[D]ie Volkswirtschaft [würde] zugunsten einer dünnen Schicht
schwer geschädigt werden.
Benedikt Kautsky, Chefökonom der AK
Diese Regelung bedeutete natürlich einen massiven Eingriff des Sozialstaats in den „freien Markt“. Sehr zum Unmut der Konservativen und Nationalliberalen, die nur zähneknirschend zugestimmt hatten. Vor allem die Christlichsoziale Partei mit Bundeskanzler Ignaz Seipel lief im Wahlkampf gegen das Beibehalten des Gesetzes Sturm, denn diese Notlösung hätte mittlerweile ihre Berechtigung verloren. Seipel erklärte bei einem Wahlkampfauftritt in Linz: „Eine Bautätigkeit auf die Dauer ist unmöglich, wenn es sich für den Privatkapitalisten nicht rentiert … Es muss offen gesagt werden, dass wir auch dieses Kriegsersatzmittel für den freien Wohnungsmarkt einmal aus der Welt schaffen müssen.“
Hohe Zinsen und schlechte Wohnungen statt Mieter:innenschutz
Arbeiterkammern und Freie Gewerkschaften verteidigten dagegen zusammen mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei den Mieter:innenschutz. Benedikt Kautsky betonte damals ganz klar: „Das, was sie wollen, ist nicht Vermehrung der Wohnungen, … sondern Herstellung ihres alten Ideals: hohe Zinse, schlechte Wohnungen und völlige Entrechtung des Mieters. … [D]ie Volkswirtschaft [würde] zugunsten einer dünnen Schicht schwer geschädigt werden.“
#AK will mehr leistbare Wohnungen. Dafür braucht es eine bundesweite Leerstandsabgabe, die Abschaffung befristeter Mietverträge, eine Registrierungspflicht für Airbnb-Wohnungen beim Finanzamt und mehr sozialen Wohnbau, so @ThomasRitt @NEWS. Wohnbau.https://t.co/OcbTrOr8Iz
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) June 23, 2022
Der Mieter:innenschutz blieb schließlich aufrecht, weil er auch vielen kleinen Gewerbebetrieben Vorteile brachte. Erst ab den 1990er-Jahren wurde der von Seipel geforderte „freie Wohnungsmarkt“ bestimmend. Mit den vorausgesehenen sozialen Folgen.