Interview: Wenn der Arbeitgeber eine Schmutzkampagne fährt

vida-Gewerkschaftsjurist Robert Steier kämpft seit 25 Jahren gegen Union Busting.
Seit 25 Jahren führt der vida-Gewerkschaftsjurist Robert Steier Verfahren zu Betriebsratsverhinderungen. So viele wie in den letzten fünf Jahren gab es noch nie. | © Markus Zahradnik
Die Fälle von Union Busting, also der versuchten Verhinderung von Betriebsrats- oder Gewerkschaftsarbeit, nehmen stark zu. Warum die gesetzliche Lage Betroffene zu wenig schützt, erklärt Robert Steier, Leiter des Rechtsreferats und Mitglied der Bundesgeschäftsführung in der Gewerkschaft vida, im Interview mit A&W.
Ob Lauda Motion, Lieferando oder Servus TV: Immer öfter gehen Unternehmen gegen die Gründung eines Betriebsrats vor. Dass Union Busting kein Randphänomen mehr ist, beobachtet auch Robert Steier, der Leiter der Rechtsabteilung und Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft vida: „Wir merken, dass das nicht mehr schamhaft hinter dem Vorhang passiert.“

Zur Person

Robert Steier ist Leiter des Rechtsreferats und Mitglied der Bundesgeschäftsführung in der Gewerkschaft vida. Vor seiner Tätigkeit beim ÖGB arbeitete Steier unter anderem als Jurist bei der Kanzlei Lansky & Prochaska mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht.

Robert Steiner im Interview

Arbeit&Wirtschaft: Wie häufig sind Fälle von Union Busting?

Robert Steier: Das Phänomen Union Busting hat es schon immer gegeben, aber in der aktuellen Häufung ist es etwas Neues. Ich gehe jetzt seit 30 Jahren zu Gericht. In den letzten fünf Jahren habe ich mehr Verfahren und Rechtsschutz-Anträge zu gekündigten Betriebsrats-Kandidaten, gekündigten Betriebsrats-Wahlvorständen und angefochtenen Betriebsratswahlen durch den Arbeitgeber gehabt als in den 25 Jahren davor. Das betrifft aber nicht nur die vida, sondern alle Fachgewerkschaften. Vor allem die Versuche der Arbeitgeber, Betriebsräte erst gar nicht entstehen zu lassen, haben enorm zugenommen. Und wir bemerken, dass das nicht mehr verschämt hinter dem Vorhang passiert. Man hat manchmal sogar den Eindruck, die Manager:innen sind stolz darauf zu sagen: ‚Wir haben erfolgreich einen Betriebsrat verhindert.‘

Wie erklären Sie sich diesen enormen Anstieg?

Ein Grund ist die wachsende Internationalisierung: Es sind oft Konzerne, die versuchen, die Entstehung von Betriebsräten zu verlangsamen oder zu unterbinden. Wir haben zum Beispiel viele Verfahren rund um den Betriebsrat bei Lauda Motion geführt – da ging es um die Betriebsratsgründung, die Anfechtung und die Kündigung und Entlassung des Betriebsrates. Wir haben auch das Betriebsratswahl-Anfechtungsverfahren bei Lieferando geführt, das vier Jahre gedauert hat. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch daran, wie Dietrich Mateschitz gedroht hat, Servus TV dichtzumachen, wenn dort ein Betriebsrat gewählt wird. Auch Frank Stronach hat sich erfolgreich gegen die Gründung eines Betriebsrats bei Magna gewehrt – stattdessen gibt es nur Vertrauenspersonen.

Wenn Firmen keinen Betriebsrat wollen

Oft hört man von Unternehmen das Argument, dass sie keinen Betriebsrat brauchen, weil bei ihnen ohnehin alles so toll ist.

Genau in diesen Unternehmen ist es meistens nicht so toll. Aber es gibt auch immer mehr Firmen, die sagen, dass sie keinen Betriebsrat brauchen und wollen, ohne dafür Argumente zu bringen. Wir hatten zum Beispiel Betriebsratsverhinderungen bei XXXLutz im Burgenland und bei H+ Hotels in Salzburg und beide haben nicht behauptet, dass bei ihnen alles super ist.

Wie ist es überhaupt möglich, dass Unternehmen, die ja ab fünf Mitarbeitenden dazu verpflichtet sind, einen Betriebsrat zu gründen, darum herumkommen?

Sehr oft wird der Ruf laut, man solle den Arbeitgeber:innen Strafen auferlegen, wenn sie keinen Betriebsrat haben. Das ist rechtlich sehr schwierig, weil ich nur etwas bestrafen kann, für das jemanden ein Verschulden trifft. Dann müsste ich dem:der Arbeitgeber:in das Recht einräumen, selbst einen Betriebsrat zu ernennen, wenn sich keine Wähler:innen finden. Ich will ganz ehrlich nicht, dass der:die Arbeitgeber:in auf einen zeigen und sagen kann: Es hat jetzt ein Jahr niemand einen Betriebsrat gegründet, deshalb ernenne ich Schnuppdriwu Hildebert, meinen besten Freund, Tennis- und Golfpartner, zum Betriebsratsvorsitzenden, weil ich sonst eine Verwaltungsstrafe kriege.

„Das muss man auch aushalten“

Welche Arten von Union Busting gibt es im Zusammenhang mit Betriebsräten?

