Soziale Gerechtigkeit: Ein bisschen Frieden

Frieden für alle: Beim diesjährigen IGB-Kongress wurden Gewerkschaften für ihren Friedenseinsatz gewürdigt. | © 2022 HorstWagner.eu/ITUC
Soziale Gerechtigkeit muss stets verteidigt werden – besonders dann, wenn Konflikte zu eskalieren drohen. Der IGB-Weltkongress im November würdigte die Arbeit der Gewerkschaften für Frieden. Denn nur in friedlichen Ländern kann soziale Gerechtigkeit stattfinden.
Frieden ist nicht selbstverständlich. Das lernten viele Menschen in unseren Breiten erst, als der Krieg in der Ukraine und somit vor den Toren der EU stattfand. Dieses Privileg kennen zwei Milliarden Menschen weltweit nicht. Sie wohnen in einem Gebiet, in dem einer von weltweit 56 Konflikten geführt wird. Gewerkschaften kommt besonders in Kriegsgebieten eine wichtige Rolle bei der Friedensförderung zu, denn ein Alltag im Bombenhagel darf nämlich durch schlechte Arbeitsbedingungen nicht noch herausfordernder werden. Der Weltkongress der Internationalen Gewerkschaftsbewegung (IGB) im November zeigte, wie Gewerkschaften in Kriegsgebieten arbeitende Menschen unterstützten und für soziale Gerechtigkeit nach Kriegsende einstehen.

Soziale Gerechtigkeit: Es braucht Lösungen

Denn es sind bereits abseits von kriegerischen Konflikten herausfordernde Zeiten. Geringe Löhne, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder mehr Gewalt am Arbeitsplatz – eine im Vorfeld des IGB-Kongresses veröffentlichte Studie zeigt, wie soziale Gerechtigkeit stark eingeschränkt wird. So berichtet jede zweite befragte Person, dass ihr Einkommen hinter dem Anstieg der Lebenserhaltungskosten zurückbleibt. Und wer profitiert davon? „Globale Konzerne sind sowohl die Treiber als auch die enormen Nutznießer der Globalisierung. Sie sind ständig damit beschäftigt, ihre Investitionskraft auf ihre Profitbedürfnisse abzustimmen“, erklärt Isabelle Ourny, internationale Sekretärin im Österreichischen Gewerkschaftsbunds.

Wir müssen Regierungen überzeugen, dass Lohn- und Beschäftigungsflexibilität und antigewerkschaftliche Politik nur zu einem ‚Wettlauf nach unten‘ führen.

Isabelle Ourny, Internationales Referat des ÖGB

Die, die zu kurz kommen, sind dabei die Länder des Globalen Südens, die in diesem Wettlauf gegeneinander ausgespielt werden. „Die allergrößten Verlierer:innen sind aber die darin arbeitenden Menschen“, so Oury. Umso wichtiger seien konkrete Lösungen, um Menschenrechts- und Umweltstandard überall einzuhalten. Steuerschlupflöcher, die globale Konzerne gerne nutzen, müsse man dementsprechend stopfen. „Wir müssen Regierungen überzeugen, dass Lohn- und Beschäftigungsflexibilität und antigewerkschaftliche Politik nur zu einem ‚Wettlauf nach unten‘ führen. Es ist Zeit, dass wir die Regeln diktieren“, zeigt sich Ourny bestimmt.

Wenn Gewerkschaftsarbeit gefährlich ist

Die Überzeugungsarbeit kann aber mitunter gefährlich sein kann. Das zeigt das Beispiel der belarussischen Gewerkschafter:innen, die nicht am Kongress teilnehmen konnten. „Die gesamte Führung sitzt nämlich seit April 2022 in Haft. Der ÖGB forderte beim IGB-Kongress eine Kampagne zur Freilassung des Gewerkschaftspräsidenten Aleksandr Yaroshuk, das Gesicht der Opposition in Belarus“, erklärt Ourny.

Einschränkungen und Kriminalisierung werden nämlich öfters genutzt, um freie Gewerkschaftsarbeit einzuschränken. Das zeigt sich auch konkret am Beispiel der Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), Esther Lynch. Sie wurde kürzlich aus Tunesien verwiesen, weil sie sich solidarisch mit dem Tunesischen Gewerkschaftsbund (UGTT) gezeigt hat.

Europäische Verantwortung

Um soziale Gerechtigkeit zu erreichen, sind allerdings auch Unternehmen in die Zange zu nehmen. Europäische Konzerne produzieren beispielsweise gerne in Ländern des sogenannten Globalen Südens und umgehen damit europäische Menschenrechts- und Umweltstandards, wie der globale Rechtsindex des IGBs zeigt, der Rechtsverletzungen gegen Arbeitnehmer:innen weltweit auflistet. Laut Ourny wäre ein Handeln auf europäischer Seite deshalb umso wichtiger: „Die Einführung eines Lieferkettengesetzes auf EU-Ebene wäre ein Instrument, um diese Konzerne in die Pflicht zu nehmen.“

Ein vereintes Gegensteuern gegen die verschlechternden Arbeitsbedingungen auf der ganzen Welt, soll durch einen neuen Sozialvertrag gelingen, der beim IGB verabschiedet wurde. Die Zeit drängt, wie Ourny bestätigt: „Die Welt steht, ausgelöst auch durch die Covid-19-Pandemie und den Klimawandel, am Rande eines Konjunktureinbruchs historischen Ausmaßes, mit katastrophalen Folgen für arbeitende Menschen.“ Menschenwürdige Arbeitsplätze, existenzsichernde Löhne, Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen und sozialen Dialog und Sozialschutz – alles dringliche Maßnahmen, die der Sozialvertrag richten will, um soziale Gerechtigkeit weltweit zu erreichen.

Ein Verharren beim Status Quo wäre nämlich fatal, denn der Wandel steht vor der Tür, betont Ourny. „Der Klimawandel und die Digitalisierung führen zu enormen Veränderungen in der Arbeitswelt. Nur durch die Miteinbeziehung von Gewerkschaften kann dieser Wandel auf eine gerechte, menschenwürdige Weise gelingen.“

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