Die gebürtige Wienerin ist eines der bekanntesten Gesichter der österreichischen Klimabewegung. Wer Katharina Rogenhofer nicht als Mitbegründerin von Fridays for Future Österreich kennt, erlebte sie höchstwahrscheinlich danach als versierte und besonnene Sprecherin des Klimavolksbegehrens, das sie 2019 mitinitiierte. Die Klimakrise, das bedrohliche Szenario einer überhitzten und verdorrten Erde, löst bei vielen Menschen Hoffnungslosigkeit aus. Was kann man als Einzelperson gegen dieses globale Problem tun? Und wie behält man einen positiven Blick in die Zukunft? Ein Mensch wie Katharina Rogenhofer, der die Dystopie nicht als gegeben akzeptiert und zum Handeln aufruft, hat darauf viele Antworten. Eine lautet: aktiv hoffen.
Es wird Aufgabe aller Parteien und der Zivilgesellschaft sein, zu zeigen,
dass Klimapolitik eine Querschnittsmaterie ist.
Katharina Rogenhofer,
Klimaaktivistin
„Wenn ich mich einsetze, kann ich zu einer Veränderung beitragen, und das macht es möglich, dass ich hoffen kann“, sagt sie. Wir haben im Besprechungszimmer Platz genommen. Weiße Wände, weißes Board, Einbauregal: Der Raum machte einen sterilen Eindruck, als wäre er gerade eingerichtet worden. Im Gespräch mit dem Radiosender fm4 kritisierte Katharina Rogenhofer vor einigen Jahren, dass die Menschen in Österreich eine „visionslose Politik“ erleben würden – niemand wage es, Utopien zu formulieren. Geändert habe sie diese Meinung nicht.
„Politik ist zu einer Angebot-Nachfrage-Verhandlung verkommen: Es werden irgendwelche Umfragen gemacht, und dann wird die Politik danach ausgerichtet“, sagt sie. „Dabei ist Politik doch eine Besinnung auf Grundwerte. Parteien sind dafür zuständig zu sagen: ‚Das ist meine Vision für das Land in 10, 20 Jahren – da will ich hin, und dafür schaffe ich Mehrheiten.‘“ Und politische Orientierungslosigkeit sei nicht zu unterschätzen, denn: „Erst, wenn ich weiß, wo es hingeht, gibt es auch Hoffnung.“
So gut wie nie auf Demos
Fragt man Katharina Rogenhofer nach ihrer eigenen Vision für die Zukunft, dann fängt sie an, laut darüber nachzudenken, wie die Welt anders aussehen könnte, wenn man in Wien das Haus verlässt, wie es mehr Erholungsflächen, Insekten, Radwege oder Raum für spielende Kinder geben könnte – nur um im nächsten Moment zu betonen, dass die Vision einer Person auf dem Land sicher ganz anders aussehen würde, genauso wie die Vision für ganz Österreich. Rogenhofer ist reflektiert bei Fragen wie diesen. Sie macht Pausen, geht in sich. Über die Jahre ist sie zur differenzierten Kommunikatorin geworden, die verschiedene Lebensrealitäten auf dem Radar hat.
Dabei hat sie als junge Frau die Weichen eigentlich für eine Laufbahn in der Wissenschaft gestellt: Rogenhofer studierte an der Universität Wien Zoologie und an der Universität Oxford Naturschutz- und Biodiversitätsmanagement. Der Weg von der „harten Naturwissenschaft“ hin zum Aktivismus sei eine persönliche Neuerfindung gewesen, der Übergang zum Klimavolksbegehren schlüssig. „Es war ein logischer Schritt, die Forderungen der Wissenschaft von der Straße über unser einziges direktdemokratisches Werkzeug ins Parlament zu tragen“, erklärt sie. Rogenhofer sei als Jugendliche so gut wie nie auf Demos gewesen, bis sie selbst welche organisiert hat. Politisiert habe sie die Dringlichkeit der Klimakrise.
Globale Antwort auf globale Krise
2018 absolvierte die damals Mitte 20-Jährige ein Praktikum bei der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und nahm an der UN-Klimakonferenz im polnischen Katowice teil, genauso wie Vertreter:innen und Aktivist:innen von Inselstaaten und aus dem Globalen Süden. Sie erzählten von Erfahrungen in ihrer Heimat; von Dürren, die Menschen zur Flucht zwangen, von der Angst, das Zuhause durch den steigenden Meeresspiegel zu verlieren. Für Rogenhofer wurde klar: Die Beschlüsse dieser Konferenz bestimmen darüber, ob sie künftig noch eine Heimat haben würden, und sie beschloss, mit anderen die Fridays-for-Future-Bewegung in Österreich zu gründen. Begeistert erzählt sie von dem ersten weltweiten Klimastreik 2019: „Da waren 35.000 Menschen auf dem Heldenplatz. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, wir haben auf diese globale Krise auch eine globale Antwort.“
Ändert sich nichts, ändert sich alles
In den darauffolgenden Jahren erlebten Klima- und Umweltschutz einen Aufschwung in den Medien, grüne Parteien schafften es in die Regierungen Deutschlands und Österreichs, der Green New Deal hob Dekarbonisierung und Energiewende auf die europäische Agenda. Doch die Coronapandemie brachte die aufblühende Bewegung kurzzeitig zum Stillstand. Auch für Rogenhofer bedeutete sie einen Einschnitt in die aktivistische Laufbahn, der ihr allerdings Zeit verschaffte, ihr erstes Buch zu schreiben. Der Titel ist eine eindringliche Warnung: „Ändert sich nichts, ändert sich alles“.
