So schlecht ist Rechtspopulismus für die Wirtschaft

Portrait Tommy Krieger vom ZEW im Interview zum Thema Rechtsruck schadet Wirtschaft,
Rechte Politik als Standortnachteil: Tommy Krieger untersucht die Auswirkungen von Rechtspopulismus auf Wirtschaftsstandorte und internationale Fachkräfte. | © Markus Zahradnik
Seit das Netzwerk Correctiv Rechtsextreme in Potsdam entlarvte, warnen deutsche Unternehmen vor den Gefahren des Rechtspopulismus. Wirtschaftsforscher Tommy Krieger untersucht diese Befürchtungen in einer Studie.
Viele Unternehmen fürchten, dass der wachsende Einfluss rechter Parteien wie der AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich dem Wirtschaftsstandort schaden könnte. „2024 würde bei uns kein einziges Auto ohne Menschen mit Migrationshintergrund vom Band laufen“, sagte etwa der Chef von Mercedes. Eine Schwächung der EU, wie es rechte Parteien forcieren, wäre eine wirtschaftliche Katastrophe. Wir haben den Mannheimer Wirtschaftsforscher Tommy Krieger gefragt, wie sich Rechtspopulismus auf die Attraktivität von Standorten auswirkt – auch in Österreich. Die Kernbotschaft ist, dass der Rechtsruck der Wirtschaft schadet.

Zur Person
Tommy Krieger ist seit Oktober 2019 am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ tätig. Er promovierte an der Universität Konstanz und studierte Wirtschaftsmathematik und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Jena und Würzburg. Während seiner Promotion besuchte er die Universität Cambridge sowie die Hebräische Universität Jerusalem.
Arbeit&Wirtschaft: Welche Rolle spielt Demokratie für einen Wirtschaftsstandort?

Tommy Krieger: Eine sehr große. Demokratien stehen wirtschaftlich besser da und entwickeln sich auch langfristig besser als Autokratien. Ein wesentlicher Grund dafür: Demokratien schaffen bessere Rahmenbedingungen. Dazu gehört die Sicherung von Eigentum, aber auch eine unabhängige Justiz. Unternehmen schätzen langfristige Rechtssicherheit, aber auch Planungssicherheit. Ein zweiter wichtiger Aspekt: Demokratien schaffen es tendenziell besser, Menschen Bildung zu ermöglichen. Dritter Punkt: Demokratien schaffen es besser als Autokratien, Innovationen zu ermöglichen. Regime, die es ihrer Bevölkerung aus Angst vor einer Revolution nicht erlauben, Bestehendes frei und kritisch zu hinterfragen, hemmen Innovationen. Wenn Unternehmen Sorge haben müssen, dass ein neues Produkt, eine technische Innovation oder eine alternative Organisationsstruktur vom Staat nicht goutiert und vielleicht sogar bestraft wird, wird es sich hier eher nicht engagieren.

Was passiert, wenn rechte bis rechtsextreme politische Kräfte an Einfluss gewinnen?

Internationale Studien zeigen, dass sich rechts und rechtspopulistisch regierte Länder langfristig wirtschaftlich schlechter entwickeln. Beispiele sind hier Ungarn unter Viktor Orban, Italien unter Silvio Berlusconi und die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan. Paradox erscheint, dass solche Politiker tendenziell dennoch länger an der Macht bleiben, obwohl sie ökonomisch schlechter performen.

Viele Branchen suchen händeringend nach Fachkräften, zum Beispiel in der Pflege. Wie attraktiv oder unattraktiv sind von Rechtsparteien regierte Länder für Fachkräfte aus dem Ausland?

Sehr unattraktiv! Hier gibt es zum Beispiel eine Studie vom ifo München, das sich Kärntner Gemeinden angesehen hat, nachdem die FPÖ das Bürgermeisteramt übernommen hatte. Das Ergebnis: Nach solch einem politischen Wechsel zogen weniger ausländische Personen in solch eine Gemeinde. Ähnlich verhielt es sich in Gemeinden in Italien, in denen die Lega Nord den:die Bürgermeister:in stellte. Drittes Beispiel: Dresden. Die Pegida-Aufmärsche führten zu weniger Zuwanderung, und zwar von Inländer:innen und Ausländer:innen. Warum? Die Menschen haben Sicherheitsbedenken. Wer umzieht, möchte in Frieden leben und vielleicht auch eine Familie gründen können.

Demokratien stehen wirtschaftlich besser
da und entwickeln sich auch langfristig
besser als Autokratien. 

Tommy Krieger

Wie reagieren Unternehmen, wenn die Veränderung der politischen Führung zu einem Standortnachteil führt?

Dazu gibt es noch wenige Daten. Was wir aber wissen: Innovative Personen bewegen sich gerne international und meiden tendenziell Orte, an denen rechte bis rechtspopulistische Politiker:innen regieren.

Was kann die Politik umgekehrt dazu beitragen, dass ein Standort attraktiv ist?

Die Politik hat hier viele Handlungsmöglichkeiten. Vor allem darf nicht der Eindruck entstehen, dass Probleme wie rechte Gewalt einfach vom Tisch gewischt werden. So etwas muss im Gegenteil knallhart verfolgt werden. Der Rechtsstaat muss sich behaupten, und es darf nicht der Eindruck entstehen, dass er nicht rasch und aktiv handelt. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Wichtig sind aber auch das Engagement und die Sichtbarkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen. Eine aktive Zivilgesellschaft sowie Demonstrationen für Demokratie und Weltoffenheit führen dazu, dass die Unterstützung für rechte Parteien sinkt. Das sollte man nicht unterschätzen.

Inwieweit können auch Unternehmen dazu beitragen, diese Zivilgesellschaft zu stärken?

Dazu gibt es leider keine Studien. Es fällt aber auf, dass die Wirtschaft diesbezüglich tendenziell zurückhaltend ist. Dabei muss man auch sehen, dass Unternehmen ja unter rechten Regierungen vordergründig Vorteile haben können, wie zum Beispiel weniger Auflagen oder niedrigere Umweltstandards. Da spielt dann oft die Frage nach dem kleineren Übel eine Rolle.

Rechte Regierungen sorgen also für weniger Umweltauflagen, aber auch für weniger Wirtschaftswachstum. Worum geht es Unternehmen letztlich?

Nach dem Bekanntwerden des Rechtsextremen-Treffens in Potsdam sind manche Unternehmen aktiv geworden und haben sich kritisch geäußert. Früher ging es seitens der Unternehmen zum Beispiel um die Auseinandersetzung mit Gewerkschaften. Heute ist allerdings der Fachkräftemangel das Hauptproblem. Und hier, wie eingangs erwähnt, braucht es eine liberale Gesellschaft, um Deutschland oder auch Österreich für ausländische Arbeitskräfte attraktiv zu machen. Am Ende geht es also immer um die Frage: Was ist gut für das Geschäft? Und da wissen Unternehmen heute: Sie brauchen Arbeitskräfte, und da braucht es eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der sich diese auch wohlfühlen.

Weiterführende Artikel:

Europäische Jobgarantie schafft gute Jobs für alle

Regierung setzt Rotstift an: AMS-Budget um 95 Millionen gekürzt

Standort Österreich: Geliebt, gerühmt, beheimatet

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.