„Revolutionär ist vor allem auch die sprachliche Dimension, weil nun jeder Mensch, unabhängig vom technischen Wissen, darauf zugreifen und etwas für sich herausholen kann“, sagt Hilda Tellioğlu, assoziierte Professorin an der Technischen Universität Wien und Expertin für Change-Management. Neu daran ist auch, wie breit diese KI-Systeme angewendet werden können: vom Referat bis zum Haiku-Gedicht, von der wissenschaftlichen, journalistischen oder juristischen Recherche bis zum Musikstück oder Grafik-Design – und das alles in rasender Geschwindigkeit.
Wenn die Künstliche Intelligenz halluziniert
KI-Chatbots sind Prognosemaschinen, die auf eine Anfrage das wahrscheinlichste Ergebnis aus einem riesigen Datensatz errechnen. Das ist quasi die Welt der KI. Sie greift auf alle möglichen Daten zu und zieht Verbindungen: Social Media, Tracking, Sensorentechnologie, um nur einige zu nennen. Doch Vorsicht: Die errechnete Antwort muss nicht immer richtig sein. Denn unter dem programmierten Druck, ein Ergebnis zu liefern – nämlich auch dann, wenn es zu wenig Info im Datensatz gibt –, kann es passieren, dass das, was die KI im Brustton der Überzeugung ausspuckt, teilweise fehlerhaft oder komplett falsch ist. KI-Chatbots können also vom Plaudertascherl zum Gschichtldrucker mutieren. Ist dies der Fall, dann „halluziniert“ die KI. Fazit: Entscheidung und Urteil über den Nutzen der Antwort bleiben eine menschliche Aufgabe und Verantwortung.
Gute Fragen, gute Antworten
Die goldene Regel ist klar. Je besser die Anfrage – der sogenannte Prompt – formuliert wird und je mehr Feedback der Mensch der Maschine gibt, desto besser ihr Output. Am meisten holen folglich jene heraus, die bereits über großes Fachwissen verfügen. Am Beispiel von DALL-E, einem weiteren Produkt aus der KI-Schmiede OpenAI, das aus Textbeschreibungen 2-D- und 3-D-Bilder generiert: „Fotograf:innen können dem System sagen, mit welcher Kamera, welchem Objektiv und unter welchen Lichtverhältnissen und sonstigen Einstellungen welche Bildkomposition generiert werden soll. All das ist entscheidend dafür, dass man qualitativ hochwertige Ergebnisse erhält“, sagt Fridolin Herkommer, Experte für Arbeit im digitalen Wandel der Arbeiterkammer Wien.
Wem nützt also die künstliche Intelligenz? Grundsätzlich allen, die KI-Systeme sinnvoll in ihrem Lern-, Arbeits- und Berufsalltag einsetzen – wobei dafür kein technisches Know-how benötigt wird.
Training passiert quasi nebenbei
Doch zuallererst nützt KI natürlich jenen, die die Produktionsmittel ihr Eigen nennen und kontrollieren. Im Fall des Vorreiters ChatGPT ist das das US-Unternehmen OpenAI samt Großinvestor Microsoft. Das Sammeln der Unmengen von Daten wird von Microsoft vorfinanziert. Die Hoffnung? Das Unternehmen will irgendwann die ausgereifte Entwicklung kommerzialisieren und Wettbewerbsvorteile lukrieren.
KI nützt zuallererst jenen, denen die Produktionsmittel gehören.
Im Fall von ChatGPT ist das das US-Unternehmen OpenAI samt
Großinvestor Microsoft.
Fridolin Herkommer, AK-Digitalexperte
Auch dass OpenAI nun den freien Zugang zu ChatGPT gewährt, ist nicht uneigennützig: „Durch dieses Auf-den-Markt-Schmeißen bekommen die Entwickler enorm viel Erfahrung“, betont Herkommer. Die User:innen nutzen die KI im Gegenzug für Daten und trainieren sie quasi nebenbei durch ihre Fragen und ihr Feedback auf Höchstform.
Sorge um AI-Kluft
„Es stecken also ganz klar Profitinteressen dahinter. Und auch andere Tech-Giganten wie Google oder Apple setzen immer mehr und immer bessere Systeme ein. Der Nutzen unterliegt dem klassischen Profit-Verwertungsdruck des Kapitalismus, daran ändert die Technologie zunächst nichts“, betont Herkommer.
Auch gibt es keine Garantie, dass AI-Systeme wie ChatGPT frei zugänglich bleiben. „Das kann natürlich immer exklusiver werden, und die neuesten Versionen könnten dann eben sehr teuer und dadurch nur für wenige zugänglich sein. Da muss man wirklich aufpassen, dass keine riesige AI-Kluft entsteht“, sagt Tellioğlu. „Es ist nicht so, dass Technik sich einfach aus sich selbst heraus entwickelt. Dahinter stecken mächtige Akteure und ihre wirtschaftlichen Interessen“, betont auch Jörg Flecker, Professor für Soziologie an der Universität Wien. Die KI ist also mit Vorsicht zu genießen. Hinter dem Wundermittel stecken Fallstricke, die auf den ersten Blick gar nicht mal so leicht zu erkennen sind.