Pensionskassen: Geburtsfehler und Schönrechnerei

Mehrere Geldscheine brennen in einer Geldbörse. Symbolbild für die Pensionskassen.
Die Börsenverluste belasten die Pensionskassen gleich auf mehreren Ebenen. | © Adobestock/photoschmidt
Die privaten Pensionskassen haben im Jahr 2022 ein Minus von fast zehn Prozent erwirtschaftet. Vielen Pensionist:innen stehen deshalb Pensionskürzungen bevor. Doch das ist nur das halbe Problem.
Die privaten Pensionskassen haben im abgelaufenen Jahr ein Minus von 9,67 Prozent erwirtschaftet. Deswegen müssen sich die 137.158 Menschen, die von ihnen Leistungen ausbezahlt bekommen, auf eine Pensionskürzung vorbereiten. In einer Presseaussendung rechnet die Wirtschaftskammer (WKO) vor, dass das Plus langfristig dennoch bei 4,9 Prozent liegen würde. Eine Schönrechnerei. Othmar Pusch vom Schutzverband der Pensionskassenberechtigten erklärt den Fehler im System.

Private Pensionskassen erwirtschaften dickes Minus

Das Geld aus den Pensionskassen ist einer der drei Bausteine des österreichischen Pensionssystems. Neben der staatlichen Pension und der privaten Altersvorsorge. Hat das Unternehmen – freiwillig oder aufgrund des Kollektivvertrags – für seine Mitarbeiter:innen einen Vertrag mit einer privaten Pensionskasse abgeschlossen, gibt es im Alter zusätzliches Geld. In Österreich haben etwas mehr als eine Million Menschen Anspruch darauf. 137.158 erhalten bereits Zahlungen. Im Durchschnitt 432 Euro pro Monat (allerdings brutto – es werden noch mindestens zwanzig Prozent Lohnsteuer fällig).

Eine Pensionistin steht am Fenster und schaut nach draußen. Symboldbild für die Pensionskassen.
Pensionist:innen stehen Kürzungen der betriblichen Altersvorsorge bevor. | @ Adobestock/pikselstock

Aktuell verwalten die privaten Pensionskassen ein Vermögen von 24,8 Milliarden Euro. Nach 27,3 Milliarden Euro im Vorjahr. Im Durchschnitt verloren die österreichischen Pensionskassen 9,67 Prozent. Schuld daran seien Verwerfungen am Finanzmarkt. Die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine, lahmgelegte Lieferketten und die Energiepreiskrise haben das Erwirtschaften von Aktiengewinnen erschwert. Seit dem Jahr 2004 habe aber beispielsweise die VBV-Vorsorgekasse eine Rendite von jährlich 2,35 Prozent erzielt. Die WKO spricht sogar von 4,9 Prozent seit dem Jahr 1991.

Eine Zahl, die Othmar Pusch vom Schutzverband der Pensionskassenberechtigten im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft sauer aufstößt. Um auf diese Zahl zu kommen, hat die WKO alle Renditeergebnisse der vergangenen 32 Jahre genommen und durch 32 geteilt. So ergäbe sich zwar ein Durchschnittswert von 4,9 Prozent, der würde aber den Zinseszins-Effekt überhaupt nicht berücksichtigen. Außerdem sei selbst diese schöngerechnete Zahl deutlich niedriger als die einst versprochenen sieben Prozent. Dazu kommt eine Reihe von Geburtsfehlern bei den privaten Pensionskassen selbst.

Die Probleme der österreichischen Pensionskassen

Pensionszahlungen sind eine langfristige Angelegenheit. Zahlen Arbeitnehmer:innen vierzig Jahre ein und kriegen dreißig Jahre etwas raus, muss mit Zinsen für siebzig Jahre kalkuliert werden. Pusch erklärt, dass über solche Zeiträume realistisch etwas weniger als zwei Prozent Rendite machbar sind. Diese geringe Rendite sei auch der Anfang der betrieblichen Altersvorsorge gewesen. Bis der Finanzmarkt Anfang der 1990er sehr viel größere Renditen versprochen habe.

