Lehrlingsförderung nicht mehr zeitgemäß
Für die Schaffung neuer Lehrstellen erhalten Unternehmen aus dem Budgettopf rund 270 Millionen Euro. Das Geld setzt sich aus vier Bausteinen zusammen:
- Basisförderung: 173 Millionen Euro. Das sind Entschädigungen von einzelnen Lehrmonatseinkommen. Im ersten Lehrjahr sind es drei Monatseinkommen, im zweiten zwei und im dritten oder auch vierten Lehrjahr handelt es sich um ein Monatseinkommen.
- Unterstützungsleistungen: 43 Millionen Euro. Hier fallen Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung darunter oder auch die Weiterbildung von Lehrausbildner:innen. Die Kosten für die Vorbereitungskurse tragen in der Regel die Lehrlinge, diese können aber zu 100 Prozent zurückgefordert werden.
- Internatskosten-Ersatz: 48 Millionen Euro. Kosten, die Unternehmen laut Berufsausbildungsgesetz für die Lehrlinge zahlen müssen.
- Digi-Scheck: 5 Millionen Euro. Lehrlinge können den Scheck in Höhe von 500 Euro dreimal pro Lehrjahr beantragen. Ausbezahlt bekommt ihn das Unternehmen, das damit die Fortbildungskosten zahlen muss.
Doch die Förderinstrumente sind nicht mehr zeitgemäß. Mit der Basisförderung von 173 Millionen Euro sollen Unternehmen mehr Lehrstellen schaffen. Aber mittlerweile gibt es deutlich mehr Lehrstellen als Lehrstellensuchende. Die Förderung zur Schaffung neuer Lehrstellen scheint überholt. „Daher stellt sich die Frage, ob es eine solche Förderung überhaupt noch braucht“, so Günther Zauner. Er ist Referent in der Abteilung Lehrlingsausbildung und Bildungspolitik der Arbeiterkammer Wien. Die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) sieht allerdings nicht nur hier, sondern auch bei anderen Punkten ein Problem.
„Die steigenden Internatskosten aufgrund des hohen Strom- und Gaspreises wurden ebenfalls außer Acht gelassen“, sagt Richard Tiefenbacher, Bundesjugendvorsitzender der ÖGJ. Der Budgetrahmen, bleibt unverändert. Sollten Kürzungen nötig sein, um das Budget zu entlasten, sollte die Regierung sie bei der Basisförderung durchführen. „Denn hier bekommen alle ausbildenden Unternehmen ganz nach dem Gießkannenprinzip einen Teil des Lehrlingseinkommens refundiert, ohne damit dieses Geld an Qualitätskriterien gebunden ist“, so Tiefenbacher.
Millionen der Lehrlingsförderung versickern wirkungslos
Beim Digi-Scheck tun sich ganz andere Probleme auf. Die Arbeiterkammer beobachtet, dass manche Betriebe ihn einlösen, um die Lehrlinge in die betriebseigenen Schulungsmaßnahmen zu schicken. So kassieren Firmen das Geld selbst. „Es ist legal, aber es ist natürlich ein starker Mitnahmeeffekt für Unternehmen. Über diese Dinge sind wir nicht glücklich und wie es aktuell läuft, begrüßen wir keine Verlängerung des Digi-Schecks“, so Zauner.
Auch in den Augen von Tiefenbacher könnte das Geld zielgenauer eingesetzt werden. Die Gewerkschaftsjugend sieht die fünf Millionen Euro in den Berufsschulen besser aufgehoben. Denn von 100 Bildungseuros, die der Staat ausgibt, werden nur drei Euro für Berufsschulen verwendet. Angesichts dieser Zahlen öffentliche Gelder in private Einrichtungen statt in Schulen zu stecken scheint widersinnig. „Es gleicht einem Hohn der Politik und der Wirtschaft zuhören zu müssen, dass es einen akuten Fachkräftemangel gibt, aber niemand bereit ist, mehr Geld in eine bessere und zukunftsfitte Ausbildung zu investieren“, meint Tiefenbacher.
Facharbeiterfond statt Gießkannen-Förderung
Die Lehrlingseinkommen steigen als Ergebnis der letzten Kollektivvertrags-Abschlüsse deutlich an. Wegen der hohen Inflation im Jahr 2022 ist das auch dringend nötig. Zusätzlich entwickeln sich die Lehrlingszahlen positiv. Unternehmen benötigen daher mehr Geld aus dem Budget für die betriebliche Lehre. „Die 270 Millionen Euro sind ausschließlich für Förderungen nach dem Berufsausbildungsgesetz gedacht. Nach den Berechnungen der Arbeiterkammer wird die Summe für 2023 allerdings nicht reichen. Als das Budget erstellt wurde, ist man von einer Inflation in der Höhe von fünf bis sechs Prozent ausgegangen“, rechnet Zauner vor.
Die Förderung muss also zielgenauer vergeben werden. Die Gewerkschaftsjugend regt an, die Basisförderung an Qualitätskriterien zu binden und dabei Klein- und Mittelbetriebe besser zu berücksichtigen. Eine andere Möglichkeit sieht die ÖGJ in der Einrichtung eines Facharbeitsfonds, dieser von den Unternehmen in einer Höhe von einem Prozent der Jahresbruttolohnsumme finanziert werden soll. „Daraus sollen dann Lehrlingsausbildung und Weiterbildung gefördert sowie Qualitätssicherung und überbetriebliche Ausbildung finanziert werden“, meint Tiefenbacher.