Ernte aus dem Steuertopf

Was der Agrarsektor 2016 extra bekommen hat und warum es ein Gerechtigkeitsdefizit gibt.
In gewöhnlichen Jahren betragen die Agrarsubventionen für die österreichische Landwirtschaft mehr als zwei Milliarden Euro. Wenn aufgrund hoher Erntemengen die Preise verfallen und gleichzeitig ein Teil der Betriebe wegen Dürre und/oder Frost geringe Mengen erntet, steigen die Begehrlichkeiten nach mehr öffentlichen Geldern. Für 2016 wurden einige Hundert Millionen Euro mehr an Zuschüssen gewährt. Von Steuermitteln für die Ernteversicherung über Zahlungen für Frostschäden, Hilfspakete für Schweine- und Milchbauern bis hin zur Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge reicht die Palette.

Katze und Schwanz

Der Großteil der zusätzlichen Subventionen kommt nicht aus dem Agrarbudget, sondern aus anderen Steuertöpfen. Die Summe der tatsächlichen Agrarausgaben wird so nicht im vollen Ausmaß sichtbar. Auch für die statistische Einkommensberechnung zählen manche Subventionen nicht. Daher wird weiterhin ein Durchschnittseinkommen berechnet werden, das dann als Begründung für weitere zukünftige Unterstützungsmaßnahmen herhalten muss.

Ende 2016 zeichnete sich nach langem Tauziehen eine Einigung in Sachen Sozialversicherung ab: Die Beiträge für das vierte Quartal an die Sozialversicherung der Bauern (SVB) wurden um mehr als die Hälfte (53 Prozent) reduziert. Diese sehr außergewöhnliche Maßnahme, die bisher keine Branche gefordert hatte, wurde mit der schlechten Marktsituation für die MilchproduzentInnen begründet. Profitieren werden jedoch alle LandwirtInnen – und zwar unabhängig von ihrer tatsächlichen Einkommenssituation. Was, so die berechtigte Frage, hat die Sozialversicherung mit dem Milchpreis zu tun? Und warum sollen auch kuhlose LandwirtInnen ihren Eigenbeitrag zum Solidarsystem nicht leisten? Klar ist, diese Maßnahme löst keine Marktprobleme. Denn das Dilemma am Milchmarkt ist durch die steigende Milchproduktion in Kombination mit der weniger wachsenden Nachfrage verursacht.

Viele landwirtschaftliche Betriebe zahlen systemimmanent keine Einkommenssteuern. Aber ein gewisser Eigenbeitrag aller LandwirtInnen an die Sozialversicherung wurde bisher außer Streit gestellt, zahlt doch die öffentliche Hand ohnehin annähernd 80 Prozent der Beiträge des Pensionssystems der SVB. So gesehen stellt jede Beitragskürzung eine Erhöhung der öffentlichen Mittel dar, die außerhalb des Agrarbudgets aufzubringen sind. Größere Betriebe mit höherem Einkommen zahlen für gewöhnlich höhere SVB-Beiträge und profitieren dadurch am meisten.

Es war nicht die einzige Förderung, die LandwirtInnen im Jahr 2016 zusätzlich zugute kam. Im Mai wurden 76 Mio.Euro an Budgetmitteln für die Erweiterung der subventionierten Ernteversicherung beschlossen. Die öffentlichen Zuschüsse kommen aus dem Katastrophenfonds des Bundes und aus Ländermitteln. Das ohnehin reichlich dotierte Agrarbudget wird dadurch geschont. Auch mögliche EU-Budgetmittel werden dafür nicht herangezogen.

Die Allgemeinheit zahlt

Zudem gab es extra Steuergelder für Frostschäden. Denn nicht alle LandwirtInnen hatten sich gegen Frostschäden versichert, obwohl bereits bisher die Versicherungsprämie subventioniert war. Und wer zahlt die zusätzlichen 100 Millionen Euro? Die Gelder kommen nicht aus dem Agrarbudget oder dem Landwirtschaftsministerium, sondern aus dem Katastrophenfonds und von den Ländern. Budgetmittel also, die anderswo eingespart werden müssen. Zu bedenken ist, dass die „Belohnung“ für Nicht-Versicherte nicht gerade zur Versicherungsmoral der LandwirtInnen beiträgt. Weil, so der bleibende Eindruck: Wenn wieder was passiert, springt ohnehin der Staat ein.

Freilich macht es Sinn, finanziell schwache Betriebe in der Landwirtschaft zu fördern. Ideal wäre aber ein Modell, das sich aus dem Agrarsektor selbst finanziert, sodass zusätzliche Steuermittel nicht mehr aufgebracht werden müssen. Denn die Frage ist naheliegend, ob z. B. SteuerzahlerInnen mit niedrigen Einkommen wie VerkäuferInnen oder LandarbeiterInnen tatsächlich auch Einkommen von großen Landwirtschaftsbetrieben auf unbestimmte Zeit finanziell absichern sollen.

AW-Blog:
tinyurl.com/yalkh6m7

Von
Maria Burgstaller
Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.