Gesellschaftliche Entwicklung belastet auch den Arbeitsklima Index
In den letzten Monaten hat sich die Situation in Österreich spürbar verschärft. Durch die ungebremste Inflation ist Österreich zum viertteuersten Land in der EU geworden. Die Lebenshaltungskosten sind nur in Luxemburg, Finnland und Irland höher. Das hat die Armut verschärft. 1,6 Millionen Menschen sind davon hierzulande betroffen (353.000 davon Kinder). Parallel dazu erhöhen die Arbeitgeber:innen den Druck. Einen Fachkräftemangel gäbe es, sagen sie. Dabei sprechen die Zahlen zur Arbeitslosigkeit in Österreich eine ganz andere Sprache.
Trotzdem müssen nur die Menschen in Griechenland länger für ihr Geld arbeiten, als die Österreicher:innen. Trotz der hohen Produktivität arbeiten die Beschäftigten durchschnittlich 42,1 Stunde pro Woche. Erstaunlich ist, dass viele Unternehmen die Überstunden nicht einmal bezahlen. Jede vierte Überstunde müssen die Arbeitnehmer:innen gratis leisten. Die Unternehmen freut es – so sparten sie im vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Euro, die den Menschen im Geldbeutel fehlen.
Entsprechend hoch ist der Wunsch nach der ersten Arbeitszeitverkürzung seit den 1980er Jahren. Die 4-Tage-Woche (32 Stunden arbeiten bei vollem Lohnausgleich) ist längst in der öffentlichen Debatte angekommen. Darauf eingehen wollen die Vertreter:innen der Gesamtwirtschaft allerdings nicht.
Arbeitsklima Index: Wechselwunsch bei Beschäftigten hoch
Kein Wunder also, dass die Arbeitnehmer:innen zunehmend unzufrieden sind. Etwa 25 Prozent der Beschäftigten denken über einen Jobwechsel nach. In der Gastronomie und im Tourismus ist der Wunsch nach einem neuen Job mit 40 Prozent besonders hoch. „Das kommt nicht von irgendwo: Denn in kaum einer anderen Branche sind die Arbeitsbedingungen so verbesserungswürdig wie in Gastronomie und Tourismus. Nirgendwo sind die Beschäftigten so unzufrieden wie in den Gasthäusern und Hotels“, so Stangl.
Das schlägt sich auch in Zahlen nieder. Gerade einmal 44 Prozent der Beschäftigten in den Gasthäusern und Hotels sind mit ihrem Einkommen zufrieden. Der Durchschnitt über alle Branchen liegt um 15 Prozentpunkte höher. Angesichts der Inflation in Österreich kommen nur 38 Prozent der Beschäftigten in Tourismus und Gastronomie mit ihrem Einkommen aus.
In den Sektoren, in denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, entsteht eine Spirale. Die Auswertung des aktuellen Arbeitsklima Index zeigt, dass Menschen nicht bereit sind, Jobs mit allzu schlechten Arbeitsbedingungen anzunehmen. Das führt zu Personalmangel und einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die verbliebenen Mitarbeiter:innen.
Alter und Ausbildung: Wechselwunsch unterschiedlich ausgeprägt
Allerdings gibt es auch hier einen großen Unterschied, wie der Arbeitsklima Index feststellt. Personen mit universitärem Bildungsabschluss könnten sich derzeit fast aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Menschen, die maximal eine Pflichtschulabschluss haben, wurden häufig sogar gekündigt und mussten sich eine neue Anstellung suchen. „Auch junge Beschäftigte waren – ebenso wie Menschen mit schlechter Ausbildung – die größten Leidtragenden der Corona-Pandemie. Das heißt, wenn sie ihren Job wechseln mussten, dann eher unfreiwillig und mit einer Zwischenstation beim Arbeitsmarktservice“, heißt es im Arbeitsklima Index.
So viel bzw. wenig verdienen Beschäftigte durchschnittlich im Jahr in den Branchen Gastronomie und Hotellerie. Mehr zu den Arbeitsbedingungen im Tourismus übrigens hier:Mehr zu den Arbeitsbedingungen im Tourismus: https://t.co/Q5S61Fa6Pq pic.twitter.com/fJ3BxrmJtr
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) January 16, 2022
Auch in den Altersklassen gibt es Unterschiede beim Wechselwunsch. 43 Prozent aller Menschen unter 25 Jahren sind derzeit so unzufrieden mit ihrem Job, dass sie an einen Firmen- oder Berufswechsel denken. Bei Menschen über 45 Jahre sind es hingegen nur 12 Prozent.
Stangl sieht im Arbeitsklima Index eine Hilfestellung für die Unternehmen. „Er zeigt ihnen, was sie tun müssen, um Beschäftigte halten oder finden zu können.“ Das allerdings dürfte schon vorher klar gewesen sein. Die schlechten Arbeitsbedingungen in der Gastronomie sind keine Überraschung.