Klimabildung darf kein Elitenthema sein
Ein zentraler Ort für diese Bewusstseinsbildung ist die Schule. Doch gerade hier besteht noch viel Nachholbedarf. Das sagt die Wiener Universitätsprofessorin Andrea Möller. Sie ist Leiterin des Österreichischen Kompetenzzentrums für Didaktik und Ökologie und somit unter anderem für die Ausbildung neuer Lehrkräfte zuständig. Sie ist sie der Meinung, dass im Bereich der Klimabildung über die vergangenen Jahrzehnte hinweg viel verabsäumt wurde. „Da steht Österreich nun vor Problemen. Damit müssen wir uns jetzt auseinandersetzen“, fordert sie.
Bildung ist für Andrea Möller einer der wichtigsten Hebel einer ökosozialen Transformation. Dabei gehe es nicht mehr nur um die Vermeidung der Erderwärmung, sondern auch um Anpassung an die Klimakrise. „In Österreich geht die Erwärmung schneller voran als in anderen Weltgegenden. Derzeit sind wir bei einem Anstieg von 2.3 Grad.“ Jungen Menschen komme hier eine große Verantwortung zu. „Wir haben nicht nur große Hebel, wenn die nächste Generation in den Arbeitsmarkt kommt. Schon jetzt beeinflussen Kinder und Jugendliche ihre Eltern und Großeltern. Über solche Prozesse kann sehr viel Bewegung in Verhaltensänderungen kommen.“
Das bedeute für die Unterrichtenden aber auch eine riesige Herausforderung. „Es geht nicht nur um kognitive Aspekte. Nur weil ich weiß, dass ich etwas ändern muss, heißt das noch lange nicht, dass ich mein Verhalten auch entsprechend ändere. Das ist hochkomplex. Es braucht einen interdisziplinären Ansatz, der nicht nur biologische oder chemische Fragen, sondern auch soziale Aspekte beinhaltet.“ Themen wie die Untätigkeit wider besseres Wissen von Unternehmen oder gar Greenwashing.
Klimabildung in allen sozioökonomischen Schichten
Doch junge Menschen zu erreichen, ist gar nicht so leicht, findet Vinzent Hilbrand. Er ist Referent für Wirtschaftsbildung in der Abteilung Lehrausbildung und Bildungspolitik bei der Arbeiterkammer Wien. Ein Problem ist aus seiner Sicht, dass die Klimakrise unter breiten Bevölkerungsschichten immer noch als Elitenthema gilt. „Es steht in manchen Milieus einfach nicht auf der Tagesordnung. Ärmere Menschen können sich ihr Konsumverhalten schwer aussuchen. Und in akademischen Familien scheint mehr diskutiert zu werden als in nicht-akademischen Familien. Auf den Fridays for Future Demonstrationen findet man vor allem Jugendliche aus bildungsnahen Schichten.“
Dennoch sieht er im Bildungswesen auch positive Ansätze, die dem von Andrea Möller gesetzten Ziel einer interdisziplinären Ausrichtung in der Schule näherkommen. „In den neuen Unterstufenlehrplänen sind fächerübergreifende Ansätze drin. Das ist aus Klimasicht super, denn jedes Unterrichtsfach hat etwas dazu zu sagen. Auch projektorientierte Ansätze würden wir als Arbeiterkammer begrüßen. Allerdings muss das im Schulalltag dann auch gelebt werden. Es muss von unten kommen, und kann nicht top-down angeordnet werden.“
Wenig Spielraum in der Bildungskrise
Dies sei auch eine Ressourcenfrage. „Die Bildungskrise überschattet derzeit eigentlich alles. Es gibt sehr viele, sich aufopfernde Lehrkräfte, aber der Lehrkräfte- und Ressourcenmangel, besonders an benachteiligten Schulstandorten, muss beseitigt werden, damit progressive Bildungsansätze umgesetzt werden können“, sagt Hilbrand. „Wir würden übergreifende Themen zum Beispiel gerne clustern. Das Klimathema muss auch in einen politischen und ökonomischen Kontext gebracht werden.“
Zur Umsetzung dieses Zieles bietet die Arbeiterkammer ein eigens dafür entwickeltes Planspiel für Schulklassen an. Darin gründen die Schüler:innen fiktive Inselstaaten. „Am Anfang ist die Natur noch völlig unberührt“, erklärt Hilbrand. „Doch dann entwickelt die Bevölkerung Bedürfnisse. Es entsteht Produktion, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt Umweltkatastrophen, der Meeresspiegel steigt und auch die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse sind noch unfair gestaltet. Das hat Konsequenzen und die Ökobilanz verschlechtert sich. Es gibt jedoch Möglichkeiten, dieser Entwicklung durch Verhandlungen und staatliche Maßnahmen entgegenzuwirken.
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Am Ende soll ein positives Gefühl entstehen, nämlich, dass es möglich ist, die Situation zu verbessern, wenn alle an einem Strang ziehen. Im Anschluss machen wir noch einen Abgleich mit der Realität. Wir zeigen Wirtschafts- und Lobbyinteressen auf, und fragen uns, wie die 90 Prozent – die Arbeitnehmer:innen – ihre Forderungen nach sozial-ökologischer Gerechtigkeit durchsetzen können. Alle Fortschritte mussten einmal erkämpft werden. Das gilt auch für den Klimaschutz. Und das lernen die Kinder hier.