Regierung setzt Rotstift an: AMS-Budget um 95 Millionen gekürzt

Eine Frau wartet auf ein Bewerbungsgespräch.
Das AMS muss zukünftig an Qualifizierungsmaßnahmen sparen. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik wird so immer schwerer. | © Adobestock/Seventyfour
Die Regierung kürzt das AMS-Budget um 95 Millionen Euro. Vor allem für Frauen, Jugendliche und Langzeitarbeitslose ist das eine schlechte Nachricht. Mittelfristig werden auch die Unternehmen darunter leiden.
Die Regierung kürzt das Budget des Arbeitsmarktservice (AMS) für Qualifizierungsmaßnahmen und Betreuung um 95 Millionen Euro. Das betrifft vor allem Langzeitarbeitslose, Frauen und Jugendliche. Bereits geplante Projekte laufen damit Gefahr, wieder gestrichen zu werden und die Konzeption der Programme für das Jahr 2025 – dazwischen findet auch noch eine Nationalratswahl statt – wird immer schwieriger. Bei anhaltender Inflation und steigender Arbeitslosigkeit ausgerechnet hier Mittel zu streichen, halten Expert:innen für kontraproduktiv. Nicht nur für die Betroffenen – auch Unternehmen werden mittelfristig die Folgen spüren.

AMS-Budget um 95 Millionen Euro gekürzt

Das AMS ist für zwei zentrale Aufgaben zuständig. Zum einen für die Überweisung des Arbeitslosengeldes, das sich aus den bezahlten Versicherungsbeiträgen speist. Und zum anderen für die Arbeitsmarktförderung. Also für Schulungen und andere Qualifizierungsmaßnahmen. Für diese Aufgabe stehen dem AMS etwas mehr als 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Betrag, den die Regierung jüngst um 195 Millionen Euro kürzen wollte.

Dagegen formierte sich im Verwaltungsrat des AMS massiver Protest. Vor allem durch die Vertreter:innen der Beschäftigten. Die erreichten so, dass die Kürzungen nicht ganz so hoch ausfallen und lediglich 95 Millionen Euro im AMS-Budget eingespart werden müssen. „Obwohl sich die Wirtschaftsprognosen ändern, die Arbeitslosigkeit steigt und sich offenbar auch verfestigt, wie die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen, kürzt die Bundesregierung das AMS-Budget um fast 95 Millionen Euro. Das ist verantwortungslos“, zeigt sich Ingrid Reischl, ÖGB-Bundesgeschäftsführerin, empört.

Portrait von Ingrid Reischl, ÖGB-Bundesgeschäftsführerin.
Das AMS-Budget angesichts steigender Arbeitslosigkeit und weiterhin hoher Inflation zu kürzen, ist für ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl ein Skandal. | © Markus Zahradnik

Tatsächlich waren die jüngsten Daten zur Arbeitslosigkeit nicht rosig. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Zahl der arbeitslosen Menschen um fast 10 Prozent. Das bedeutet, dass über 30.000 Menschen mehr einen Job suchen als noch vor einem Jahr. Im Juni 2024 lag die Arbeitslosenquote in Österreich bei 6,2 Prozent – das sind 338.051 Menschen, von denen 74.033 Menschen in Schulungsangeboten des AMS waren.

Was die Kürzung im AMS-Budget bedeutet

Grundsätzlich kann das AMS Menschen entweder in einen neuen Job vermitteln oder aber die Menschen weiterqualifizieren. Hier gibt es die allgemeine Vorgabe, die Vermittlung der Qualifikation vorzuziehen. Die Auswirkung der 95 Millionen Euro Kürzung ist klar. Es gibt weniger Geld für Qualifizierungsmaßnahmen, wodurch dieser Aspekt noch weiter in den Hintergrund rücken wird.

Doch genau genommen gibt es zwei Kürzungen. Denn das AMS hat nicht nur weniger Geld zur Verfügung, durch die Inflation bekommt es für das übrige Budget auch weniger Leistung, wie Alexander Prischl, ÖGB-Arbeitsmarkt- und Bildungsexperte im ÖGB-Podcast „Nachgehört/Vorgedacht“ erklärt. Dazu kommt eine enorme Unsicherheit bei den Projekten für das Jahr 2025. Die müssten jetzt geplant werden, doch das endgültige Budget stehe erst im Dezember 2024 fest. Bis dahin wird noch eine Nationalratswahl stattfinden, die ebenfalls für Unsicherheiten bei den Plänen sorgt.

Wen die AMS-Kürzungen treffen wird

Aktuell ist unklar, wen die Kürzungen um 95 Millionen beim AMS-Budget konkret treffen werden. Die wichtigsten – und teuersten Projekte – finden allerdings im Rahmen der Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, Jugendlichen und Frauen statt. „Das ist eine Katastrophe, wenn man bedenkt, dass vor allem bei Frauen ein großes Potenzial für den Arbeitsmarkt liegt. Klimawandel, digitale Transformation und künstliche Intelligenz prägen den Arbeitsmarkt jetzt schon maßgeblich und brauchen auch entsprechende Aus- und Weiterbildungen sowie professionelle Betreuung“, so Reischl.

Wobei sich die Aufgaben für das AMS hier stark unterscheiden. Viele Frauen wollen mithilfe von Qualifizierungsmaßnahmen aus der Teilzeit raus. Bei Jugendlichen geht es häufig darum, diejenigen mit eher schlechten schulischen Ergebnissen aufzufangen und im Arbeitsmarkt zu integrieren. Bei Langzeitarbeitslosigkeit können entsprechende Qualifizierungen helfen, endlich einen lange gesuchten Job zu bekommen.

„Es wird dort der Rotstift angesetzt, wo die Schwächsten sind. Weil die keine Lobby haben“, erläutert Prischl. „Budget ist in Zahlen gegossene Politik.“ Doch würde die Regierung dabei übersehen, dass die Kürzungen mittelfristig auch die Unternehmen treffen werden. Schließlich seien sie es, die ständig über einen „Fachkräftemangel“ jammern würden, gleichzeitig aber immer weniger in Aus- und Weiterbildung investieren würden.

Porträt Alexander Prischl.
Die Kürzungen im AMS-Budget werden die Schwächsten im System im härtesten treffen, befürchtet Alexander Prischl, ÖGB-Arbeitsmarkt- und Bildungsexperte. | © Markus Zahradnik

Echte Maßnahmen statt blinder Kürzungen

Angesicht steigender Arbeitslosigkeit und einer Inflation, die noch bis zum Jahr 2026 nicht wieder auf das EZB-Ziel von 2 Prozent sinken wird, sind andere Maßnahmen als eine Kürzung des AMS-Budgets hilfreicher. Eine erste sei es, dass die Regierung in dieser Realität ankomme und die Mittel für das AMS aufstocke, so Prischl. Im gleichen Podcast bringt Oliver Picek, Chef-Ökonom vom Momentum Institut, auch noch einmal die Jobgarantie ins Spiel. Sie könne vor allem langzeitarbeitslosen Menschen helfen, einem gesellschaftlich sinnvollen Job nachzugehen und sich dabei für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Weiterführende Artikel:

Europäische Jobgarantie schafft gute Jobs für alle

Kommentar: Weniger nörgeln, mehr Industriepolitik

Standort Österreich: Geliebt, gerühmt, beheimatet

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.