Betriebsratsverhinderung: Wer nicht hören will, muss fühlen

Junge Frauen sitzen an einem Tisch. Eine Frau steht und erklärt den anderen Frauen etwas. Symbolbild für Betriebsräte und ihre Herausforderungen, wenn Arbeitgeber ihren Betriebsrat verhindern wollen.
Wenn Betriebsräte verhindert werden, passiert oft nichts. Dagegen will der ÖGB vorgehen. | © Adobestock/master1305
Erneut wurde ein Fall von Betriebsratsverhinderung öffentlich bekannt. Es ist an der Zeit, echte gesetzliche Konsequenzen festzulegen.

Im Frühjahr kündigte eine deutsche Hotelgruppe drei Mitarbeiter:innen, weil diese in zwei Salzburger Hotels einen Betriebsrat gründen wollten. Dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren folgend, riefen die Beschäftigten zur Betriebsratsgründung eine Betriebsratsversammlung ein, wurden aber infolgedessen gekündigt. Aber wie kann das sein? Ist der Boykott einer Betriebsratsgründung nicht ein klarer Fall fürs Strafrecht? Nein. Eine Strafe, die ein solches Verhalten verfolgt, gibt es nicht. Das Schlimmste, das dem Arbeitgeber passieren kann, ist, dass er die Gekündigten wieder einstellen muss. Darüber hinaus sind jedoch keine gesetzlichen Sanktionen vorgesehen, wenn Arbeitgeber einen Betriebsrat verhindern.

Das ist eine Lücke, die der Österreichische Gewerkschaftsbund schließen möchte. Im Positionspapier des ÖGB heißt es: „Der ÖGB fordert: gerichtliche Strafbarkeit der Verhinderung bzw. Behinderung von Wahlen der Personalvertretung (PV), des Betriebsrates (BR), des Jugendvertrauensrates (JVR) und von Behindertenvertrauenspersonen (BVP).“ Doch wie steht es wirklich um die betriebliche Mitbestimmung in Österreich?

In der Natur der Sache

Friedrich Schinagl, Landesvorsitzender der Gewerkschaft vida, kennt den beschriebenen Fall sehr gut. Er weiß beispielsweise, dass die drei Beschäftigten ein monatelanges Hausverbot erhalten haben. Bei Bezug des – nicht gerade üppigen – Grundgehalts müssen sie seit Wochen quasi spazieren gehen, das den Lohn aufwertende Trinkgeld fällt weg. Eine generelle Anti-Betriebsratsstimmung sieht er nicht, wohl aber branchenspezifische Probleme. „Es gibt immer solche und solche Arbeitgeber“, erklärt er, „aber in der Hotellerie und Gastronomie haben wir schon strukturelle Probleme, angefangen vom niedrigen, auf Trinkgeld basierendem Grundgehalt, Überstunden, geteilten Diensten, viel Stress und wenig Wertschätzung.“ Von den rund 500.000 Beschäftigten sind rund 140.000 Menschen nur eine Saison in der Branche tätig.

Eine Raumpflegerin sitzt auf einem Hotelbett und schaut müde nach draußen. Symbolbild für die Hotelbranche, die oft Betriebsräte verhindern lässt.
Viel Stress, wenig Wertschätzung: Besonders die Hotellerie als Problembranche braucht unbedingt Betriebsräte. | © pressmaster

Der niedrige Lohn führt außerdem dazu, dass die Arbeitgeber viele Arbeitskräfte aus dem benachbarten Ausland anwerben. Es handelt sich um strukturschwache Gegenden in Deutschland oder Länder mit niedrigeren Einkommen wie Ungarn oder Rumänien. Teilweise erstreckt sich die Suche nach Personal bis nach Vietnam. „Sie wollen die höheren Löhne, die es bräuchte, nicht zahlen“, sagt Schinagl dazu. „Bei den ausländischen Arbeitskräften tut man sich leichter, sie sind drei Wochen da und haben dann eine Woche Freizeit in der Heimat. Für die Firma ist das sehr angenehm.“ Auch die Sprachbarrieren stellen ein Problem dar: Personal mit anderer Muttersprache beherrscht möglicherweise ausreichend Deutsch für den Service, aber um einen Kollektivvertrag lesen zu können, sind vertiefte sprachliche Kenntnisse erforderlich. All dies führt dazu, dass die betriebliche Mitbestimmung schwer umzusetzen ist.

Große Unternehmen verhindern einen Betriebsrat

Jedoch sind solche Umstände nicht nur in der Hotellerie anzutreffen. Walter Gagawczuk, Arbeitsrechtsexperte in der Bundesarbeiterkammer, ist mit den Faktoren für geringe Mitbestimmung vertraut. Eine hohe Fluktuation, wie sie beispielsweise in der Baubranche typisch ist, stellt einen Hindernisfaktor dar, ebenso wie die Unternehmensgröße. Das Motto lautet vielfach: je kleiner, desto weniger Betriebsräte. „Ab hundert Beschäftigten gibt es oft einen Betriebsrat, zwischen 50 und hundert ist es geteilt, unter 50 finden sich nicht mehr so viele“, gibt er seine Einschätzung wieder. Dennoch gibt es auch namhafte Unternehmen, die keinen Betriebsrat haben. Vor einigen Jahren sorgte beispielsweise die Parfümerie Douglas für negative Schlagzeilen in Bezug auf die Gründung eines Betriebsrats.

