KV-Verhandlungen im Handel: Kampfmaßnahmen im Weihnachtsgeschäft

Eine Mutter und ihr Kind kaufen im Supermarkt Schokoladen-Nikoläuse ein. Symbolbild für KV-Verhandlungen im Handel.
Mitten im Weihnachtsgeschäft könnte es zu Streiks kommen. | © Adobestock/ibilyk13
Als größter Kollektivvertrag, der in dieser Herbstlohnrunde neu verhandelt wird, hat der Handel einen richtungsweisenden Charakter. Doch ein Abschluss ist noch in weiter Ferne – es drohen Kampfmaßnahmen.
Nach drei gescheiterten Runden sind die Fronten bei den KV-Verhandlungen im Handel derart verhärtet, dass Kampfmaßnahmen im Weihnachtsgeschäft drohen. Das Angebot der Arbeitgeber:innen war so niedrig, dass Chefverhandlerin Veronika Arnost es in einer Presseaussendung als „Provokation“ bezeichnete. Und weiter: „Es war nicht unser Wunsch, dass es zu Kampmaßnahmen im Weihnachtsgeschäft kommt, leider hat die Arbeitgeberseite unsere Vorschläge für einen sinnvollen Kompromiss nicht aufgegriffen.“ Ein Update vom 15.11.2024.

Zentraler Streitpunkt bleibt die Gehaltserhöhung. Die Arbeitgeber:innen boten ein Gehaltsplus von 3,1 Prozent, bestanden jedoch auch auf einem Abschluss über zwei Jahre. Für 2026 hätten die Beschäftigten dann eine Erhöhung um 0,5 Prozent über der rollierenden Inflation bekommen – allerdings nur, wenn die dann relevante Inflationsrate unter zwei Prozent liegt. „Dieses Angebot ist nach wie vor viel zu niedrig und würde bedeuten, dass alle Risiken der aktuellen Krise auf die Beschäftigten abgewälzt werden“, so Arnost weiter.

Bei KV-Verhandlungen im Handel drohen Streiks

Am kommenden Mittwoch, 20. November 2024, werde es daher Betriebsrätekonferenzen geben, bei denen weitere Maßnahmen beschlossen werden sollen, kündigte Martin Müllauer an. Er ist Vorsitzender des GPA-Wirtschaftsbereichs Handel. „Die jüngsten Betriebsversammlungen haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Beschäftigten mehr erwarten und auch bereit sind, für einen fairen Abschluss zu kämpfen.“ Die nächste Verhandlungsrunde ist für Donnerstag, 21. November 2024, angesetzt.


KV-Verhandlungen im Handel: Die Gräben bleiben tief

Original vom 11.11.2024

Noch ist die Stimmung bei den Kollektivvertragsverhandlungen im Handel im grünen Bereich. Die Gespräche verlaufen „konstruktiv“, sagt etwa Martin Müllauer, Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA. Und auch Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich, spricht von einer „guten Gesprächsbasis“. Fakt ist aber: Auch nach zwei Verhandlungsrunden liegen die Vorstellungen der beiden Seiten noch weit auseinander. Während die Gewerkschaften die Branche für neue Beschäftigte attraktiver machen wollen, schiebt die Seite der Arbeitgeber:innen eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage vor.

Inflation prägt KV-Verhandlungen im Handel

Klar ist, dass die KV-Verhandlungen im Handel im Schatten der vergangenen Inflation stehen. Die Teuerung ist im September und Oktober 2024 auf 1,8 Prozent gesunken. Das ist zwar grundsätzlich eine positive Nachricht, ein Blick zurück zeigt aber, dass sie im September und Oktober 2023 mit 6,0 und 5,4 Prozent noch deutlich höher lag – und das spüren die Arbeitnehmer:innen bis heute. Und auch der aktuelle Rückgang der Inflationsrate liegt in erster Linie an sinkenden Energiepreisen, die sich von ihren Höchstständen erholen. Dienstleistungen und Lebensmittel bleiben dagegen teuer.

Ein belebtes Einkaufszentrum in der Weihnachtszeit. Symbolbild für den KV-Abschluss im Handel in der Hebrstlohnrunde.
Auch die zweite Verhandlungsrunde bei den KV-Verhandlungen im Handel endete ergebnislos. | © Adobestock/Dmitrijs Dmitrijevs

Genau hier setzt die Gewerkschaft GPA mit ihren Forderungen für die diesjährigen Verhandlungen im Handel an. „Die Kosten des täglichen Lebens steigen weiter, und es ist wichtig, dass die Beschäftigten im Handel darauf vertrauen können, dass ihre realen Einkommen stabil bleiben und ihre Kaufkraft gesichert ist. Sinkende reale Einkommen im Handel sind der falsche Weg“, erklärte Chefverhandlerin Veronika Arnost bei der Präsentation der Forderungen Anfang Oktober.

