Worum es beim Vamed-Deal geht
Die Vamed AG ist ein Gesundheitsanbieter mit Sitz in Wien. Der Konzern hat ein breites Angebot im Bereich der Gesundheitsvorsorge. Mehrheitseigentümer der Vamed ist der deutsche Konzern Fresenius. Der erhält aber aus seinem Investment nicht die gewünschte Rendite, weswegen er das Unternehmen jetzt aufspaltet und verkauft. Dazu gehört unter anderem der Reha-Bereich. Hier arbeiten 10.000 Beschäftigte in 67 Einrichtungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz und betreuen rund 100.000 Betten.
Doch neben Fresenius gibt es noch zwei Minderheitseigentümer aus Österreich. Nämlich der Österreichischen Beteiligungs AG (13 Prozent) und die B&C-Privatstiftung (10 Prozent). Diese beiden Eigentümer sind mittlerweile raus. Im Herbst übernimmt der französische Hedgefonds PAI 67 Prozent der Vamed AG davon, während das letzte Drittel bei Fresenius bleibt.
Privatinvestoren in der kritischen Infrastruktur
„Kritische Infrastruktur sind Wirtschaftsbereiche, die für das Funktionieren einer Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Deren Ausfall würde die Funktionsweise und Stabilität unserer Gesellschaften gefährden“, definiert Leonhard Plank, Senior Scientist an der TU Wien, den Begriff schon einmal im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft. Er hat auch die Studie „Shareholderorientierte transnationale Investoren in der kritischen sozialen Infrastruktur“ veröffentlicht. Plank: „Es ist verantwortungslos, kritische Infrastruktur privatwirtschaftlich zu optimieren. Mittel abzuziehen bedeutet, die Funktionsweise zu gefährden.“ Denn Obdachlosigkeit, Krankheit und Tod sind keine Alternativen für Wohnen, Pflege und Gesundheit.
In Österreich sorgte zuletzt der Pflegeskandal in einem Seniorenheim in Salzburg-Lehen für Schlagzeilen. Die SeneCura-Gruppe betreibt das Heim. Damals gab es eine Reihe Beschwerden, deren Missstände das Unternehmen aber nie behob (Stichwort: Pflegenotstand). Plank erklärte damals das System dahinter. Investor:innen würden Teile der kritischen Infrastruktur übernehmen und sofort die Gewinne abschöpfen, während sie notwendige Investitionen nach hinten verschieben. Anschließend steigen sie mit Gewinn aus, während die Steuerzahler:innen die anstehenden Kosten finanzieren würden.
Beispiele gibt es genug. Auch bei PAI. Der französische Hedgefonds kauft im Jahr 2014 etwa die Altersheimkette DomusVi für 639 Millionen Euro. Im Gegenzug gab es das mit 354 Heimen in fünf EU-Staaten drittgrößte Unternehmen der Branche in Europa. Nur drei Jahre später verkaufte PAI die Firma an die britische Intermediate Capital Group (ICG) – für 2,4 Milliarden Euro. Hinter dem Deal steckte ein komplexes Firmenkonstrukt mit elf Zwischeneigentümern und der Ausnutzung von Steueroasen, wie der Tagesspiegel damals recherchierte.
Probleme bei Vamed
Auch Vamed produziert derzeit Schlagzeilen, die nicht zum Bild eines großen Players in der kritischen Infrastruktur passen wollen. Zum einen arbeite ein Prüfungsausschuss von Fresenius gerade daran, Ungereimtheiten im internationalen Projektgeschäft aufzuklären, wie der ORF berichtet. Um die Beschäftigten zur Mitarbeit zu bewegen, biete das Unternehmen hilfreichen Whistleblowern sogar Amnestie an.
Zum anderen sorgt eine pikante Personalentscheidung für Kopfschütteln. Klaus Schuster, Vamed-Chef, soll mit August zu PAI wechseln, um Chef der neuen Tochterfirma zu werden, die Rahmen der Übernahme entstehen soll. Das schreibt der Standard.
Die Gelassenheit von Wirtschaftsminister Martin Kocher, was den #VAMED-Verkauf betrifft, ist schwer nachzuvollziehen. Der potenzielle Käufer wird zum überwiegenden Teil NICHT aus EU-Ländern finanziert. Die von uns geforderte Investitionskontrolle ist also dringend angebracht! 1/2
— ÖGB (@oegb_at) July 9, 2024
Wie der Verkauf von Vamed an Pai verhindert werden kann
Österreichs Regierung verliert mit diesem Geschäft direkten Einfluss auf einen wichtigen Bereich der Gesundheitsvorsorge. Für so einen Fall gibt es das Instrument der Investitionsprüfung. „Es liegt in der Verantwortung des Wirtschaftsministers, im Verdachtsfall Risken für die Krisen- und Daseinsvorsorge sowie für die Versorgungssicherheit zu prüfen. Die Gesundheitsversorgung scheint durch diesen geplanten Deal gefährdet“, kritisiert Helene Schuberth, ÖGB-Chefökonomin, Wirtschaftsminister Martin Kocher.
Kocher selbst erklärt in einer Mitteilung auf X jedoch, „dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Investitionskontrollverfahren nicht gegeben“ seien, da PAI kein Drittstaatsinvestor sei. Nur hat das auch niemand behauptet. Das österreichische Investitionskontrollgesetz konzentriert sich auch auf den „mittelbaren Erwerb“. Das bedeutet, es geht darum, dass PAI darlegen muss, wer hinter dem Vamed-Deal steht, wer die Investor:innen sind und wie groß deren Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten sind. „Eine Prüfung des Erwerbsvorgangs im Rahmen des Investitionskontrollgesetzes ist unumgänglich. Alle Voraussetzungen dafür sind erfüllt, moralisch wie gesetzlich. Diese geplante Übernahme ist zu wichtig, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen“, fasst Schuberth zusammen.
Vamed-Betriebsrat schickt Brief an Nehammer
Auch der Betriebsrat von Vamed, Harald Steer, hat sich zu Wort gemeldet. Die Unsicherheit in der Belegschaft sei sehr groß. Befürchtet werden Personalabbau und eine Erhöhung des Drucks auf die Mitarbeiter:innen. In einem Brief an Kanzler Nehammer erklärt er: „Wir fordern Sie daher auf, unverzüglich tätig zu werden und Alternativen zu prüfen und in die Wege zu leiten.“