Mangel an Hebammen: Österreich hinkt international hinterher
Österreich ist nicht nur von den Zielen der WHO weit entfernt. Auch im internationalen Vergleich hinkt das Land in Europa hinterher. Mit 29,9 Hebammen pro tausend Geburten rangiert Österreich im unteren Drittel. Nur in den Niederlanden, Ungarn, Lettland und Slowenien gibt es noch weniger Hebammen. Spitzenreiter ist Belgien mit über 70 Hebammen pro 1.000 Geburten.
Das führt dazu, dass es statt der geforderten 1:1-Betreuung in Österreich einen Schlüssel von 1:5 gibt. Die Hebammen reagieren natürlich auf diese Arbeitsbelastung. In Krankenhäuser ist die Arbeitsbelastung nur schwer zu steuern. Babys halten sich eben nicht an Zeitpläne. „Private Einrichtungen und freiberufliche Praxen sind Alternativen, die aber von werdenden Eltern privat bezahlt werden müssen. Das führt schlussendlich zu einer Zwei-Klassen-Versorgung“, fasst die Studie der AK die Folgen der hohen Arbeitsbelastung zusammen.
Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten verschärfen Mangel
Erstaunlich ist, dass es eigentlich genug Menschen gibt, die den Beruf der Hebamme gerne machen möchten. Anders als in anderen Bereichen des Gesundheitswesens gibt es keine Flucht aus dem Beruf oder zu wenige Bewerber:innen. Im Gegenteil. Im Schnitt kamen im Ausbildungsjahr 2021/22 auf jeden Studienplatz rund 18 Bewerber:innen. Aber: „Aktuell gibt es in Österreich nur an zwei Fachhochschulen das Angebot, evidenzbasiertes geburtshilfliches Wissen zu vertiefen und einen Abschluss in „Advanced Practice Midwifery“ zu erlangen. Hier sind mehr berufliche Perspektiven zur Verfolgung einer Fachkarriere gefragt“, fordert die AK.
Das ist auch aus gesundheitlicher Sicht dringend notwendig. Denn der Mangel an Hebammen kann auf Mütter negative Auswirkungen haben. Traumatische Geburten bekommen nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit. Zusätzlich kommt es zu langen Phasen, in denen Mutter und Säugling während der Geburt alleingelassen werden. So steigt das Risiko von Komplikationen. Auch beim Pflegepersonal kommt es so zu Überlastung, Konflikten und einer gestiegenen Fehleranfälligkeit.
So viele Hebammen braucht Österreich
Die Studie der AK und des ÖHG analysiert außerdem, wie hoch der Bedarf an Hebammen in Österreich ist. Hierbei unterscheidet das Papier mehrere Zielsetzungen. Aktuell gibt es in Österreich 2.510 Hebammen. Bis zum Jahr 2032 werden allerdings 557 davon in Pension gehen. Diese Zahlen sind für alle Szenarien gleich. Das Basisszenario ist die jetzige Situation. Das bedeutet weiterhin einen Schlüssel von 1:5 und ausreichende Hebammenleistungen trotz Rechtsanspruch nur für Menschen, die sich diesen Service auch leisten können. Möchte die Regierung diesen Status quo beibehalten, müssen bis zum Jahr 2032 insgesamt 509 neue Hebammen eine Ausbildung abgeschlossen haben. Berücksichtigt man die Pensionierungen, wird es dann sogar 48 Hebammen weniger geben.
Die WHO fordert allerdings eine deutlich bessere Situation. Es geht dabei um die Gesundheit der Säuglinge und der Mütter. Um diese Auflagen zu erfüllen, benötigt Österreich im Jahr 2032 insgesamt 3.365 Hebammen. Die Pensionierungen mit einkalkuliert, braucht es in den kommenden neun Jahren also 1.412 Menschen, die den Beruf erlernen.
Birgit Schlachter arbeitet 30 Stunden pro Woche in einem Spital in Oberösterreich und dazu als selbstständige Hebamme. Mehr über ihren Arbeitsalltag und den Hebammenmangel schreibt @evareisinger: https://t.co/A7mJpywZ2i pic.twitter.com/p3hls9jMLM
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) March 31, 2022
Damit das gelingt, muss die Regierung an zwei Stellschrauben drehen. An den Arbeitsbedingungen und an der Ausbildung. Für Krankenhäuser braucht es verpflichtende Personalvorgaben. Damit es ausreichend Arbeitnehmer:innen für die entsprechenden Berufe gibt, müssten zusätzlich Verbesserungen der Rahmenbedingungen und Entlastungsmaßnahmen für die Pflegeberufe durchgesetzt werden. Eine Ausbildungsoffensive für Hebammen könne helfen, den Personalbedarf zu decken, so die Studie. Hierbei gehe es um die Schaffung von zeitlichen Ressourcen für die praktische Ausbildung für eine fachgerechte. Begleitung und Anleitung der Studierenden. Das sei nur durch den Ausbau der Masterstudiengänge in Advanced Practice Midwifery für berufliche Fachkarrieren zu erreichen.