Studie: Vorteile der 4-Tage-Woche
Die Datenerhebung zeigt, dass sich viele Dinge für die Beschäftigten zum Besseren entwickelt haben. So gaben 39 Prozent an, weniger Stress zu verspüren. Bei 71 Prozent diagnostizierte die Studie eine reduzierte Burn-Out-Gefahr. Weiters führte die 32-Stunde-Woche zu einer Reduktion von Angstzuständen, Müdigkeit und einer erhöhten Schlafqualität bei den Teilnehmenden. Kurz gesagt: Physisch und psychisch ging es den Arbeitnehmer:innen danach besser als zuvor. 60 Prozent gaben auch an, dass sie jetzt die Betreuungspflichten und die Arbeit besser vereinbaren könnten. Aber auch Unternehmen profitierten. Im Durchschnitt stieg der Umsatz um 1,4 Prozent während der Testphase von sieben Monaten.
Auch die Personalpolitik wird einfacher. 57 Prozent weniger Beschäftigte kündigten, weil sie mit der dauerhaften Aussicht auf eine 4-Tage-Woche inklusive Arbeitszeitverkürzung sehr zufrieden waren. „Die Ergebnisse sind eindeutig: Arbeitsbelastungen und Gesundheitsprobleme sind teils drastisch gesunken, die Lebensqualität der Beschäftigten hingegen stark angestiegen. Erwähnenswert bei dem Projekt ist nicht zuletzt, dass männliche Beschäftigte ihren Anteil an Kinderbetreuung erhöht haben und so auch die Erwerbsarbeitszeitverkürzung als ein wichtiger – wenngleich nicht hinreichender – Impuls für eine gerechte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern bestätigt wurde“, sagt Bernd Wimmer, Soziologe in der Arbeiterkammer Salzburg.
Unser Arbeitszeitmodell stammt aus den 1980ern
Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung kann funktionieren, wie diese Studie zeigt. Seit 1985 hat es keine Reduzierung mehr bei der Normalarbeitszeit gegeben. 38,5 Stunden sind die Norm. In den 1970er-Jahren gab es hingegen viel Bewegung bei der Wochenarbeitszeit: In den 1960er-Jahren lag die wöchentliche Arbeitszeit bei 45 Stunden. Im Jahr 1970 einigten sich die Sozialpartner:innen auf eine stufenweise Verkürzung – erst auf 43 Stunden, dann auf 42 Stunden im Jahr 1973 und ab dem Jahr 1975 galt die 40-Stunden-Arbeitswoche. Zehn Jahre später gab es die Reduktion auf die heutigen 38,5 Stunden.
Die Verkürzung um einen Arbeitstag ist nur eine Variante.
Auch und vor allem die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit hat viele positive Effekte.
Martin Müller, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB)
Doch seit damals beharren Wirtschaftskammer (WKO), Industriellenvereinigung (IV) und neoliberale Kräfte darauf, dass es keine weitere Reduzierung geben darf, da ansonsten Österreich zusammenbricht. „Wir sind für alle Varianten echter Verkürzung von Arbeitszeit offen – egal in welcher Variante“, sagt Martin Müller, Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). „Die Verkürzung um einen Arbeitstag ist nur eine Variante. Auch und vor allem die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit hat viele positive Effekte“, spricht Müller die Möglichkeit an, dass man auch täglich und bei vollem Lohnausgleich bei der Arbeitszeit sparen kann. Die Arbeitnehmer:innen fordern längst entsprechende Maßnahmen.
Gestiegene Produktivität, stagnierende Arbeitszeit
Nicht für alle Branchen ist eine 4-Tage-Woche eine geeignete Lösung (doch die 4-Tage-Woche funktioniert sogar in der Bauwirtschaft), jedoch kann mit unterschiedlichen Modellen überall eine verkürzte Arbeitswoche umgesetzt werden. „Die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist allein in den letzten 30 Jahren um mehr als 70 Prozent gestiegen. Das hat zu stark steigenden Gewinnquoten der Unternehmen geführt, während die Reallöhne stagnierten beziehungsweise gesunken sind und sich die Normalarbeitszeit nicht reduziert hat“, so Wimmer von der AK Salzburg.
