Die Benya-Formel sorgt für Gerechtigkeit

Arbeiterin mit Taschenrechner in einer Fabrik. Symbolfoto für Benya-Formel, herbstlohnrunde und KV-Verhandlungen
Arbeitnehmer:innen müssen auch an der Produktivitätssteigerung beteiligt werden. | © Adobe Stock/stockbusters
Anton Benya trat mit seiner Benya-Formel dafür ein, dass sich Lohnerhöhungen an der Inflationsrate, aber auch an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung orientieren.
Die Herbstlohnrunde steht an. In Zeiten hoher Inflation sind Lohnverhandlungen besonders wichtig. Steigt der Lohn nicht, werden die Arbeitnehmer:innen ärmer, die Kaufkraft sinkt und der Wirtschaft droht ein Nachfrageschock. Die Forderungen müssen sich daher zum einen an der Preissteigerung orientieren. Und zum anderen am Produktivitätszuwachs. Dahinter steckt die Benya-Formel. Wer sich daran hält, kann einen Reallohnverlust verhindern. Höhere Löhne sind die zielführendste Anti-Teuerungs-Maßnahme.

Was ist die Benya-Formel?

Anton Benya war mehr als zwei Jahrzehnte lang – von 1963 bis 1987 – Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Mit der nach ihm benannten Benya-Formel sitzt er, wiewohl 2001 verstorben, bis heute mit am Tisch, wenn in Kollektivvertragsverhandlungen über die Anhebung der Gehälter gerungen wird. Die Benya-Formel sieht vor, dass die Höhe der Lohnsteigerung der Inflation plus dem mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs entsprechen muss, erläutert Josef Zuckerstätter. Er ist in der Arbeiterkammer Wien für den Bereich Lohn- und Einkommensentwicklung zuständig.

Lohnsteigerung =
Inflation +
mittelfristiger gesamtwirtschaftlicher Produktivitätszuwachs

Trotz Benya-Formel: Interessenausgleich bleibt im Vordergrund

Zwar schafft die Benya-Formel eine mathematische und nachvollziehbare Basis für die Kollektivvertragsverhandlungen, doch es wird nicht nur mit dem Taschenrechner gearbeitet. Denn die Verhandlungen sind immer ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Die ArbeitnehmervertreterInnen haben, wenn sie ihre Forderungen festlegen, die Benya-Formel aber stets im Hinterkopf. Der ÖGB hat sich auch in sein Grundsatzprogramm mit aufgenommen, das unter dem Titel „Faire Arbeit 4.0“ bereits seit 2018 den Kurs vorgibt. Im Jahr 2023 soll ein neues folgen.

Die Arbeitgeber:innenseite argumentiert oft, dass steigende Löhne zu einer Lohn-Preis-Spirale führen würden. Ein Argument, das schlicht falsch ist. Denn die Inflation, die von den Verhandler:innen als Basis für die Forderungen herangezogen wird, ist eine rollierende. Das bedeutet, dass die monatlichen Preissteigerungen des vergangenen Jahres herangezogen wird. Die Lohnforderungen gleichen also lediglich vergangene Preissteigerungen aus. Die greifen der kommenden Teuerung nicht vor.

Die Benya-Formel hat die Gesamtwirtschaft im Fokus

Auch die Weitergabe des Produktivitätszuwachses ist Arbeitgeber:innen ein Dorn im Auge. Die Verhandler:innen sollten sich bei der Lohngestaltung an der Produktivitätssteigerung des jeweiligen Betriebes orientieren, erläutert Zuckerstätter. Das würde allerdings dazu führen, dass es in manchen Branchen – ein Beispiel wäre die Pflege – kaum zu Gehaltssteigerungen kommen würde. Das würde langfristig der gesamten Wirtschaft schaden. Wer wenig verdient, kann wenig kaufen. Die Wirtschaft floriert aber nur bei entsprechender Kaufkraft der Bevölkerung. Das untermauert, dass faire Löhne im Sinn aller sind. Der solidarische Ansatz orientiert sich daher eben an der gesamtwirtschaftlichen Produktivität.

Auch dieses Zusammenspiel wird im ÖGB-Grundsatzprogramm erläutert: „In Bereichen mit hohen Produktivitätszuwächsen lassen die so bemessenen Lohnerhöhungen Spielraum für Preissenkungen bzw. langsamer steigende Preise. Dadurch bleibt die Konkurrenzfähigkeit im Export und gegenüber Importen erhalten. In jenen Bereichen, die ein geringes Produktivitätswachstum aufweisen, müssen stärker steigende Kosten durch steigende Preise aufgefangen werden. In Summe mit den schwächer steigenden Preisen der hochproduktiven Sektoren erlaubt das insgesamt eine nicht-inflationäre Preisentwicklung.“

Kollektivvertragsverhandlungen sind kein Wunschkonzert

Die Kaufkrafterhaltung hebt auch Martin Müller, Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB, als wichtiges Ziel der Benya-Formel hervor. In der einen Branche gelinge der Interessenausgleich besser, in der anderen nicht ganz so gut. Kollektivvertragsverhandlungen sind eben Verhandlungen und nicht nur Wunschkonzert der einen oder anderen Seite. Benya schuf mit seiner Formel aber sicher Richtungsweisendes, indem er dem Gros der arbeitenden Menschen Wohlstand ermöglichte, aber gleichzeitig auch darauf schaute, dass die Wirtschaft prosperierte. Die Bedeutung der Benya-Formel hebt auch Wolfgang Katzian, Präsident des ÖGB, im Interview mit Arbeit&Wirtschaft hervor.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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