Es ist ein Schritt in die richtige Richtung: Heidemarie Egger und Julia Moser wollen heuer ihre Interessensvertretung „Frauen* mit Behinderungen“, kurz FmB, mit einer Office-Managerin verstärken. Gezielt haben sie Frauen mit Behinderungen mit ihrer Job-Anzeige angesprochen und sie auf einer Online-Plattform und via Social Media geteilt. „Wir haben das Potenzial in den vielen tollen Bewerbungen gesehen, weil wir die Lebensrealität der Frauen kennen“, sagt Egger. Beide Gründerinnen leben mit einer Behinderung und setzen sich dafür ein, dass Frauen in einer ähnlichen Situation ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen können. Auch mit ihrer Stellenausschreibung wollten sie das vorantreiben.
Frauen mit Behinderungen brauchen passende Job-Ausschreibungen
Die beiden Frauen listeten im Stellenangebot nicht nur die Aufgabenbereiche und Qualifikationen auf, sondern luden Bewerberinnen dazu ein, ihnen mitzuteilen, was sie für ein barrierefreies Vorstellungsgespräch brauchen. Soll das Gespräch persönlich oder online stattfinden? Braucht es Gebärdensprachdolmetsch? Wichtig war ihnen, dass die Bewerberinnen Klarheit haben, wie der Auswahlprozess abläuft. „Wir erklärten, was wir als Organisation erreichen wollen und wie wir als Frauen mit Behinderungen arbeiten“, sagt Egger. „Unser Gegenüber kann sagen, was sie zum Arbeiten braucht.“

Damit sich Frauen mit Behinderungen von Job-Ausschreibungen angesprochen fühlen, muss auf ihre Bedarfe eingegangen werden. Dafür sollte erwähnt werden, dass sowohl Tätigkeit als auch Stundenausmaß flexibel angepasst werden können. „Je starrer die Vorstellungen, desto mehr Menschen werden ausgeschlossen“, sagt Gerda Reiter. Sie ist Vorständin im Dachverband berufliche Inklusion „dabei Austria“ und Projektleiterin vom „NEBA Betriebsservice Tirol“, einer Anlaufstelle, die Unternehmen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen dauerhaft unterstützt. Wichtig sei es, Frauen mit Behinderung überall miteinzubeziehen: von der betrieblichen Gesundheitsförderung bis zur Weiterbildung. Damit Unternehmen Frauen mit Behinderung stärker am Schirm haben, müssen sie Bewerberinnen ermutigen, sich mehr zuzutrauen. Denn viele zögern, wenn sie nicht alle Anforderungskriterien erfüllen. Männer haben erfahrungsgemäß damit weniger Probleme.
Faktor (Aus)Bildung
Als Egger und Moser von FmB für die Stelle der Office-Managerin Bewerbungen sichteten, fiel ihnen auf, dass einige Lücken im Lebenslauf hatten. „Manche hatten Beschäftigungen unterbrechen müssen, weil sie viel Care-Arbeit zu leisten hatten, andere schlugen sich mit prekären Jobs ohne Aufstiegschancen durch und einigen fehlte es an Bildungsabschlüssen“, erzählt Moser.
Kein Wunder, denn Frauen mit Behinderungen wird Bildung oft verwehrt. Laut einer kürzlich veröffentlichten Erhebung der Statistik-Austria hatten rund 47 Prozent der Männer mit Behinderung einen Lehrabschluss, bei Frauen waren es rund 24 Prozent. Fast 50 Prozent der Frauen hatten maximal einen Pflichtschulabschluss, bei Männern war der Anteil nur halb so hoch. „Als Frau mit Behinderungen ist der Zugang zu Bildung immer noch mit viel Durchhaltevermögen und Kampf verbunden“, weiß Expertin Egger.
Flexibilität gesucht
Der Kampf geht dann im Berufsleben weiter: Viele Frauen mit Behinderung arbeiten in Teilzeit, haben – wie die meisten Frauen – Kinderbetreuungs-, Pflege- und Haushaltspflichten. Dazu kommt der Umgang mit der eigenen Einschränkung und Barrieren im Arbeitsalltag. Von einem Teilzeitjob zu leben, ist oft schwierig, und vielen droht im Alter Armut. Gerda Reiter vom Betriebsservice Tirol fordert inklusive Arbeitszeitmodelle: „Es ist wichtig, dass es eine Ausgleichszahlung gibt, wenn jemand aufgrund seiner Behinderungen oder Erkrankungen nicht Vollzeit arbeiten kann.“ Das sei auch volkswirtschaftlich sinnvoll: „Oft fühlen sich Menschen, die keine Vollzeitstelle bewältigen können, aus Existenzgründen dazu gezwungen, eine anzunehmen – mit langfristigen Krankheitsausfällen als Folge.“ Auch Julia Moser und Heidemarie Egger von FmB wünschen sich mehr Flexibilität – etwa, dass man in bestimmten Lebensphasen, wie nach einem Krankheitsschub weniger arbeiten kann.
Maria kennt das: Wegen ihrer Sehbehinderung heißt es oft, sie könne sich nicht richtig um ihr Kind kümmern. Dabei bräuchte sie nur mehr Zeit. Wie Maria und andere Frauen mit Behinderungen täglich um Minuten kämpfen. 👇
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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@aundwmagazin.bsky.social) 3. Dezember 2024 um 18:02
Moser und Egger sind übrigens fündig geworden, im April startet ihre neue Mitarbeiterin. Die Expertinnen sind sich einig: Den Bewerbungsprozess anzupassen, bedeute zwar einen Aufwand, eröffne aber angesichts des Fachkräftemangels auch den Zugang zu mehr Talenten und wertvollen Mitarbeiterinnen.
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