Historie: Die Knebelungsstrategie

Foto (C) AK-Bibliothek für Sozialwissenschaften
Das „Antiterrorgesetz“ sollte die Position der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften in den Betrieben schwächen. Das lag im Interesse der christlichen Gewerkschaften, aber das geplante Streikverbot lehnten auch sie ab. Eine gemeinsame Stellungnahme in der AK-Vollversammlung verhinderte es – ein Grund mehr, gegen die ­autonome Selbstverwaltung vorzugehen.
Ab 1929 gingen rechte Koalitionsregierungen gezielt gegen die autonome Selbstverwaltung der Arbeiterkammern vor, 1933 wurde sie beseitigt.
Die konstituierende Nationalversammlung beschloss 1920 die Errichtung von Arbeiterkammern einstimmig, aber die rechtsliberalen und rechten Regierungskoalitionen standen ihnen zunehmend ablehnend gegenüber. Die Wahlsiege der oppositionellen Freien Gewerkschaften bei den AK-Wahlen trugen ebenso dazu bei wie die klare Positionierung gegen die Sozialabbau-Politik.

Schon bald forderten christliche und deutschnationale Gewerkschaften die Umgestaltung der AK-Organe. Später ging es darum, den Wirkungs- und Aufgabenbereich einzuschränken. Etwa Mitte der 1920er-Jahre begann eine gezielte Kampagne gegen die freigewerkschaftlichen „Kammermitglieder“ in den Vollversammlungen, wie die Kammerräte damals hießen. Sie wurden als „Arbeiterverräter“ und „Bonzen“ verunglimpft. Die Kampagne blieb allerdings erfolglos.

Gegen Ende der 1920er-Jahre, als die Regierungen immer mehr nach rechts rückten und sich zunehmend an Italiens Faschistenführer Benito Mussolini anlehnten, wurden die Angriffe noch massiver. Am 12. Februar 1931 beschloss der Ministerrat den Entwurf eines neuen AK-Gesetzes. Nach diesem Entwurf sollte den Bediensteten der Infrastruktur­unternehmen, den EisenbahnerInnen und PostlerInnen, die AK-Zugehörigkeit aberkannt werden und die Arbeiterkammern sollten das Begutachtungsrecht für Landesgesetze fast vollständig verlieren. Nach heftigen Protesten der Freien Gewerkschaften, der sozialdemokratischen Abgeordneten und der Kommunistischen Partei zog die Regierung den Entwurf vorerst zurück.

Die Weltwirtschaftskrise lieferte ab 1929 aber eine Begründung, um den Selbstverwaltungen die demokratische Grundlage zu entziehen: Die Zahl der AK-Zugehörigen und damit die Gesamteinnahmen aus den Beiträgen seien wegen der großen Arbeitslosigkeit so stark zurückgegangen, dass AK-Wahlen nicht mehr finanziert werden könnten. Deshalb wurden die für 1931 vorgesehenen AK-Wahlen mehrmals verschoben.

Als die Regierung Dollfuß nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 „autoritär“ zu regieren begann, ging es Schlag auf Schlag. Am 19. September erklärte Sozialminister Richard Schmitz, dass ein Fortbestand die bisherigen Arbeiterkammern „im Hinblick auf das bereits einsetzende große Werk der Neuordnung unserer Gesellschaft nicht in Frage“ komme. Die am 31. Dezember 1931 auslaufenden Mandate der Vollversammlungen wurden nicht mehr verlängert. Die Regierungsverordnung vom 21. Dezember ersetzte die demokratisch gewählten ArbeitnehmerInnenparlamente durch vom Sozialminister zu bestellende „Verwaltungskommissionen“. Nachdem die gewählten Präsidenten abgesetzt waren, wurden am 2. Jänner 1934 die Vorsitzenden der Verwaltungskommissionen bekanntgegeben. Es handelte sich ausschließlich um regierungsnahe Funktionäre. Proteste fanden kein Gehör.

Von
Brigitte Pellar

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/18.

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Über den/die Autor:in

Brigitte Pellar

Brigitte Pellar ist Historikerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen und war bis 2007 Leiterin des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der AK Wien.

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