Freie als Jongliermasse

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

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An manchen Unis bestreiten externe LektorInnen die Lehre zu 40 Prozent. Die Unis brauchen sie, behandeln sie aber schlecht.
Ohne LektorInnen würde der Lehrbetrieb an Österreichs Universitäten vielerorts zusammenbrechen. Denn die Lehrbeauftragten bestreiten österreichweit zu etwa einem Viertel die Lehre. Ihre Zahl lag im Studienjahr 2014/15 bei rund 14.000, an manchen Universitäten – wie in Wien und Graz – tragen LektorInnen die Lehre sogar zu rund 40 Prozent, an einzelnen Instituten in einem noch höheren Ausmaß.

Die Universität braucht die LektorInnen also, aber behandelt sie schlecht: Sie erhalten in der Regel jeweils nur semesterweise Verträge und dies oft nur im Ausmaß von zwei Semesterwochenstunden. Aus Perspektive der DienstgeberInnen handelt es sich bei diesen hochqualifizierten AkademikerInnen um eine „Jongliermasse“ (so das Originalzitat eines Rektoratsmitglieds), die dazu benutzt wird, die Studienpläne bespielen zu können und den universitären Betrieb am Laufen zu halten – und zwar ohne dass den Betroffenen irgendeine Aussicht auf eine Beendigung dieses nervenaufreibenden Zustands offenstände.

Dauerhafte Arbeitsrealität

Prekarität ist eine dauerhafte, mitunter lebenslange Arbeitsrealität für eine immer größer werdende Gruppe von WissensarbeiterInnen geworden. Hinzu gesellt sich die sogenannte „Kettenvertragspause“. Universitäten dürfen nach sechs Dienstjahren (bzw. acht bei Teilzeitbeschäftigung) keine weiteren befristeten Verträge an LektorInnen mehr ausstellen. Was allerdings möglich ist: Die LektorInnen machen eine einjährige Pause, danach können sie wieder einen befristeten Vertrag bekommen. Auch der Bezug von Leistungen des AMS ist zum fixen Bestandteil von akademischen Erwerbsbiografien geworden. Dieser von manchen Universitätsleitungen bewusst in Kauf genommene Umstand wird teilweise noch dadurch verschärft, dass an einigen österreichischen Universitäten LektorInnen überwiegend oder zur Gänze mit Freien Dienstverträgen ausgestattet werden. Damit kommen kollektivvertragliche Bestimmungen nicht zur Anwendung und diese Gruppe wird weder vom Betriebsrat vertreten, noch kann sie für diesen kandidieren.

Historisch betrachtet ist der Siegeszug prekärer Arbeitsverhältnisse eine Rückkehr zum Status quo vor den „Trente Glorieuses“. Mit diesem Begriff werden die wohlfahrtsstaatlich und sozialpartnerschaftlich geprägten Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bezeichnet, in denen die Ideologie des Normalarbeitsverhältnisses dominierte. Seit dem Siegeszug des Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung befinden sich Vollbeschäftigung und unbefristete Arbeitsverträge auf dem Rückzug – und man kann die Universitäten in diesem Prozess durchaus als Vorreiterinnen betrachten: Arbeits- und Lebensverhältnisse von EnthusiastInnen ohne feste Löhne und existenzielle Absicherung stehen Modell für den Arbeitsmarkt der Zukunft.

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