Andererseits gibt es viele AssistentInnen, denen – wenn sie weiter an den Universitäten bleiben – trotz guter Ausbildung bloß die Aussicht auf ein jahrelanges Prekariat bleibt. Auf sie wartet ein Arbeitsleben mit Kettenverträgen, die maximal sechs Jahre, bei Teilzeit acht Jahre, umfassen. Befristete Arbeitsverhältnisse also, die WissenschafterInnen keine langfristige Perspektive gönnen. Insbesondere Frauen steigen aus dieser „Wissenschafterkarriere“ wieder aus. Denn von einer befristeten Projektstelle zur nächsten mit einer gut 60-Stunden-Woche und rund sechs Euro Stundenlohn lässt sich eine Familie schwer versorgen. Laut einer Studie der Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 2016 verzichtet in Österreich jede zweite Frau im Wissenschaftsbetrieb darauf, Mutter zu werden. Das liegt nicht am fehlenden Kinderwunsch. Vielmehr schließen sich unter den derzeitigen Bedingungen eine Entscheidung für Kinder und eine wissenschaftliche Laufbahn fast aus.
Transparente Beeinflussung
Etwa 38.000 Menschen (Universitätsbericht 2014) sind an den österreichischen Universitäten in wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig, angefangen von Uni-ProfessorInnen über LektorInnen bis hin zu studentischen MitarbeiterInnen. Zu einem großen Teil wird der wissenschaftliche Betrieb aus Steuergeldern finanziert. Ein hoher Anteil davon kommt aus Drittmitteln, die einerseits von staatlichen Institutionen wie etwa dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) oder EU-Programmen zur Forschung und Integration wie „Horizon 2020“ stammen.
Diese finanziellen Mittel sind für die Universitäten immer stärker an Bedingungen geknüpft, die zu vergebenden Budgets nach Forschungszielen definiert. „Der Fonds sagt etwa: ‚Wir möchten, dass ihr ein bestimmtes Thema erforscht, also bitte bewerbt euch um diese Mittel‘“, sagt Markus Scholz, Professor für Corporate Governance & Business Ethics an der FH Wien und Leiter der Transparency Austria Arbeitsgruppe „Academic Governance“. Danach wird eine Auswahl getroffen, ob die vorgelegten Forschungsvorhaben auch wirklich zu den definierten Zielen passen. In der Regel bekommt nur ein Institut von jenen, die sich diesem Wettbewerb stellen, den Auftrag – für die anderen war es ein vergeblicher Bewerbungsaufwand. Der Vorteil: Im Vergleich zur Gießkannenverteilung, die es davor gegeben hat, können Forschungsmittel im Wesentlichen nicht mehr veruntreut werden. Der Nachteil: Es muss viel Administration und Aufwand betrieben werden, um an Drittmittel heranzukommen.
Ein weiterer Aspekt ist die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und privaten Unternehmen. Die Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft können beiden Partnern Vorteile bringen, doch eine zu große Nähe derselben mag zu Interessenkonflikten und zu einer Beeinflussung der Forschungsergebnisse führen. Über diese Problematik wird in der Arbeitsgruppe „Academic Governance“ diskutiert, die Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC) initiiert hat. Vertreten sind hier u. a. Bundesministerien, Hochschulen und Hochschulkonferenzen, private Drittmittelgeber und die HochschülerInnenschaft.
Kooperation und Versuchung
Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und privaten Unternehmen wird immer intensiver. Teils werden Firmen sogar von der Politik aufgefordert, sich an den Unis zu engagieren. Dabei handelt es sich um ein grundsätzlich sinnvolles Engagement, denn die Kooperation zwischen Stiftungen, Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen kann für beide Seiten durchaus produktiv sein. Unternehmen können sich von den Unis und FHs starkes Innovationspotenzial erwarten, das wiederum fördert die Weiterentwicklung ihrer Dienstleistungen und Produkte. Die Hochschulen haben dadurch ein höheres Budget zur Verfügung und können ein besseres Verhältnis zur Praxis entwickeln. Ein weiteres Plus: Zielgerichtetere Forschung wird möglich. Nicht jedes Fach ist jedoch gleich lukrativ: „Die Drittmittel spielen besonders im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich eine zunehmend große Rolle – im sozialwissenschaftlichen Bereich gibt es viel weniger privates Geld“, weiß Miron Passweg, wirtschaftspolitischer Referent der AK Wien.
Das Problem besteht in der Versuchung, Grenzen zu überschreiten. Laut war der Aufschrei, als 27 UniversitätsprofessorInnen 2013 im „Zürcher Appell“ vor den Gefahren des groß angelegten Uni-Sponsorings durch private Geldgeber warnten. Inzwischen haben 1.600 Menschen diesen Appell zur Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit unterstützt. Stein des Anstoßes: Die Leitung der Universität Zürich hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Kooperationsvertrag mit den Spitzen der UBS-Bank (Union Bank of Switzerland) abgeschlossen. Das Universitäts-Sponsoring umfasste dabei den stolzen Betrag von 100 Millionen Schweizer Franken (rund 86 Millionen Euro). Dafür wurde als Gegenleistung das „UBS International Center of Economics in Society“ errichtet. Besagter Vertrag wurde erst nach massivem öffentlichem Druck offengelegt. Die Großbank unterstützt mit dem Geld auch neu geschaffene Lehrstühle. Die Optik dabei ist problematisch, denn gerade zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag unterzeichnet wurde, war die UBS in einige Skandale verwickelt. So gab es Milliardenverluste bei Handelsspekulationen in London. UBS wurde zudem verdächtigt, in Manipulationen des Referenzzinssatzes LIBOR verwickelt zu sein. In Frankreich bestand der Verdacht auf Geldwäsche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Schweizer Freiheit
Im „Zürcher Appell“ heißt es: „Universitäten sind aus der Idee entstanden, der freien Forschung, Bildung und Lehre einen geschützten und nicht käuflichen Ort zu schaffen. Sie dienen dem Wohl der Gemeinschaft und werden auch von der Gemeinschaft getragen.“ Mit dieser Gründungsidee sei das wissenschaftliche Ethos, das den besonderen Ort „Universität“ frei hält von politischen, ideologischen oder ökonomischen Verwertungsinteressen, verbunden. Außerdem sei die Freiheit von Lehre und Forschung von der Verfassung geschützt. Und weiter: „Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass eine staatliche Universität mit Institutionen, die in der Öffentlichkeit mit Skandalen und unethischem Verhalten assoziiert werden, weder eine Kooperation noch ein Sponsoring eingehen soll. Dies schadet dem wissenschaftlichen Ruf aller Universitäten. (…) Damit büßen die Wissenschafter ihren Status als Garanten für eine unabhängige und ethisch sensible Wissenschaft ein.“ Die Uni Zürich hat zwar seither die Kriterien für die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen nachgeschärft, den Kooperationsvertrag zwischen Uni Zürich und UBS gibt es aber weiterhin. Ironischerweise sieht sich die Zürcher Uni als erste freie Universität Europas. Sie wurde nicht von einem Landesfürsten oder von der Kirche gegründet, sondern von einem demokratischen Staatswesen.