Politisch engagiert
Susanne Haslinger, geboren 1981 in Wien, war bereits in der Schule politisch aktiv und während des Jusstudiums für den Verband Sozialistischer StudentInnen auf der ÖH tätig. Einer ihrer Schwerpunkte war Bildungspolitik, sie kennt die Realität von berufstätigen Studierenden gut. „Die Interessenvertretung war mir gut vertraut, als ich 2008 bei der AK in der Rechtsberatung begann“, erinnert sich die Juristin. Dort unterstützte sie ArbeitnehmerInnen bei der außergerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche. Vier Jahre später wechselte sie zur Gewerkschaft.
Doch was bedeutet der Terminus „Klassenkampf“? Der Duden definiert das so: „Kampf zwischen den gegensätzlichen Klassen um die Entscheidungsgewalt in der Gesellschaft.“ Susanne Haslinger erlebt, dass viele Menschen bei Klassenkampf an Aufmärsche, rote Fahnen und Gesänge denken. Diese Vorstellung sei einseitig, führt Haslinger aus. „Der moderne Klassenkampf findet längst nicht nur auf der Straße, sondern wie bei der Arbeitszeit über Gesetze statt. Dabei geht es um Macht: Wer hat eine parlamentarische Mehrheit und kann so seine Vorstellungen umsetzen?
Für die Wienerin ist es eine zentrale Aufgabe der Gewerkschaft, ArbeitnehmerInnen über ihre Rechte zu informieren und aufzuklären. Dazu zählt, die „Message Control“ der Regierung zu durchbrechen, etwa das „Märchen von mehr Freizeit trotz längerer Arbeitszeit.“ Aber dieser Anspruch sei im Gesetz nicht festgeschrieben. Diese Deutungshoheit zu durchbrechen, bedeute aber viel Arbeit und passiere traditionell in Betrieben und über neue Medien.
Weiters müsse die PRO-GE in den KV-Verhandlungen herausholen, was den ArbeitnehmerInnen zusteht, so Haslinger. Das wäre etwa eine stärkere Teilhabe am Produktivitätsgewinn von Unternehmen. Neben jährlich erkämpften Lohnerhöhungen geht es heuer auch um höhere Zuschläge für längere Arbeitszeit und zusätzliche und selbstbestimmte Freizeit, frei nach dem Motto: „Die Gesundheit kann man sich nicht zurückkaufen.“ Ein zweites Paket ist für die Juristin Rechtssicherheit. „Viele Menschen sind total verunsichert und wissen nicht, inwieweit sie tatsächlich frei sind, längere Arbeitszeiten abzulehnen und inwieweit Betriebsvereinbarungen noch gelten.“ Zentral ist für Haslinger, die Mitbestimmung des Betriebsrats sicherzustellen. „Nur diese Instanz kann den Interessenausgleich im Betrieb sichern und dafür sorgen, dass sich Menschen nicht kaputthackeln.“
Arbeitskampf
Der Handlungsspielraum hat sich mit dem Regierungswechsel auf andere Ebenen verlagert. Haslinger erinnert an die Großdemonstration auf der Mariahilfer Straße am 30. Juni 2018. Ein weiteres Mittel ist, direkt in die Betriebe zu gehen und mit den BetriebsrätInnen die Belegschaften aufzuklären. Im äußersten Notfall sei auch die Arbeitsniederlegung, der Streik, ein legitimes gewerkschaftliches Mittel des Arbeitskampfs. Haslinger beobachtet als Sozialpolitikexpertin die Kollektivvertragsverhandlungen aufmerksam. Früher stand sie in regem Austausch mit dem Sozialministerium, nahm an Gesprächsrunden mit ExpertInnen teil. Derzeit gäbe es aber kaum Kontakt. „Die Regierung sieht keinen Bedarf, die Sozialpartner einzubinden.“ Das sieht man auch an der von Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einer Stellungnahme zum Auftakt der KV-Verhandlungen gestellten Forderung nach einer „spürbaren Lohnerhöhung“. „Ja, eh lieb“, kommentiert Haslinger dies mit einer Portion Zynismus. Sie ergänzt: „Ich finde es interessant, dass sie den Arbeitgebern damit ausrichten: ‚Reißt euch zusammen und schließt gut ab, nicht dass der Unmut unser schönes neues Arbeitszeitgesetz gefährdet‘.“ Die ArbeitnehmerInnen sollen ruhiggestellt werden, so die Gewerkschafterin. Eine solche Aussage vonseiten der Regierung ist für sie ein Zeichen dafür, dass dort „jegliches Gespür“ für die Sozialpartnerschaft verloren gegangen sei.