Bei einer Arbeitszeitverkürzung geht es immer auch um eine gerechte Verteilung, denn die Leistung erbringen die Arbeitnehmer:innen. Nur durch ihren Einsatz können Unternehmen die Produktivität steigern und dadurch mehr Umsatz erwirtschaften. „Das ist auch der Grund, weshalb Forderungen nach Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit historisch stets auf großen Widerstand von Unternehmensseite stießen und nur durch großen Druck der Arbeitenden erreicht wurden“, meint Wimmer.
Bei der Frage nach Arbeitszeitverkürzung sind allerdings nicht allein wirtschaftliche Aspekte ausschlaggebend. Es geht auch um eine Verfügungsgewalt, die Unternehmen über ihre Beschäftigten haben. „Eine Verringerung der Arbeitszeit ist daher auch eine Reduktion von Verfügungsgewalt und ein Zugewinn an Autonomie für die Beschäftigten“, sagt Arbeitsrechtsexperte Müller.
Mit 4-Tage-Woche gegen Ungleichheit
Die Wochenarbeitszeit ist in Österreich extrem ungleich verteilt. Bei Vollzeitbeschäftigten liegt sie bei 42 Stunden und damit im EU-Vergleich an zweiter Stelle hinter Griechenland. Sieht man sich nur weibliche Erwerbstätige an, dann wird diese Statistik auf den Kopf gestellt. Denn Frauen arbeiten durchschnittlich viel öfter in Teilzeit und daher belegen weibliche Beschäftigte mit 31,3 Wochenstunden den drittletzten Platz in der EU.
„Der Grund liegt vor allem in einer binär-geschlechtlichen Arbeitsorganisation. Da weibliche Arbeitende in Österreich – trotz steigender Erwerbstätigkeit – den überwiegenden Anteil der Sorge, Erziehungs- und Hausarbeit unbezahlt verrichten, haben sie weniger Zeit und Energie, einer Erwerbsarbeit nachzugehen – mit allen Nachteilen wie niedrigere Einkommen und Pensionsansprüchen“, erklärt Wimmer das Problem. Die eine Gruppe arbeitet in Österreich also „zu viel“, während die andere „zu wenig“ arbeiten muss. Von einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit würden daher Frauen sehr profitieren.
Arbeit muss außerdem aufgrund des Klimawandels in Zukunft nachhaltiger gestaltet werden, als es aktuell der Fall ist. „Es ist stark zu bezweifeln, dass wirtschaftliches Wachstum weiterhin Maßstab für die gesellschaftliche Arbeitsorganisation sein kann. Angesichts der sich zuspitzenden ökologischen Krise muss es vielmehr darum gehen, den Ressourcenverbrauch von Produktion und Konsumtion drastisch zu senken“, so Wimmer.
Vorschlag zur 4-Tage-Woche aus Deutschland
In Deutschland hat die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sogenannte „Verfügungstage“ ohne Lohnverlust vorgeschlagen. Dabei sollen Arbeitnehmer:innen die Wahl zwischen zusätzlichen freien Tagen, einem Sechs-Stunden-Tag, der 4-Tage-Woche oder auch mehr Urlaub haben. „Mit diesem Konzept kann das Bedürfnis vieler Beschäftigter nach einer autonomen, flexiblen Arbeitszeitgestaltung nachgekommen werden, das ist ein sehr guter Aspekt. Ein zweiter guter Aspekt des Konzepts ist in meinen Augen, dass es ausdrücklich auf eine Arbeitszeitverteilung fokussiert. So sollen Teilzeitbeschäftigte ‚Verfügungszeit‘ bekommen, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit zur Aufstockung der Stunden erhalten“, meint Wimmer.
In Island ist sie schon längst Standard, Großbritannien hat nur gute Erfahrungen gemacht und Spanien testet sie jetzt: Die 4-Tage-Woche wird immer beliebter. Und auch in Österreich gibt es eine wachsende Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung.https://t.co/R2plhjZsYP
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) April 20, 2023
Vielleicht machen Studien (wie jene aus Großbritannien) oder Vorschläge (wie jene aus Deutschland) den österreichischen Unternehmen und Politiker:innen Mut, um über eine generelle Arbeitszeitverkürzung ernsthaft zu diskutieren. Denn die Vorteile von einer kürzeren Arbeitswoche kommen nämlich nicht nur den Beschäftigten zugute. Unternehmensumsatz und die Umwelt würden ebenfalls davon profitieren.