Umsatz wichtiger als Beschäftigung
Betrachtet man typische erfolgreiche österreichische Start-ups, so sieht man zwar, dass ihre Teams inzwischen etwas größer sind als nur zwei bis drei Personen. Das Umsatzwachstum aber hat weitaus höhere Priorität als das Beschäftigtenwachstum.
Ein gutes Beispiel dafür ist etwa das österreichische Start-up Runtastic, das mit seinem weltweiten Erfolg hierzulande für Furore gesorgt hat und dessen Gründer ein großer Fürsprecher der Start-up-Szene ist. Das Unternehmen wurde im Jahr 2015 um ganze 220 Millionen Euro an adidas verkauft. Zum damaligen Zeitpunkt hatte es weltweit (!) gerade einmal 140 Beschäftigte. Es ist also eindeutig verfehlt, Start-ups als Instrument einer Beschäftigungsoffensive zu sehen und sie deswegen fördern zu wollen. Worin der Beitrag dieser neuen Unternehmensform allerdings liegen kann, ist in der Innovation. Idealerweise können Start-ups neue Ideen, neue Anwendungen, neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, auf eine unbekümmertere und kreativere Art, als dies vielleicht große Unternehmen mit langen Traditionen und schwerfälligeren Strukturen gelingt.
Produktive Koexistenz
Dafür braucht es in keiner Weise den Anspruch der Disruption, also der Zerstörung des Älteren durch das Neue. Zahlreiche Beispiele erfolgreicher europäischer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zeigen, dass es, anders als uns dies oft der Silicon-Valley-Hype glauben machen will, zu einer sehr produktiven Koexistenz kommen kann – siehe auch das Beispiel von Runtastic und adidas.
Denn die Großen haben wiederum den größeren Markt und die besseren Vertriebsstrukturen, sodass Kooperationen wirtschaftlich hoch sinnvoll sein können. So holen sich große Industrieunternehmen über Start-ups und Spin-offs der universitären Forschung wichtige neue Ideen für Materialien und Prozesse.
Aber auch große Dienstleistungsunternehmen wie etwa Versicherungen profitieren von sogenannten Inkubatoren und Start-up-Hubs, in denen neue Services und Apps entwickelt werden. Und anders als bei großen Unternehmen kann man sich bei Start-ups tatsächlich auch eine Kultur des Scheiterns und des daraus Lernens leisten. Eines muss allerdings klar sein: Start-ups bedrohen dann qualitative Beschäftigung, wenn sie dazu missbraucht werden, arbeits- und sozialrechtliche Standards und sinnvolle Regulierungen zu untergraben oder zu umgehen. Auch sie müssen sich daher an Kollektivverträge halten, und sie unterliegen dem Arbeitsverfassungsgesetz.
Gerne wird davon gesprochen, dass in diesen kleinen Unternehmen eben eine andere Kultur herrsche und der altmodische Arbeitsschutz hier nur ein Hindernis sei. Das ändert sich rasch, wenn ein lang geplanter Familienurlaub doch nicht wahrgenommen werden kann oder es gar zum ersten Burn-out kommt.
Keine reduzierte Standortpolitik
Das heißt zusammengefasst: Es ist gut und richtig, im Rahmen eines gesamtheitlichen Innovations-Ökosystems auch Start-ups zu stärken und ihnen eine wichtige Rolle zuzuweisen. Es wäre aber verfehlt, Standortpolitik nur mehr unter der Start-up-Perspektive zu sehen, denn Beschäftigung wird in ganz anderen Bereichen geschaffen.
Start-ups brauchen Vernetzung mit anderen großen Playern. Diese Netze sollen ihnen auch offenstehen, allerdings muss ihr Beitrag dazu sein, dass auch sie Arbeits-, Sozial- und Arbeitsverfassungsrecht und die österreichische Kultur der Arbeitsbeziehungen nicht nur respektieren, sondern auch einhalten und fördern.
Agnes Streissler-Führer
Mitglied der Bundesgeschäftsführung der GPA-djp
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/17.
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