbys.
Die neue Digitalisierungsagentur
Zudem sind in der Arbeitswelt die negativen Auswirkungen der Digitalisierung zu spüren. Technische Neuerungen und effizienzsteigernde Technologien verunsichern die Beschäftigten. Diese sehen ihren Arbeitsplatz gefährdet und haben Angst, mit den immer schneller werdenden Umbrüchen irgendwann nicht mehr mithalten zu können. Mit diesen Problemen soll sich die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Digitalisierungsagentur (DIA) auseinandersetzen. Das Problem dabei? „Der Fachbeirat der neuen Digitalisierungsagentur hat acht stimmberechtigte Mitglieder: drei aus der Wissenschaft und fünf UnternehmerInnen, aber keine einzige Arbeitnehmervertreterin und keinen einzigen Arbeitnehmervertreter“, ärgert sich AK-Direktor Christoph Klein in einem Beitrag im A&W-Blog.
Der Insolvenz-Entgelt-Fonds
Eine Entmachtung der ArbeitnehmerInnen fand auch beim Insolvenz-Entgelt-Fonds, dem sogenannten „Pleitefonds“, statt. „Für Menschen, die gerade ihren Job verloren haben, ist dieser Fonds existenziell wichtig“, betont Christoph Klein. Denn daraus werden „Löhne, Gehälter und weitere Ansprüche von Beschäftigten bezahlt, deren Unternehmen insolvent geworden sind“. Dem Mitspracherecht der Beschäftigten im Fonds hat die Regierung ein Ende gesetzt: Künftig sind sie nicht mehr mit ihrer Stimme in dessen Aufsichtsrat vertreten.
Die Sozialversicherungsform
Ähnlich prekär sieht die Lage im Sozialversicherungsbereich aus. Mit der geplanten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sollen die bisher 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert werden. Bislang standen bei der Gesundheitsversorgung Werte wie Regionalität, Eigenverantwortung und Innovationskraft an oberster Stelle. Regional heißt: „nahe bei den Versicherten“, und das wiederum ist die Voraussetzung dafür, „flexible, der Region angepasste Lösungen zu finden“, so Manfred Brunner, Obmann der Vorarlberger Gebietskrankenkasse und stellvertretender Obmann der Pensionsversicherungsanstalt.
Der springende Punkt ist vielmehr, dass sich das Machtgefüge innerhalb der Sozialversicherung verschiebt.
Nun soll es zu einem Gleichstand zwischen Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen kommen. Christoph Klein verweist darauf, dass Arbeitgeber kein Eigeninteresse an guten Leistungen in der ÖGK haben: „Erstens sind die UnternehmerInnen naturgemäß daran interessiert, ihre Dienstgeberbeiträge zu senken, was den Druck erhöhen würde, auch die Leistungen zu reduzieren. Zweitens haben manche von ihnen ein Interesse, selbst gute Geschäfte zu machen, etwa durch Privatisierung im Gesundheitswesen.“
Die Mindestsicherung NEU
Mit der Mindestsicherung NEU ist seitens der Regierung eine weitere Maßnahme geplant, soziale Leistungen zu kürzen bzw. sogar ganz abzuschaffen. Im Fokus der Reform steht die angedachte Abschaffung der Notstandshilfe. Arbeitslose Personen, die ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld ausgeschöpft haben, sollen statt Notstandshilfe künftig Bedarfsorientierte Mindestsicherung erhalten. Das bedeutet jedoch, dass auf ihr Vermögen zugegriffen wird. Leistungen erhält man erst dann, wenn die eigenen Ersparnisse bis auf einen Freibetrag von 5.200 Euro aufgebraucht sind.
Ein drastischer Schritt, der mit der 2005 in Deutschland durchgeführten Hartz-IV-Reform vergleichbar ist. Diese hatte beträchtliche Folgen auf dem deutschen Arbeitsmarkt: ein erhöhtes Armutsrisiko von Arbeitslosen und ein hoher Druck, auch schlechter bezahlte Jobs sowie ungünstigere Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Die schwarz-blaue Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit gerne als individuelles Versagen hinstellt, deklariert ihre geplanten Maßnahmen als Schaffung von Anreizen, Arbeitslose schneller wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bei genauerer Betrachtung erhöhen sie jedoch lediglich den Druck auf die Betroffenen, die ohnehin schon mit der Stigmatisierung und Schuldfrage ihrer Langzeitarbeitslosigkeit konfrontiert sind.
Mitsprache ade
Republik in Schieflage
All diese Beispiele zeigen vor allem eines: ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Einfluss – nicht nur gegenüber ihren Arbeitgebern, sondern auch gegenüber Institutionen. Die Tendenz der Regierung ist deutlich: Zunehmend werden die Interessen der Unternehmen berücksichtigt und gesetzlich verankert, während jene der Beschäftigten weiter in den Hintergrund gedrängt werden.
Schritt für Schritt kommt es zu einer Machtverschiebung zulasten der Beschäftigten.
Schon länger strebt die Industrie danach, das Staatsziel eines „wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes“ in der Verfassung zu etablieren. Diesem Wunsch plant die Regierung nachzukommen. Dass damit aber auch Tür und Tor für Lohnzurückhaltung, geringere Sozial- und Umweltstandards und schlechtere Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen geöffnet wird, fällt in der öffentlichen Debatte leider oftmals unter den Tisch. „Diese Änderung würde die Benachteiligung der 3,7 Millionen Beschäftigten in Österreich dauerhaft festschreiben“, warnt Christoph Klein. Zu Recht spricht er in diesem Zusammenhang von einer „Republik, die aus dem Gleichgewicht gerät“. Denn genau das passiert, wenn sich die Machtverteilung Schritt für Schritt zulasten der Beschäftigten verschiebt und zudem die Absicherung durch den Sozialstaat angegriffen wird.
Das AK-ZukunftsprogrammBeatrix Mittermann
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/19.
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