Pandemie, Ukrainekrieg, Rekordinflation und viele andere Krisen konkurrierten in den vergangenen Jahren um öffentliche Aufmerksamkeit und drängten den Klimaschutz teils in den Hintergrund. Und rechtspopulistische Parteien, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, verzeichnen heute in vielen EU-Ländern Zuwachs, auch in Österreich. Aber ist das ein Rückschlag für die Umweltbewegung? „Sowohl Fridays for Future als auch das Klimavolksbegehren kamen auf, als ÖVP und FPÖ regierten“, sagt Rogenhofer. „Wenn ein Thema nicht von der Regierung vertreten wird, steigt das zivilgesellschaftliche Engagement dafür.“
Fakten statt Fakes
Anfang des Jahres gründete sie gemeinsam mit ihrem früheren Mitstreiter beim Klimavolksbegehren, Florian Maringer, und Tina Deutsch aus der Consulting-Branche das Institut KONTEXT. Es möchte Fakten in die Klimadebatte einbringen, Aufklärungsarbeit leisten und Diskurse analysieren. Der Schritt bedeutete für die Klimaexpertin auch ein Zurück zu ihren wissenschaftlichen Wurzeln. „Mir ist schon im Aktivismus und bei der Arbeit für das Klimavolksbegehren aufgefallen, dass es zu wenig klimapolitische Analysen gibt“, erklärt Rogenhofer. „Es ist ja keine naturwissenschaftliche Gegebenheit, dass ein Gesetz zustande kommt oder nicht, sondern eine Frage von Interessen und Machtverhältnissen.“
Im September gab das Institut eine repräsentative Umfrage in Auftrag. Befragt wurden etwa 1.000 Personen aus allen Generationen und Bundesländern. Dabei begrüßten über 80 Prozent der Wähler:innen aller Parteien weitere Maßnahmen gegen Extremwetterereignisse, den Ausbau erneuerbarer Energien und die Reduktion der Bodenversiegelung. Selbst FPÖ-Wähler:innen unterstützten mehrheitlich den Bau von Radwegen und den Ausbau erneuerbarer Energien – für Rogenhofer ein Indiz, dass alle Parteien beim Klimathema hinterherhinken: „Man sieht, wie viel Potenzial da ist“, sagt sie. „Es wird Aufgabe aller Parteien und der Zivilgesellschaft sein, zu zeigen, dass Klimapolitik eine Querschnittsmaterie ist.“
Klimapolitik fühlbar machen
In ihren Augen spielen auch die Gewerkschaften eine wichtige Rolle dabei, eine gerechte Transformation – oder „Just Transition“, wie sie sagt – zu ermöglichen. Die Ökologisierung der Wirtschaft sei ein Grundpfeiler für zukunftsfähigen Wohlstand und zukunftsfähige Arbeitsplätze. „Es ist wichtig zu verstehen, dass Klimapolitik, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zusammenhängen“, sagt Rogenhofer.
Nur die Hälfte aller Menschen in 🇦🇹 sind ausreichend an Öffis angebunden. Neue AK-Studie zeigt, was ihr Ausbau🚉bringt:
➡️Freiheit von Autoabhängigkeit & Mobilitätsarmut
➡️+ 50.000 Arbeitsplätze
➡️Reduzierung der Umweltprobleme des Verkehrs (u.a. 30% aller Treibhausgase) 1/5— Lukas Oberndorfer (@lukasoberndorfer.bsky.social) 28. November 2024 um 11:15
Gewerkschaften und Betriebsräte könnten hier einerseits den Unternehmen helfen, ihre Geschäftsmodelle nachhaltig und fortschrittlich auszurichten. Andererseits könnten sie über Lohnverhandlungen auch Druck aufbauen, „damit das Klimathema nicht unter den Tisch fällt“. Wichtig sei, was es in den Bereichen, „die sich transformieren werden, für Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten braucht“. Die Gewerkschaften könnten „diese Themen verbinden, sich überlegen, wie ein gerechter Übergang aussehen könnte, und diesen gleich mitgestalten“, so Rogenhofer.
Sie sei jedenfalls kein Fan von individualistischen Lösungsansätzen für die Klimakrise. „Es geht nicht um den einen Pendler aus dem Waldviertel oder die eine Urlaubsfliegerin, sondern um viel Größeres“, sagt sie. Auch die nächste Regierung würde entscheiden, ob die Weichen für die Erreichung der Klimaziele gestellt würden oder nicht. Wichtig sei, Klimapolitik fühl- und erlebbar zu machen, das würde Menschen auch gegen populistische Angstmache rüsten. „Wir müssen zeigen, was Klimapolitik an Chancen und Vorteilen bringt“, sagt Rogenhofer. Und mit ihrer eigenen Zukunftsvision gelingt ihr das doch schon ziemlich gut.
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