Lehrlinge sind nicht zum Autowaschen da

Ein Auszubildender sitzt frustriert auf dem Flur. Er denkt über den Lehrlingsmonitor 2023 nac.
Für viele Auszubildende sind die Lehrjahre frustrierend. Der Lehrlingsmonitor 2023 zeigt wieso. | © Adobestock/Gudrun
Der neue Lehrlingsmonitor 2023 gibt das Stimmungsbild in der Ausbildung und deren Qualität wieder. Auffällig ist, wie groß die Unterschiede sind. Einige Unternehmen vergraulen die Fachkräfte von morgen regelrecht.
Rasen mähen und Auto putzen. Tiere pflegen und die Toilette reinigen. Der Lehrlingsmonitor 2023 hat gezeigt, dass ein Drittel der Auszubildenden fachfremde Tätigkeiten ausführen muss. Auch Belästigung und Bedrohung sind keine Seltenheit. 40 Prozent der weiblichen Lehrlinge sind davon betroffen. Das ist moralisch nicht nur verwerflich, sondern schädigt auch den Betrieb. Denn diese jungen Menschen, die Fachkräfte von morgen, wollen den Beruf wieder verlassen. Trotz drohender Jugendarbeitslosigkeit.

Lehrlingsmonitor 2023 im Überblick

Insgesamt 4.707 Lehrlinge, die im vergangenen Jahr im letzten Ausbildungsjahr waren, haben für den Lehrlingsmonitor von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Gewerkschaftsjugend ihre Erfahrungen im Beruf bewertet. Dieses Mal sei es ein „dringender Weckruf für die Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Lehre“, wie es Richard Tiefenbacher ausdrückt. Er ist Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Die Ergebnisse sprechen für sich:

  • Ein Viertel gibt an, nicht im erlernten Beruf bleiben zu wollen.
  • Mehr als ein Drittel sagt, schlechte oder sehr schlechte Erfahrungen gemacht zu haben.

Achten Unternehmen nicht darauf, zufriedene Auszubildende zu haben, verlieren sie ihre zukünftigen Fachkräfte. Nicht nur, dass der Lehrling, den Betrieb verlassen wird. Auch die Kolleg:innen aus der Berufsschule werden die Firma meiden. Die Unzufriedenheit variiert je nach Branche. Doch ausgerechnet in den Berufen, in denen es ohnehin schon eine enorm hohe Nachfrage nach Arbeitnehmer:innen gibt, haben Lehrlinge die größten Probleme – Hotel- und Gastgewerbeassistent:in, Maler:in und Beschichtungstechniker:in und in der Konditorei (Zuckerbäckerei).

Gründe für die Unzufriedenheit im Lehrlingsmonitor 2023

Die Probleme der Auszubildenden sind dabei vielschichtig. Dramatisch ist, dass 34 Prozent der Lehrlinge angeben, zumindest einmal beleidigt, belästigt, bedroht oder gemobbt worden zu sein. Besonders betroffen sind junge Frauen mit insgesamt 40 Prozent. Wobei Jugendliche sogar von sexueller Belästigung und von Gewaltandrohung berichten. Hier sind primär Branchen betroffen, die es schon aus anderen Gründen schwer haben, ausreichend Arbeitskräfte zu finden: Gesundheit, Medizin und Pflege; Tourismus, Gastgewerbe und Hotellerie; sowie Ernährung, Lebens- und Genussmittel. Die Probleme führen auch zu Gesundheitsproblemen bei Auszubildenden.

Eine dreckige Autoscheibe, die von einem Lehrling geputzt werden muss. Der Lehrlingsmonitor 2023 gibt Aufschluss.
Das Auto zu putzen, ist keine Tätigkeit für Auszubildende. | © Adobestock/Alexander Bespaly

Auch andere Vorfälle tragen nicht zur Zufriedenheit der Lehrlinge bei. Dazu gehört, dass 41 Prozent keine regelmäßige Besprechung des Ausbildungsfortschritts mit ihren Vorgesetzen machen. Ausbildungsfremde Tätigkeiten sind für Lehrlinge zusätzlich frustrierend. Dazu gehören, Rasen mähen, Auto putzen, Tiere pflegen und die Toilette reinigen. Davon sind mit 51 Prozent sogar mehr als die Hälfte der Lehrlinge betroffen. Tiefenbacher geht aber auch auf die enormen Unterschiede zwischen den Betrieben ein. Schließlich gibt es auch genug positive Beispiele. „Es gibt natürlich viele Betriebe, sie sich in der Ausbildung sehr engagieren. Das sollten alle so machen. Dann würde die Lehre endlich wieder aufgewertet und ihr teils negatives Image loswerden.“

Überstunden bei Lehrlingen „rechtlich bedenklich“

27 Prozent müssen sogar Überstunden machen, obwohl die für unter 18-Jährige verboten sind. „Überstunden sollten in der Lehrausbildung eigentlich die absolute Ausnahme sein – denn es soll ja ausgebildet werden und für Unter-18-Jährige sind Überstunden sogar verboten“, erklärt Tiefenbacher. Der Stress in der Ausbildung ist hoch.

Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmen diese Überstunden in vielen Fällen nicht einmal vergüten. „Diese Praxis ist nicht nur rechtlich bedenklich, sondern beeinträchtigt auch die Gesundheit und das Lernen der Lehrlinge“, warnt der ÖGJ-Vorsitzende. „Die jungen Menschen sind da, um zu lernen und nicht, um als billige Hilfskraft für einen Betrieb ausgenutzt zu werden!“

Die Ausbildung in Österreich verbessern

Die Ergebnisse vom Lehrlingsmonitor 2023 sind auch deswegen wichtig, damit AK, ÖGJ und ÖGB analysieren können, wo Verbesserungen in der Ausbildung am meisten Sinn ergeben. Entsprechend gibt es bereits eine Reihe an Maßnahmen, mit denen die Situation verbessert werden könnte:

  • Ausweitung der Berufsorientierung: Aufzeigen der Bandbreite der verschiedenen Lehrberufe in allen Schultypen.
  • Ausbildungsqualität als Kriterium für die Lehrstellenförderung: Lehrstellenförderung an Ausbildungsplan, Ausbildungsdokumentation und Erfolg bei der Lehrabschlussprüfung koppeln.
  • Einführung von Kompetenzzentren: Einrichtungen, in denen Lehrlinge zusätzlich zur Ausbildung im Betrieb in spezifischen Berufsbildpositionen ausgebildet werden.
  • Verbesserungen bei der Lehrabschlussprüfung: Die Lehrabschlussprüfung ist beispielsweise nicht öffentlich. Dadurch wird Lehrlingen die Möglichkeit genommen, im Voraus den Ablauf einer Lehrabschlussprüfung zu beobachten. Auch sollte sie in einem vertrauten Umfeld wie der Berufsschule stattfinden.
  • Mindestens 1.000 Euro Lehrlingseinkommen im ersten Lehrjahr: Gewerkschaftliches Ziel ist es, die Lehrlingseinkommen in allen Bereichen auf mindestens 1.000 Euro im ersten Lehrjahr anzuheben.
  • Ausbildungsoffensive für mehr Lehrstellen in Klimaberufen: Es braucht daher eine Ausbildungsoffensive für Green Jobs.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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