Sozialer Frieden ist Pflicht

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern ist Kernpunkt der Sozialpartnerschaft
  2. Seite 2 - Signifikantes politisches Gewicht
  3. Seite 3 - Der AK-Rechtsschutz
  4. Auf einer Seite lesen >
Was die Pflichtmitgliedschaft in der AK mit Sozialpolitik zu tun hat und warum sie einen zentralen Anteil am sozialen und wirtschaftlichen Erfolg Österreichs hat.
Die Sozialpartnerschaft sei ein wichtiger Standortvorteil für den Wirtschaftsstandort Österreich. Internationale Konzerne sehen darin sowie im sozialen Frieden in Österreich ganz wichtige Entscheidungsfaktoren, um sich hierzulande niederzulassen. Das System des partnerschaftlichen Interessenausgleichs bringe zudem einen Wachstumsvorteil von einem Prozentpunkt, was ein Plus von rund 25.000 Jobs bedeutet. Und die Sozialpartner seien Konjunkturimpulsgeber.

Diese Worte kommen nicht etwa von einem eingefleischten Gewerkschafter, sondern vielmehr aus dem Munde eines der wichtigsten österreichischen Wirtschaftsvertreter: Christoph Leitl. Sie entspringen auch nicht den Wunschträumen des Wirtschaftskammerpräsidenten, sondern finden ihren Beleg vielmehr in einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO.

Erfolgsmodell infrage gestellt

Dieses Erfolgsmodell wird allerdings immer wieder infrage gestellt – zuletzt tauchten im Wahlkampf erneut Forderungen nach einer Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern auf. Diese aber ist Kernpunkt der Sozialpartnerschaft.

Nicht umsonst also bezeichnet AK-Präsident Rudi Kaske die Forderungen nach ihrer Abschaffung als „gefährliches Spiel mit dem sozialen Frieden in Österreich“. Er mahnt: „Wer die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft abschafft, schafft die Kammern ab und damit die Sozialpartnerschaft.“

Gerade für die ArbeitnehmerInnen ist die Sozialpartnerschaft von großer Bedeutung, denn sie befinden sich im Machtgefüge am Arbeitsplatz in der schwächeren Position. Die Arbeiterkammern leisten einen wichtigen Beitrag, um hier einen Ausgleich zu schaffen.

Solidarische Mitgliedschaft

Präsident Kaske hält fest: „Grundlage, dass wir allen helfen können, ist die solidarische Mitgliedschaft aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, der für die Sozialpartnerschaft von Bedeutung ist: Die Mitgliedschaft aller ArbeitnehmerInnen garantiert in den Worten von AK-Präsident Kaske auch, „dass wir den Interessenausgleich zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen finden und so mit einer starken Stimme für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sprechen können“. Immerhin hat die Arbeiterkammer die Kraft von 3,6 Millionen Mitgliedern und ist somit eine gewichtige Akteurin in der österreichischen Innenpolitik.
Ein Sonderfall: So wird die österreichische Sozialpartnerschaft gerne genannt. Denn in kaum einem europäischen Land werden Interessenkonflikte noch so konsensorientiert ausgetragen wie hierzulande. Weitere Beispiele sind Dänemark, Schweden oder die Niederlande.

Der Politikwissenschafter Emmerich Tálos definiert die Sozialpartnerschaft als „spezifisches Muster der Interessenvermittlung und Interessenpolitik, das von den großen Dachverbänden der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressenorganisationen sowie der Regierung getragen ist“. Damit sind denn auch drei wesentliche Akteure der Sozialpartnerschaft angesprochen. Denn in Österreich spielt die Sozialpartnerschaft nicht nur bei den Kollektivvertragsverhandlungen zwischen den VertreterInnen der Arbeitgeber- und der ArbeitnehmerInnen die Hauptrolle. Die Sozialpartner verhandeln auch in verschiedenen Politikbereichen Regelungen, die später in Gesetzesform gegossen werden. Von Bedeutung ist die Sozialpartnerschaft in erster Linie in der Einkommens-, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

Gesamtwirtschaftliche Ziele

Dass sich diese Form des Interessenausgleichs in Österreich etabliert hat, hat seine Wurzeln in der Nachkriegszeit. Wesentliche Charakteristika sind bis heute erhalten geblieben: erstens die auf Verhandlung statt auf Konfrontation ausgerichtete Form der Auseinandersetzung, zweitens dass die AkteurInnen über die Partikularinteressen der eigenen Klientel hinaus immer auch gesamtwirtschaftliche Ziele im Auge haben. Eine wesentliche Voraussetzung, damit die Sozialpartnerschaft den angesprochenen Interessenausgleich auch erfolgreich umsetzen kann, ist die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern.

In der Tat hat die Sozialpartnerschaft in Österreich einen erheblichen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg des Landes, wie die bereits angesprochene WIFO-Studie belegt. Sie wurde rund um den 50. Geburtstag des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen im Jahr 2014 vorgestellt. „Das Ergebnis ist ein wahres Geburtstagsgeschenk für die Sozialpartnerschaft“, betonte WIFO-Chef Karl Aiginger: „In Ländern wie Österreich ist die Wirtschaft nach allen Kriterien besser aufgestellt.“ Ziel der Untersuchung war es, den Einfluss der Sozialpartnerschaft auf die wirtschaftliche Entwicklung zu messen.

Zu diesem Zweck hat das WIFO Länder in verschiedene Kategorien eingeteilt, und zwar nach folgenden Merkmalen: erstens der Organisationsgrad der Arbeitgeberverbände, also der „Anteil der Arbeitskräfte in Unternehmen, die Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind“; zweitens der Koordinationsgrad der Gewerkschaften. Verglichen wurden die Länder Österreich, Belgien, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Norwegen, Italien, Griechenland, die Schweiz und Großbritannien.

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Über den/die Autor:in

Sonja Fercher

Sonja Fercher ist freie Journalistin und Moderatorin. Für ihre Coverstory im A&W Printmagazin zum Thema Start-ups erhielt sie im Juni 2018 den Journalistenpreis von Techno-Z. Sie hat in zahlreichen Medien publiziert, unter anderem in Die Zeit, Die Presse und Der Standard. Von 2002 bis 2008 war sie Politik-Redakteurin bei derStandard.at. Für ihren Blog über die französische Präsidentschaftswahl wurde sie im Jahr 2008 mit dem CNN Journalist Award - Europe ausgezeichnet.

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