Zurück zu den oberen 100.000

Quelle: ArbeiterkammerCopyright: A&W 9/2018, Thomas Jarmer

Inhalt

  1. Seite 1 - Regierung legt Sozialversicherung der ArbeitnehmerInnen in die Hände des Wirtschaftsbundes
  2. Seite 2 - Abhängigkeiten: Ohne Zustimmung und Wohlwollen der Arbeitgeber geht künftig nichts mehr
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Im Jahr 1888 wurde die Pflichtversicherung eingeführt. Seither wurde die Selbstverwaltung der Beschäftigten ausgeweitet. Die neue Regierung hebelt sie völlig aus. aber nur wenige Studenten und Akademiker.
Es mag bei der hitzigen Debatte, die rund um den von der Regierung geplanten Umbau der Sozialversicherungen aufgeflammt ist, ein wenig untergehen. Aber es hat einen handfesten Grund, warum ArbeitnehmerInnen in der Selbstverwaltung bisher den Ton angegeben haben. Immerhin handelt es sich etwa bei der Gebietskrankenkasse um „ihre“ Versicherung. So war ihnen die Mitsprache darüber gesichert, was mit jenen Beiträgen geschieht, die sie Monat für Monat in die Hände der Versicherung legten.

Die Regierung legt nun die Sozialversicherung der ArbeitnehmerInnen in die Hände des Wirtschaftsbundes. Durch die paritätische Besetzung (gleiches Stimmenverhältnis von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern) des Verwaltungsrates der Österreichischen Gesundheitskasse bestimmen 100.000 Wirtschaftstreibende über die Gesundheitsversorgung von rund 3,6 Millionen ArbeitnehmerInnen und ihren Angehörigen, insgesamt rund sieben Millionen Versicherte.

Auf das Wohlwollen angewiesen

Das ist ein Rückschritt ins 18. Jahrhundert, als das Wohlwollen der „Diensthälter“, „Fabrikanten“ und „Gewerbetreibenden“ die Krankenversorgung der „Dienstnehmer“ bestimmte.

Es war immer schon für das Selbstverständnis der ArbeitnehmerInnen wichtig, sich von Abhängigkeiten vom Arbeitgeber und dessen Bevormundungen zu befreien. Bis zum Spätmittelalter war es „traditioneller Brauch“ und „alte Gewohnheit“, dass Dienstherren für ihre kranken Dienstpersonen zu sorgen hatten.

Dieser Grundsatz entsprach dem sogenannten Schutz-Treue-Verhältnis zwischen Vater und Kind, Herr und Diener im patriarchalischen Hausverband, egal, ob es sich bei den Dienstherren um Fürsten, Grundherren, Beamte, Kaufmänner, Handwerker oder Bauern handelte.

Bereits im 14. und 15. Jahrhundert emanzipierten sich die Handwerksdiener aus dieser „Schutzgewalt“ des Meisters und wurden mehr und mehr als selbstständige Arbeiter angesehen. Sie waren unter der Bezeichnung „Geselle“ gegen Lohn bei der Ausführung eines Werkes behilflich und nicht mehr im patriarchalisch-häuslichen Sinn dienstbar.

Selbst zu unterhalten

Demzufolge war beispielsweise in der General-Handwerksordnung aus 1527 für Niederösterreich festgelegt, dass sich der Handwerksgeselle im Krankheitsfall selbst zu unterhalten habe.

Damit die Gesellen in diesem Fall nicht vor dem Nichts standen, errichteten Handwerker unter anderem sogenannte „Gesellenbüchsen“, in die sie einzahlten, um im Krankheitsfall daraus versorgt zu werden. Das ist nichts anderes als eine selbstorganisierte Krankenversicherung.

Im 17. und 18. Jahrhundert kam es allgemein in der ständischen Gesellschaft zu einem Rückfall in patriarchalische Ge-pflogenheiten. In der Zeit des „Vormärzes“ bis zur Revolution von 1848 kam die Gesetzgebung generell zum Stillstand. Ins-besondere die Untätigkeit und Gleichgültigkeit des „absoluten“ Staates gegenüber der „sozialen Frage“, die durch die sich auch in Österreich ausbreitende industrielle Revolution immer drängender wurde, forderte die Selbsthilfefähigkeiten der ArbeiterInnen heraus.

Noch im Juni 1848 wurde der „Allgemeine Arbeiterverein“ gegründet, der ein Arbeiterparlament und die Errichtung von Kranken- und Invalidenkassen mit Beihilfe des Staates forderte.

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