Unternehmen haben deswegen den privaten Pensionskassen die Veranlagung überlassen. Schließlich können Unternehmen pleitegehen, die Altersvorsorge darf dann aber nicht einfach weg sein. Und es gab einen positiven Nebeneffekt. Sind die (langfristig kalkulierten) Renditen hoch, müssen die Firmen weniger in die Pensionskassen einzahlen, um am Ende einen bestimmten Betrag zu erreichen. Zur Erklärung vereinfacht Pusch ein Beispiel. Hätten Firmen – bei einer versprochenen Rendite von zwei Prozent – noch hundert Euro pro Monat zur Seite legen müssen, waren es plötzlich nur noch dreißig Euro. Die Differenz sei als „außerordentlicher Gewinn“ in die Bilanz gegangen.

Die ersten Probleme kamen schnell. Mit der Jahrtausendwende war die große Börsenparty vorbei und langfristige Renditeziele von sieben Prozent utopisch. „Jahrelange harte Arbeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss auch entsprechend in der Pension gewürdigt werden. Doch die Versprechen der ehemaligen Arbeitgeber zu den betrieblichen Pensionen haben sich als unrealistisch herausgestellt, wie die aktuellen Zahlen darlegen“, bringt Günther Goach das Problem auf den Punkt. Er ist Kärntens AK-Präsident.

Deswegen bilden private Pensionskassen Schwankungsrückstellungen. Die kommen allerdings aus den Töpfen der Arbeitnehmer:innen und vermindern das veranlagte Kapital. Aus den beispielhaften 30 Euro werden so 25 Euro. „Hier muss die Politik eingreifen und Pensionskürzungen vermeiden, denn die Schwankungsrückstellungen der Vorsorgekassen sind keine eiserne Reserve, sondern vorenthaltene Pensionsleistungen“, so Goach weiter.

Pensionist:innen trifft Verlust hart

Ein weiteres Problem ist, dass die Veranlagungsverluste nur die halbe Wahrheit sind, so Pusch. Denn nicht nur fehlen jetzt die besagten 9,67 Prozent, es kommt auch zu keiner Rendite, die – wenn es ein alter Vertrag ist – bei sieben Prozent liegen sollte. Deswegen spricht der Schutzverband der Pensionskassenberechtigten (Pekabe) auch von einer Pensionskürzung von bis zu minus 15 Prozent. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die enorm hohe Inflation, die zusätzlich das Vermögen mindert.

Die Verluste kommen derweil nicht überraschend. Sie haben sich schon im ersten Quartal 2022 abgezeichnet. Bereits Ende des Jahres 2022  rechnete der Pekabe vor, dass die privaten Pensionskassen schlechter wirtschaften würden als vergleichbare ETF-Sparpläne, bei denen nur die Hälfte des Kapitals in Aktien veranlagt werden würde. Entsprechend gibt es vonseiten des Schutzverbandes klare Forderungen an die Pensionskassen. So müssten es den Arbeitnehmer:innen erlaubt sein, die Veranlagungsstrategie selbst festzulegen und zu ändern.

Außerdem sollte überdacht werden, ob eine aufwendige Dachkonstruktion notwendig sei. „Eine kostengünstige Investition in einen MSCI-World ETF liefert über Jahre ansprechende und nachweislich höhere Erträge als die privaten Pensionskassen und senkt gleichzeitig Kosten für das Portfoliomanagement und Verwaltung“, so der Pekabe. Goach zeigt sich diesbezüglich etwas bodenständiger. „Nur die staatliche Pension garantiert, als stabile erste Säule unseres Pensionssystems, ein Einkommen im Alter, da diese nicht vom freien Aktien- und Anleihenmarkt abhängig ist.“

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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