Zähe Verhandlungen

Das entsprach zu diesem Zeitpunkt 4,8 Prozent mehr Lohn. In den ersten beiden Verhandlungsrunden kam die Gewerkschaft den Arbeitgeber:innen allerdings entgegen und reduzierte die Forderung erst auf 4,5 Prozent, dann auf 4,2 Prozent. „Wir sind bereit, den Weg der konstruktiven Verhandlungen fortzusetzen und hoffen auf eine weitere Bewegung der Arbeitgeber“, kommentierte Müllauer das Entgegenkommen nach den ersten beiden Verhandlungsrunden.

Die Seite der Arbeitgeber:innen bot in der ersten Verhandlungsrunde ein Lohnplus von gerade einmal 2,8 Prozent an. „Die Gewerkschaft fordert ein Plus von einem Prozent auf die rollierende Inflation – wir bieten ein Prozent auf die tatsächliche aktuelle Inflation vom September“, fasste Trefelik die damaligen Gespräche in einer Aussendung zusammen. Und weiter: „Unser Angebot bedeutet daher trotz aller Herausforderungen, mit denen die Handelsbetriebe konfrontiert sind, eine Steigerung der Kaufkraft.“

Doch genau dieser Ansatz vermischt Entscheidendes – auf Kosten der Arbeitnehmer:innen. Die KV-Verhandlungen im Handel beziehen sich auf das vergangene Jahr. Deswegen ist die rollierende Inflation auch die Grundlage für die Forderungen. Ein Abschluss unter dieser Teuerungsrate ­– von November 2023 bis Oktober 2024 beträgt sie 3,5 Prozent – ist gleichbedeutend mit einem Reallohnverlust.

KV-Verhandlungen im Handel soll Branche attraktiver machen

Neben den Lohnverhandlungen sind bei den KV-Verhandlungen im Handel auch die Arbeitsbedingungen ein zentraler Baustein. Die Gewerkschaft GPA fordert, dass die Anzahl der Urlaubstage mit zunehmender Betriebszugehörigkeit steigt:

  • Ab fünf Dienstjahren: + 3 Urlaubstage geben.
  • Ab sieben Dienstjahren: + 2 Urlaubstage
  • Ab zehn Dienstjahren: + 1 Urlaubstag

Heißt: Wer zehn Jahre im Unternehmen bleibt, hat sechs zusätzliche Urlaubstage.

Um das Problem fehlender Fach- und Nachwuchskräfte zu begegnen, soll das Lehrlingsgehalt im ersten Jahr auf 1.000 Euro steigen. Zudem soll es ab der ersten Überstunde einen Zuschlag für Mehrarbeit geben. „Eine spürbare Gehaltserhöhung und bessere Arbeitsgestaltung wie zum Beispiel zusätzliche, dauerhafte Freizeittage sind unter anderem Wege, die Branche attraktiver zu machen“, so GPA-Vorsitzender Müllauer.

Pattsituation oder gute Ausgangsbasis?

Nach dem Ende der zweiten Verhandlungsrunde ist trotz aller Bemühungen zuletzt Ernüchterung eingekehrt. Am Mittwoch, 6. November fanden im Handel Betriebsversammlungen statt. „Das Angebot der Arbeitgeber ist noch weit von dem entfernt, was die Beschäftigten im Handel erwarten und auch dringend benötigen“, bewertet GPA-Chefverhanlderin Arnost die Situation. Trefelik von der Wirtschaftskammer kommentiert die Situation so: „Wir haben unser Angebot nachgebessert und auch die GPA hat sich etwas bewegt. Das heißt, wir sind einen Schritt aufeinander zugegangen, aber das Rendezvous mit der Realität sehe ich leider noch nicht.“


Bei den KV-Verhandlungen im Handel geht es um die Löhne und Arbeitsbedingungen von insgesamt 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Kollektivvertrag, der in der Herbstlohnrunde 2024 neu verhandelt wird. In der Metallindustrie­ – die sonst als richtungsweisend gilt – hatten die Sozialpartner:innen im Jahr 2023 einen zweijährigen Abschluss erarbeitet.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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