„Das ist keine Vereinfachung. Das ist Deregulierung. Die Kommission behauptet, sie wolle Bürokratie abbauen, aber in Wirklichkeit baut sie ihre Menschenrechtsrichtlinien ab“, kritisiert Isabelle Schömann, stellvertretende Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Über Jahre hinweg hatten Gewerkschaften und NGOs dafür gekämpft, international tätige Unternehmen nicht nur für die Qualität ihrer Produkte, sondern auch der Produktionsbedingungen rechtlich verantwortlich zu machen. Sie forderten die Produktion von T-Shirts ohne Kinderarbeit, Bananen ohne Gewerkschaftsunterdrückung und Bodenschätze, die nicht mit Umweltschäden verbunden sind – damit die Menschen vor Ort nicht die Leidtragenden sind. Doch Organisationen aus dem Globalen Süden wurden vor dem aktuellen Vorschlag der EU-Kommission nicht konsultiert. Unternehmenslobbyist:innen geben den Ton an.
Ein Geschenk an Konzerne
Gewerkschaften in Asien oder Lateinamerika hätten sonst gesagt, dass die ersten Erfahrungen mit nationalen Lieferkettengesetzen in Frankreich und Deutschland positiver waren als die mit freiwilligen Verhaltenskodices der Unternehmen oder mit privaten Zertifizierungen. Laut Berechnungen des EGB wurden hingegen fünfmal so viele Unternehmenslobbyist:innen von der EU-Kommission konsultiert wie Vertreter:innen von Gewerkschaften oder NGOs. Kein Wunder, dass Brüssel nun dem Lieferkettengesetz und bereits beschlossenen Umweltrichtlinien die Wirksamkeit nehmen will.
Betroffen wären vom Liefergesetz nur noch direkte Zulieferer europäischer Unternehmen. Die Menschen, die mehrheitlich zu Beginn der langen Handelsketten in Bergwerken, Plantagen oder Textilfabriken im Globalen Süden arbeiten und ausgebeutet werden, blieben dadurch ungeschützt. Ihre Möglichkeit der zivilrechtlichen Klage würde verhindert, die Höhe möglicher Strafen deutlich reduziert und verbindliche Klimapflichten gleich mit abgeschafft. Die Umsetzung des Prozesses soll um zwei Jahre bis 2028 verschoben werden.
Wettbewerbsfähigkeit vs. Umwelt und Menschenrechte
Ende Februar wurden die Pläne in Brüssel präsentiert. In weniger als drei Monaten soll die „Omnibus-Verordnung“ beschlossen werden. Der Name weist daraufhin, dass die EU verschiedene Nachhaltigkeitsregeln gleichzeitig überarbeiten will. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drängt auf mehr „Wettbewerbsfähigkeit“, während die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zweitrangig sind. Um den Vorschlag durchzubringen, muss sie allerdings eine Mehrheit im Europäischen Parlament erreichen. Ihre inoffiziellen Koalitionspartner:innen, die Sozialisten und die Grünen, haben sich aber ebenso wie die Linksparteien dagegen ausgesprochen. Von der Leyen wird vermutlich die Stimmen der Rechtsaußen-Fraktionen brauchen.
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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 5. Februar 2025 um 16:54
Zudem müssen zwei Drittel der Staaten im Europäischen Rat den umstrittenen Änderungen zustimmen. Wie sich die neue österreichische Regierung positionieren wird, ist noch unklar. Gegen das ursprüngliche Gesetz hatte die ÖVP votiert, die SPÖ war dafür, die NEOS enthielten sich der Stimme.
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