Soziale Gerechtigkeit: Es braucht Lösungen
Denn es sind bereits abseits von kriegerischen Konflikten herausfordernde Zeiten. Geringe Löhne, Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder mehr Gewalt am Arbeitsplatz – eine im Vorfeld des IGB-Kongresses veröffentlichte Studie zeigt, wie soziale Gerechtigkeit stark eingeschränkt wird. So berichtet jede zweite befragte Person, dass ihr Einkommen hinter dem Anstieg der Lebenserhaltungskosten zurückbleibt. Und wer profitiert davon? „Globale Konzerne sind sowohl die Treiber als auch die enormen Nutznießer der Globalisierung. Sie sind ständig damit beschäftigt, ihre Investitionskraft auf ihre Profitbedürfnisse abzustimmen“, erklärt Isabelle Ourny, internationale Sekretärin im Österreichischen Gewerkschaftsbunds.
Wir müssen Regierungen überzeugen, dass Lohn- und Beschäftigungsflexibilität und antigewerkschaftliche Politik nur zu einem ‚Wettlauf nach unten‘ führen.
Isabelle Ourny, Internationales Referat des ÖGB
Die, die zu kurz kommen, sind dabei die Länder des Globalen Südens, die in diesem Wettlauf gegeneinander ausgespielt werden. „Die allergrößten Verlierer:innen sind aber die darin arbeitenden Menschen“, so Oury. Umso wichtiger seien konkrete Lösungen, um Menschenrechts- und Umweltstandard überall einzuhalten. Steuerschlupflöcher, die globale Konzerne gerne nutzen, müsse man dementsprechend stopfen. „Wir müssen Regierungen überzeugen, dass Lohn- und Beschäftigungsflexibilität und antigewerkschaftliche Politik nur zu einem ‚Wettlauf nach unten‘ führen. Es ist Zeit, dass wir die Regeln diktieren“, zeigt sich Ourny bestimmt.
Wenn Gewerkschaftsarbeit gefährlich ist
Die Überzeugungsarbeit kann aber mitunter gefährlich sein kann. Das zeigt das Beispiel der belarussischen Gewerkschafter:innen, die nicht am Kongress teilnehmen konnten. „Die gesamte Führung sitzt nämlich seit April 2022 in Haft. Der ÖGB forderte beim IGB-Kongress eine Kampagne zur Freilassung des Gewerkschaftspräsidenten Aleksandr Yaroshuk, das Gesicht der Opposition in Belarus“, erklärt Ourny.
Einschränkungen und Kriminalisierung werden nämlich öfters genutzt, um freie Gewerkschaftsarbeit einzuschränken. Das zeigt sich auch konkret am Beispiel der Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), Esther Lynch. Sie wurde kürzlich aus Tunesien verwiesen, weil sie sich solidarisch mit dem Tunesischen Gewerkschaftsbund (UGTT) gezeigt hat.
Europäische Verantwortung
Um soziale Gerechtigkeit zu erreichen, sind allerdings auch Unternehmen in die Zange zu nehmen. Europäische Konzerne produzieren beispielsweise gerne in Ländern des sogenannten Globalen Südens und umgehen damit europäische Menschenrechts- und Umweltstandards, wie der globale Rechtsindex des IGBs zeigt, der Rechtsverletzungen gegen Arbeitnehmer:innen weltweit auflistet. Laut Ourny wäre ein Handeln auf europäischer Seite deshalb umso wichtiger: „Die Einführung eines Lieferkettengesetzes auf EU-Ebene wäre ein Instrument, um diese Konzerne in die Pflicht zu nehmen.“
In der Gewerkschaftsbewegung hat es lange Tradition, dass wir jene unterstützen, die von Krieg betroffen sind. Über die Organisation der Hilfstransporte und wie die Zusammenarbeit mit den ukrainischen Gewerkschaften aussieht:#NachgehörtVorgedacht #Ukrainehttps://t.co/tpBm6sl8kD
— ÖGB (@oegb_at) March 26, 2022
Ein vereintes Gegensteuern gegen die verschlechternden Arbeitsbedingungen auf der ganzen Welt, soll durch einen neuen Sozialvertrag gelingen, der beim IGB verabschiedet wurde. Die Zeit drängt, wie Ourny bestätigt: „Die Welt steht, ausgelöst auch durch die Covid-19-Pandemie und den Klimawandel, am Rande eines Konjunktureinbruchs historischen Ausmaßes, mit katastrophalen Folgen für arbeitende Menschen.“ Menschenwürdige Arbeitsplätze, existenzsichernde Löhne, Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen und sozialen Dialog und Sozialschutz – alles dringliche Maßnahmen, die der Sozialvertrag richten will, um soziale Gerechtigkeit weltweit zu erreichen.
Ein Verharren beim Status Quo wäre nämlich fatal, denn der Wandel steht vor der Tür, betont Ourny. „Der Klimawandel und die Digitalisierung führen zu enormen Veränderungen in der Arbeitswelt. Nur durch die Miteinbeziehung von Gewerkschaften kann dieser Wandel auf eine gerechte, menschenwürdige Weise gelingen.“