Wenn Arbeitgeber:innen strategisch sehr schnell sind, kündigen sie schon diejenigen, die eine Betriebsversammlung einberufen, um einen Wahlvorstand zu wählen. Die Folge ist meist, dass es gar nicht erst zu einer Wahl kommt, weil dadurch auch die Kolleg:innen eingeschüchtert sind. Bekommen Arbeitgeber:innen zu spät mit, dass Beschäftigte einen Betriebsrat gründen, kommt es zu einer anderen Art von Union Busting: Sie versuchen, den Betriebsrat mit fadenscheinigen Argumenten zu kündigen bzw. zu entlassen. In diesem Fall hat die betreffende Person aber bereits besonderen Kündigungsschutz, was es für den Arbeitgeber schwieriger macht, sie loszuwerden. Mit Union Busting geht oft auch ein Betretungsverbot der Firma und eine Gesprächsverweigerung einher.

Was kann man gegen Kündigungen vorgehen, die nur ausgesprochen werden, um einen Betriebsrat zu verhindern?

Aus Arbeitnehmer:innen-Sicht ist jene Form des Union Busting besonders ungünstig, bei der Betroffene schon vor der Bestellung oder Wahl eines Wahlvorstands gekündigt werden, denn in diesem Fall können die Gekündigten nur auf Wiedereinstellung klagen und müssen vor Gericht beweisen, dass ihre Kündigung motivwidrig war – wir nennen das im Fachjargon ein verpöntes Motiv. In diesem Fall schüttet der:die Arbeitgeber:in meist den Schmutzkübel über der betreffenden Person aus und behauptet, dass es zu Verfehlungen gekommen ist, dass sie zum Beispiel unkooperativ, oft zu spät war oder Kunden beleidigt hat. Ich sage ganz offen: Das muss man auch aushalten. Die, die mit uns ein Verfahren führen, sind sehr mutige und politisch hoch motivierte Menschen. Und ich kann niemanden ernsthaft böse sein, der sagt: Ich will keinen dreijährigen Rechtsstreit, der mir womöglich verbaut, dass ich in der Branche die nächsten Jahre einen gescheiten Job finde.

Sabotierte Wahlen?

Und was passiert, wenn jemand später gekündigt wird?

Sobald jemand offiziell auf der Kandidatenliste steht, greift der besondere Kündigungsschutz für Wahlvorstände. Dann ist eine Kündigung unwirksam und unsere Klage ist auf die Feststellung gerichtet, dass gar nicht wirksam gekündigt wurde. Es macht einen großen Unterschied, ob man einer Wiedereinstellung nachrennt oder argumentiert, dass die Kündigung gar nicht wirksam war – auch dahingehend, ob die Betriebsratswahl noch fertig abgewickelt werden kann. Kündige ich, bevor die Person Wahlvorstand wird oder kandidiert, ist sie weg aus dem Unternehmen. Hier wäre dringend eine Änderung im Arbeitsverfassungsgesetz nötig.

Wie sollte diese Änderung aussehen?

Besonderer Kündigungsschutz sollte schon bestehen, sobald eine Person gegenüber dem:der Arbeitgeber:in ankündigt, einen Betriebsrat gründen zu wollen. Es gibt auch andere Punkte, die sich verbessern sollten. Es wäre schön, wenn wie in Deutschland die Be- oder Verhinderung einer Betriebsratswahl strafbar wäre. Arbeitgeber:innen sabotieren Wahlen sehr oft dadurch, dass sie keine oder unvollständige Wählerlisten herausgeben, sodass unklar ist, wie viele Betriebsräte gewählt und wie viele freigestellt werden müssen. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ein Arbeitgeber sagt „Ach so, die Liste war nicht vollständig, oje, na das tut mir jetzt aber leid“, oder ob er dem Wahlvorstand bewusst eine falsche Liste gibt. Zweiteres ist strafbar, denn dann ist die Behinderung der Wahl ein Vorsatzdelikt. Natürlich würde das nicht alle unsere Probleme lösen, aber es wäre ein klares politisches Signal. Auch eine deutliche Verbesserung bei der Einberufungsmöglichkeit einer Betriebsratswahl durch die Gewerkschaft wäre notwendig.

Klima der Angst

Was bräuchte es da?

Aktuell kann die Gewerkschaft eine Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes einberufen, allerdings müssen dann auf der Betriebsversammlung 50 Prozent der Wahlberechtigten anwesend sein, die aber erstmal nur einen Wahlvorstand wählen. Das ist absurd, denn in Unternehmen, wo von vornherein ein Klima der Angst herrscht, oder auch in sehr großen Unternehmen ist das quasi unmöglich. Wir fordern deshalb, dass es der Gewerkschaft leichter gemacht wird, eine Betriebsversammlung einzuberufen, indem dieses Präsenzquorum wegfällt. Grundsätzlich müsste man das Wahlverfahren weiter vereinfachen, denn obwohl es schon ein vereinfachtes Wahlverfahren gibt, ist es immer noch zu kompliziert. Und gut wären auch beschleunigte Verfahren für Anfechtungen gekündigter Wahlvorstände.

Unternehmen, die gegen Betriebsratsgründungen vorgehen, Ihrer Ansicht nach Angst?

Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum viele Arbeitgeber:innen das nicht wollen. Ich habe, bevor ich zum ÖGB gekommen bin, lange Zeit die Arbeitgeberseite juristisch beraten und vertreten und ich würde jedem Arbeitgeber empfehlen: Sieh zu, dass du, wenn dein Betrieb halbwegs groß ist, einen Ansprechpartner hast. Mit dem kannst du dir dann vieles – von Arbeitszeitregelungen über Bekleidungsvorschriften bis hin zum Dienstplan und zu datenschutzrechtlichen Vereinbarungen – über eine Betriebsvereinbarung ausmachen und musst nicht von jedem Einzelnen die Zustimmung einholen.

Weiterführende Geschichten:

Nachhaltigkeitsberichterstattung: Was Betriebsräte wissen müssen

Union Busting: Wenn Betriebsräte unter Beschuss geraten

Wirtschaftsgespräch 1×1: So können Betriebsräte mitreden

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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