Nachhaltigkeitsbericht als Instrument zur Mitbestimmung

Ein Bauarbeiter hebt einen Holzbalken hoch. Symbolbild für die Mitbestimmung dank Nachhaltigkeitsbericht.
Im Nachhaltigkeitsbericht werden auch die Mitarbeiter:innen verstärkt eingebunden. | © Adobestock/pikselstock
Mehr Unternehmen müssen ab dem Jahr 2024 Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Den Betriebsräten kommt dabei eine wichtige Rolle zu und haben mehr als ein Wörtchen mitzureden.
Wir sind ein Vorreiter“, freut sich Michael Tomitz. Er ist langjähriger Betriebsratsvorsitzender des Bauunternehmens Porr mit Sitz in Wien. „Vor allem in der Bauwirtschaft.“ Das Traditionsunternehmen ist eines, das sich mit Nachhaltigkeit auseinandersetzt und darüber auch berichtet. Es ist aber nicht das einzige. Knapp hundert österreichische Unternehmen erstellen regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht. Dahinter steht das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG). Eine neue EU-Richtlinie weitet die Pflichten erheblich aus.

Nachhaltigkeitsbericht: EU-Richtlinie nimmt Unternehmen in die Pflicht

„Bereits seit dem Jahr 2004 beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. Auch weil sich auch unsere Investoren dafür interessieren“, sagt Tomitz. Seit über 30 Jahren gehört er dem Betriebsrat an. Themen wie die Senkung des Stromverbrauchs und das Recyceln von Baustoffen verfolgen die Kunden von Porr. Stolz verweist der 62-Jährige auch auf die verschiedenen, internen Nachhaltigkeitsaktivitäten für die Mitarbeiter:innen. Darunter etwa die Gesundheitsversorgung, die der Betriebsrat initiiert hat. Wöchentlich ordiniert am Firmensitz in Wien-Favoriten eine Betriebsärztin, die die Mitarbeiter:innen kostenlos nutzen können.

Eine EU-Fahne weht neben einer Österreichflagge. Symbolbild für den Nachhaltigkeitsbericht.
EU-Richtlinien verschärfen die Vorgaben für den Nachhaltigkeitsbericht. | © Adobestock/rarrarorro

Doch was verändert die Neuausrichtung der Nachhaltigkeitsberichte? Mit der neuen EU-Richtlinie werden mehr Unternehmen verpflichtet, regelmäßig über ihr gesellschaftliches sowie ökologisches Handeln zu berichten. Dafür gibt es jetzt einen europaweit einheitlichen Katalog mit Berichtsindikatoren – die „European Sustainability Reporting Standards“. Unternehmen müssen demnach Informationen zu Umwelt- und Klimaschutz, Governance, Soziales und Arbeitsbedingungen umfassend offenlegen. Das soll die Transparenz für Arbeitnehmer:innen, Konsument:innen und Anleger:innen schaffen und „Greenwashing“ verhindern. Weiters werden auch die Anforderungen an Inhalt, Umfang und Verankerung in der Unternehmensführung und -kontrolle deutlich erhöht.

Nachhaltigkeit: Ergebnisse müssen messbar sein

Die Unternehmen müssen das Nachhaltigkeitsmanagement und die entsprechenden Prozesse aufbauen. „Die Verankerung von ‚Sustainability‘ in der Governance, wie Geschäftsführung, und Aufsichtsrat, ist für die Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien entscheidend“, so Alice Niklas, Expertin für das Thema in der Arbeiterkammer (AK). Firmen müssen betrieblichen Mitbestimmungsakteur:innen (Betriebsrat und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) früh in sämtliche Prozesse einbinden. „Die Entwicklung von messbaren, transparenten Berichtsindikatoren mit dazugehörigen Maßnahmen und Zielen zu den wesentlichen sozialen und ökologischen Belangen stellt eine wichtige Grundlage für eine nachhaltige Unternehmenssteuerung dar“, so Niklas.

Die derzeitige Rechtsgrundlage sieht verschiedene Möglichkeiten für die Offenlegung des Nachhaltigkeitsberichts vor. Das ändert sich mit Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie.  Künftig ist die Offenlegung im Lagebericht vorgesehen. Und damit im Kernbereich der Finanzberichterstattung. Bisher gibt es auch keine verpflichtende Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts gemäß NaDiVeG. Die neue Regelung legt fest, dass der Nachhaltigkeitsbericht durch einen Wirtschaftsprüfer oder durch unabhängige Prüfdienstleister kontrolliert werden muss. Damit wird die Qualität der Berichterstattung erhöht.

Die Rolle der Beschäftigten im Nachhaltigkeitsbericht

Der neue, nach EU-Kriterien erstellte, jährliche Nachhaltigkeitsbericht liefert wichtige Informationen zu Umwelt- und Sozialbelangen für Stakeholder wie Mitarbeiter:innen und Investor:innen. Als einziges Unternehmen in ganz Österreich verfüge Porr seit 2021 sogar über einen eigenen Nachhaltigkeitsausschuss im Aufsichtsrat. Der setzt sich aus sechs Personen zusammen. Aktuell muss er sich mit der Erfüllung der EU-Vorgaben auseinandersetzen. Für Niklas ist daher der Aufsichtsrat der „entscheidende Taktgeber“ für die Verankerung eines angemessenen Nachhaltigkeitsmanagements im Unternehmen und auch für dessen künftige Weiterentwicklung.

Rund um den Nachhaltigkeitsbericht kommt auch der Betriebsrat des Unternehmens zum Zug. Er soll die Prozesse zur Implementierung begleiten und überwachen. Als Experte für gute Arbeit kann er sich daher bei der Umsetzung der notwendigen Schritte im Unternehmen einbringen. Die Arbeitnehmervertreter:innen sollten ihre besonderen Kenntnisse zu den unternehmensinternen Abläufen nutzen und die vorgelegten Nachhaltigkeitsinformationen kritisch hinterfragen. Auch sollten sie bei der Umsetzung der Richtlinie darauf achten, dass die sozialen Ziele im Unternehmen nicht vernachlässigt werden.

„Der Betriebsrat kann bei der Festlegung der sozial-ökologischen Berichtsparameter maßgeblich mitwirken und sie verfolgen“, betont Niklas. Dieser Fokus auf eine umfassende Sozial- und Governance-Berichterstattung ist ein wichtiger Punkt im Rahmen der Begutachtung der AK. Es geht dabei um die explizite Verankerung der Konsultation von Gewerkschaften und anderen Mitbestimmungsakteur:innen wie dem Betriebsrat im Nachhaltigkeitsbericht.

Wer muss einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen?

Die Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, gilt für sogenannte ‚große Unternehmen‘. Groß ist ein Unternehmen, wenn zwei der drei folgenden Punkte gegeben sind: Eine Bilanzsumme über 20 Millionen Euro, ein Netto-Umsatz von über 40 Millionen Euro und/oder mehr als 250 Mitarbeiter. Auch Klein- und Mittelunternehmen (KMU), die an der Börse notiert sind, müssen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Nichteuropäische Unternehmen, die hierzulande einen Netto-Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro erzielen (und eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung haben), müssen ebenfalls einen Nachhaltigkeitsbericht abliefern.

Die Ausweitung der Regelung tritt in drei Stufen in Kraft:
  • 1. Jänner 2024:  Für Unternehmen, die bereits der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen.
  • 1. Jänner 2025: Für große Unternehmen, die derzeit nicht der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen.
  • 1. Jänner 2026: Für börsennotierte KMU sowie für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen.

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