Arbeit&Wirtschaft: Wie bekommen wir das Budget 2025 wieder ins Lot?
Adi Buxbaum: Es gibt viele Strategien zur Budgetkonsolidierung – der Weg macht hinsichtlich der Volumina und Verteilungswirkungen einen Unterschied (vgl Fiskalrat). Es ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung, ob man auf höhere Verbrauchssteuern setzt, die die breite Masse und insbesondere Menschen mit niedrigem Einkommen stärker treffen als die mit höherem, oder ob man gezielt auf vermögensbezogene Steuern und Abgaben setzt. Enorm ist auch der Unterschied, ob man im Gesundheitssystem kürzt oder die Über- bzw. Doppelförderung von Unternehmen drastisch reduziert. Es wird hoffentlich ein guter Mix aus verschiedenen Maßnahmen werden, der auch ausreichend Mittel für die notwendigen Verbesserungen der sozialen Sicherheit in Österreich frei macht.
Wie können wir Optimismus in schwierigen Zeiten zurückgewinnen?
Mit dem neuen Sozialbericht des Sozialministeriums, den laufenden Erhebungen zu den sozialen Folgen der Pandemie und der Teuerung, und anderen neuen empirischen Erkenntnissen haben die politisch verantwortlichen Akteur:innen eigentlich optimale Grundlagen für eine progressive und fortschrittliche Politikgestaltung. Dass es in unserer Gesellschaft viele Narben aus der jüngeren Vergangenheit gibt, sollte niemanden überraschen. Wichtig ist: Hinschauen statt Wegschauen.
Das Funktionieren unseres Zusammenlebens wird auch weiterhin stark davon beeinflusst werden, ob es uns gelingt, die „Lebensadern“ von Wirtschaft und Gesellschaft, gemeint sind die „systemrelevanten“ Bereiche, dauerhaft gut zu erhalten. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden allein in diesem Segment, der vom Gesundheitswesen bis zur Lebensmittelversorgung reicht, knapp 300.000 Menschen in Pension gehen.
Diese Berufsfelder sollen attraktiver werden. Es muss zudem eine Neuorientierung zu diesen Berufen entlang von neu zu entwickelnden „Berufswanderkarten“ geben, die machbare Perspektiven bieten und damit auch Optimismus für die Menschen in schwierigen Situationen nähren. Mehr Geld und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen sind dabei sicher entscheidend.
Warum ist es so wichtig, dass wir gegen Ungleichheit vorgehen?
Der Entwicklungsstand einer Gesellschaft lässt sich gut daran ablesen, wie sie mit Menschen umgeht, die es schwer haben: Arbeit- und Asylsuchende, Menschen mit Behinderungen, Kranke, Ältere und viele mehr.
Dass es in unserer Gesellschaft viele Narben
aus der jüngeren Vergangenheit gibt,
sollte niemanden überraschen.
Adi Buxbaum
Spätestens mit dem Buch „Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“ der Wirtschaftswissenschaftler:innen Kate Pickett und Richard G. Wilkinson, das 2009 erschienen ist, gibt es auch empirisch überzeugende Gründe und Argumente, warum gesellschaftlich und ökonomisch gesehen alles unternommen werden sollte, um Ungleichheit zu reduzieren.
Streiten wir darüber zu viel?
Es spricht vieles dafür, dass wir laut und lebendig darüber diskutieren, wie ein Land oder der Sozialstaat weiterentwickelt werden soll. Meiner Meinung nach tut man diesen oft kontroversen Debatten Unrecht, in dem man sie billig als „sinnloses Streiten“ abtut. Denn: Es steht viel auf dem Spiel und es ergibt immer Sinn, bei Sozialabbau-Plänen gegenzuhalten und für sozialen Zusammenhalt einzustehen!
Müssen wir auch im nächsten Jahr mit hohen Arbeitslosenzahlen rechnen?
Ja, allerdings dürfen wir uns an die hohen Zahlen von arbeitsuchenden Menschen nicht „gewöhnen“. Mir kommt vor, dass wir spätestens seit dem Beginn der Pandemie in den Debatten zum Arbeitsmarkt die Relationen verloren haben. Waren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 im Jahresdurchschnitt knapp über 200.000 Menschen als arbeitslos vorgemerkt, so scheinen wir uns inzwischen mit Werten jenseits der 300.000 (2019, 2021) oder 400.000 (2020) abgefunden zu haben.
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Dass es bis heute keinen größeren Aufschrei über wieder stark steigende Arbeitslosenzahlen gibt, ist eigenartig. Die Versäumnisse der schwarz-grünen Bundesregierung und die beschlossenen Kürzungen beim AMS hinsichtlich Schulungen und Personal waren jedenfalls Fehler, die korrigiert werden müssen.
Ist ein faires Miteinander in Österreich noch möglich?
Viele Menschen sind ausgelaugt und damit überfordert, dass sie von immer neuen Herausforderungen emotional und wirtschaftlich mitunter erdrückt werden. Uns eint aber hoffentlich das Verständnis, dass alle Menschen, die in Österreich leben, ein gutes Leben und ein faires Miteinander verdienen. Darauf lässt sich gut aufbauen.
Bewahren wir gemeinsam unseren – wenn auch lückenhaften – Sozialstaat und unsere solidarischen Werte. Orientieren wir uns an den nordischen Ländern und setzen wir uns für Feminismus und soziale Gerechtigkeit ein. Arbeiten wir konsequent an einem sozialen Österreich und Europa – dafür braucht es unbedingt Gestaltungsoptimismus und ein angemessenes Budget. Nutzen wir die bestehenden Umverteilungsspielräume zum Wohle der Vielen – es gibt sie.
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