Richtig verstanden und alles andere als Ideologie, so Schlink, sei das Recht auf Heimat, will heißen: das Recht auf einen Ort, an dem man lebt, mit allem, was dazu wesentlich ist. Erst die rechtliche Anerkennung der Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft, „die vor Staatenlosigkeit, zielloser Flucht und Vertreibung (…) schützt“, mache einen Ort zur Heimat.
Recht auf Heimat
„Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben“, schrieb der aus Österreich vertriebene Schriftsteller und KZ-Überlebende Jean Améry in seinem Essay „Wie viel Heimat braucht der Mensch?“ (1966).
Damit entgegnete er der damaligen „revoltierenden Jugend“, die „Heimat“ verächtlich als „Domäne der Rechten“ geißelte und ihn damit dieser auch für ihre Zwecke überließ.
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Die erste romantische Vereinnahmung hatte der Begriff Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts erfahren. Je mehr Menschen durch die Industrialisierung von ihrem Geburtsort wegzogen, umso intensiver wurde Heimat zur sentimental besungenen Idylle. Die entstehenden Nationalstaaten boten diesem Gefühl eine neue, abstraktere Heimat, eine „imagined community“, gestärkt durch das Beschwören einer gemeinsamen Geschichte und Kultur. Der Heimatbegriff hat offenbar zu Krisenzeiten Konjunktur. „Genauer betrachtet war der Heimatbegriff schon damals v. a. das Kennzeichen einer kollektiven Abwehrhaltung“, meint Daniel Schreiber, Essayist und Kunstkritiker. Der Erfolg nationalistischer PopulistInnen auch in heutiger Zeit: Sie evozieren eine Welt, ein perfektes Haus der Zugehörigkeit, in dem nichts fremd ist – das es aber nie gegeben hat und niemals geben wird.
Spätestens mit der großen Flucht- und Migrationsbewegung dieses Jahrhunderts wurde der Heimatbegriff wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Aktuell werde er zunehmend aggressiver gebraucht, gleichsam als Kampfbegriff, der sich das Gefühl zunutze macht, „dass irgend jemand die Heimat bedroht“, konstatiert der Historiker Helmut Konrad. Heimat als Ort, den es zu schützen gilt – vor angeblicher Überfremdung, vor dem Islam, vor der Globalisierung oder ganz allgemein vor allem Neuen.
Im November 2015 hatten sich die österreichischen Volkskunde-Institute und Museen mit der Aussendung „Menschen in Bewegung“ an die Öffentlichkeit gewandt, um der politischen Instrumentalisierung der Begriffe „Heimat“, „Kultur“ und „Identität“ entgegenzuwirken. „Aufgeladen mit Ideologien der Ausgrenzung und Wir-Behauptungen war und ist die Vorstellung von ‚Heimat‘ leicht auch Ausgangspunkt für Vertreibung und sogar Vernichtung.“ Im heutigen Reden über Heimat übersehe man leicht, dass Menschen mehrere Zugehörigkeiten haben (können). „Die Vorstellung von ‚Kulturen‘ (…) als nationale Besitzstände, die zudem noch in nationale Grenzen zu gießen wären“, sei „eine wirkungsmächtige Fiktion“, so die wissenschaftlichen HeimatspezialistInnen.