Porträt von Walter Gagawczuk. Er gibt rechtliche Ausführungen darüber, wenn Arbeitgeber einen Betriebsrat verhindern wollen.
„Ein grundlegendes Angebot der Arbeitgeber mit einem Paket von A bis Z inklusive betrieblicher Mitbestimmung sehe ich derzeit noch nicht“, meint Arbeitsrechtsexperte Walter Gagawczuk. | © Lukas Beck

Grundsätzlich möglich wäre eine Vertretung ab fünf Beschäftigten. Allerdings handelt es sich beim Betriebsrat um ein Ehrenamt. Es ist nicht immer einfach, Menschen zu finden, die sich neben ihrer regulären Arbeit auch noch um die Aufgaben des Betriebsrats kümmern können oder möchten. Vor allem in kleinen Betrieben denken leider auch manche, dass dieses Engagement der Karriere schaden könnte. Generell betont Gagawczuk: Die allermeisten Betriebsratswahlen verlaufen reibungslos. Aber: „Solange ein Unternehmen gut geht, sind viele der Ansicht, es funktioniere ja auch ohne Betriebsrat. Erst wenn es zu Schieflagen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern kommt, wird man sich dessen bewusst, wie wichtig ein Betriebsrat sein kann. Aber wenn es dann regnet, ist es meist zu spät – es ist besser, auch schon bei Sonnenschein einen Betriebsrat zu haben.“

Besser mit Betriebsrat

Wer die betriebliche Mitbestimmung ernsthaft in Betracht zieht, hat einen Vorteil. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen mit einem Betriebsrat ein höheres Engagement seitens der Belegschaft aufweisen. Manager:innen vertrauen dem Betriebsrat ebenfalls stark, und die Mitbestimmung wird sowohl von den Beschäftigten als auch vom Unternehmen positiv bewertet. Besonders in der heutigen Zeit, in der Unternehmen händeringend nach Personal suchen und vielfältige Angebote von Obstkörben über Home-Office bis hin zur 4-Tage-Woche schnüren, fehlt in vielen Fällen noch immer ein Bekenntnis zur Mitbestimmung. „Ein grundlegendes Angebot der Arbeitgeber mit einem Paket von A bis Z inklusive betrieblicher Mitbestimmung sehe ich derzeit noch nicht“, meint Gagawczuk.

Genau aus diesem Grund besteht die Forderung des ÖGB, die Verhinderung betrieblicher Mitbestimmung nicht nur zu verbieten, sondern auch strafrechtlich zu ahnden. ÖGB-Rechtsexperte Michael Trinko erklärt: „Im Gegensatz zu Deutschland passiert bei uns nichts, wenn verhindert wird, dass ein Betriebsrat zustande kommt. Der für den Arbeitgeber schlimmste Fall ist, dass er die unter Umständen Gekündigten wieder einstellen muss.“

Es brauche das Strafrecht aus den klassischen Gründen: Es wirkt im Sinne der Spezialprävention – jemand, der persönlich wegen Fehlverhaltens bestraft wurde, wird diesen Fehler wahrscheinlich nicht erneut begehen. Wichtiger in diesem Fall sei aber die Generalprävention. Man zeige, dass es für dieses Verhalten eine Sanktion gibt, das „schärft das Bewusstsein in der Gesellschaft. Es will ja niemand ins Gefängnis oder finanziell bestraft werden. Das bedeutet aber nicht, dass wir jemanden ins Gefängnis schicken wollen. Unser Ziel ist es, dass die Menschen ungehindert ihr Recht einen Betriebsrat zu gründen ausüben können.“ Die tragende Rolle komme hierbei dem Gesetzgeber zu, der eben für echte Strafen sorgen müsse.

Betriebsrat verhindern? Kein Kavaliersdelikt

Schinagl geht noch einige Schritte weiter und denkt über seine Branche hinaus. Der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder tritt erst in Kraft, wenn der Betriebsrat bereits etabliert ist – problematisch. „Ich bin auch dafür, dass öffentliche Förderungen gestrichen werden, wenn Mitbestimmung nachweislich verhindert wird“, führt er noch einen weiteren Punkt an. „Saftige Geldstrafen“ bei Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen, so der Gewerkschafter, würden das Bild abrunden. Für Schinagl würden folgende Punkte also die Gründung eines Betriebsrats in einer Firma erleichtern:

  1. Ein gesetzlicher Kündigungsschutz ab (der dafür notwendigen) Einberufung zur Betriebsversammlung und dieser gelte durchgängig für alle bis zum derzeit schon vorhandenen gesetzlichen Kündigungsschutz.
  2. Keine Förderungen durch die öffentliche Hand für Betriebe, die eine Betriebsratswahl behindern oder verhindern wollen, oder Betriebe, die ab einer gewissen Anzahl an Mitarbeiter:innen keinen Betriebsrat besitzen.
  3. Finanzielle Strafen für Firmen, die eine Betriebsratswahl behindern oder verhindern.

Dass es auch anders geht, zeigte sich kürzlich: So stellte die Hotelgruppe JUFA jüngst ihren Zukunftskollektivvertrag vor und erklärte, sie hätten „verstanden, was es in der Zukunft an Rahmenbedingungen braucht.“ Die, die sich nicht um die Bedürfnisse der Beschäftigten kümmern, würden sich hingegen die Lücken in den Kollektivverträgen suchen. So wären die Arbeitenden „Freiwild“, meint Schinagl dazu. Offensichtlich wird es also Zeit, diejenigen, die alle Unschärfen zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen, eben dort anzupacken, wo es Arbeitgebern am meisten schmerzt: am Bankkonto.

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