Wenn KV-Verhandlungen scheitern: Recht ist auf Seiten der Metaller:innen

Der Rücken vieler Arbeiter mit Helm ist zu sehen. Streik nach dem Scheitern der Metaller Herbstlohnrunde 2023
Die KV-Verhandlungen der Metaller:innen sind gescheitert. JEtzt kommt es zu ersten Arbeitsniederlegungen. | © Adobe Stock/devit85
Vom Dialog über die Betriebsversammlung bis zum Streik. So geht es weiter, wenn die KV-Verhandlungen der Metaller:innen endgültig scheitern.
Die Metaller:innen KV-Verhandlungen 2022 für die 200.000 Beschäftigten endete am vergangenen Montag, 17.10., abrupt. Die Arbeitgeberseite legte in der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot vor, das eine Ist-Lohnerhöhung von 4,1 Prozent und keine Erhöhung der KV-Löhne sowie Zulagen vorsah.  Am heutigen Montag, 24. Oktober, gehen die Gespräche weiter. Doch die Stimmung schien angespannt. Scheitern die KV-Verhandlungen der Metaller:innen haben die Gewerkschaften jedoch ein breites Instrumentarium.

Metaller:innen KV-Verhandlungen drohen zu scheitern

Die Antwort der Gewerkschaften PRO-GE und GPA kam prompt. „Das Angebot ist angesichts der besonders erfolgreichen vergangenen Jahre und des aktuellen Wirtschaftswachstums eine Provokation. Das Verhandlungsteam der Gewerkschaften lehnt das Angebot als völlig unzureichend ab. Die Betriebsrät:innen werden daher die Belegschaften bei Betriebsversammlungen informieren und vorsorglich Beschlüsse für gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen einholen“, kündigte PRO-GE Verhandlungsleiter und Bundesvorsitzender Rainer Wimmer an.

Ein Arbeiter in einer Fabrik bei einem Automobil-Zulieferer. Scheitern die Metaller KV-Verhandlungen 2022 droht ein Streik.
Noch müssen Arbeitnehmer:innen in der aktuellen Krise die Hauptlast schultern. | © Adobe Stock/AnqiWang

Im Ausrufen von Betriebsversammlungen und Information der Belegschaften über den aktuellen Stand der Kollektivvertragsverhandlungen sieht Reinhold Binder, Bundessekretär für Organisation der PRO-GE, kein Säbelrassel, wie oft von Arbeitgeberseite medial transportiert. „Kollektivvertragsverhandlungen sind ein Dialog und kein Säbelrasseln. Und die Gewerkschaft ist dialogbereit. Klar ist jedoch, es geht um Interessensvertretungen und wir vertreten die Interessen jener Kolleg:innen in den Betrieben, die hautnah erleben, was an den Arbeitsplätzen momentan vorgeht“, so Binder im Gespräch im Ö1.

Er betont: „Die aktuellen Lasten tragen jene Schultern, die täglich zur Arbeit gehen und eine massive Arbeitsverdichtung erleben. Durch den Arbeitskräftemangel erbringen weniger Kolleg:innen die gleiche Leistung.“ So arbeiten speziell die Betriebe in der Metallindustrie meist 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Und Binder präzisiert: „Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Unternehmen sind dementsprechend gut, sodass die Arbeitnehemer:innen nun erhobenen Hauptes ihren Anteil einfordern.“

Das Recht ist auf Seiten der Gewerkschaft

Susanne Haslinger, Rechtsexpertin der PRO-GE zu Ö1, dass es sich beim Streikrecht, laut Artikel 11 der Europäischer Menschrechtskonvention (EMRK), um ein Menschrecht handelt.  „Das Streikrecht ist somit um ein universelles Grundrecht“, so Haslinger.. Und Haslinger betont, dass wie alle Grundrechte unter Gesetzesvorbehalt, auch dieses nur vom Gesetzgeber eingeschränkt werden könne. Das bedeute so Haslinger: „Solange der Gesetzgeber von diesem Recht keinen Gebrauch macht, gilt das Grundrecht uneingeschränkt. Die Gewerkschaften agieren also nicht im luftleeren Raum.“

Martin Müller, Arbeitsrechtsexperte des ÖGB, ergänzt im Gespräch mit Arbeit&Wirtschaft: „Streik ist keine Rechtsfrage, sondern eine Machtfrage.“  Er führt aus, dass es man grundsätzlich zwischen drei Phasen von Streikbewegungen unterscheiden kann, deren Instrumente situationsbedingt eingesetzt werden. In Phase eins wird etwa in Betriebsversammlungen über den aktuellen Stand der Kollektivvertragsverhandlungen informiert. Betriebsversammlungen sind ein, im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) vorgesehenes Instrument der innerbetrieblichen Demokratie. Und eine Streikandrohung wirkt. Bei den KV-Verhandlungen der Metaller 2022 kam es nur durch sie zu einem akzeptablen Ergebnis.

Nach gescheiterten KV-Verhandlungen kommt der Streik

In einer zweiten Phase der Metaller:innen Kollektivvertragsverhandlungen 2022 werden punktuelle Warnstreiks organisiert, welche die laufenden Verhandlungen begleiten und, etwa durch hohe Mobilisierungsfähigkeit, Druck auf die Arbeitergeber ausüben sollen. In Phase drei wird der Arbeitskampf tatsächlich ausgetragen. Die Streikformen reichen von unangekündigten kürzeren Streiks bis hin zu einem unbefristeten Streik. Die letzte große Streikbewegung in Österreich war, so Müller, im Jahr 1950, der sogenannte Oktoberstreik. Seither werde die Streikstatistik eher in Sekunden gemessen. Das unterstreicht auch die Dialogbereitschaft beider Seiten.

In Hinblick auf die aktuelle Situation erinnert Binder daran, dass im vergangenen Jahr in 365 Betrieben Warnstreiks stattfanden. Denn es gibt immer schwierige Situationen am Verhandlungstisch. Er habe noch nie eine Situation am Verhandlungstisch erlebt, so Binder, in der die Arbeitgeber der Gewerkschaft wohlwollend entgegenkommen seien. Auch nicht bei den aktuellen Metaller:innen KV-Verhandlungen 2022. „Aber natürlich werde die Auseinandersetzung in diesem Jahr härter sein, da auch die Rahmenbedingungen bedingt durch Energiekrise und hohe Inflation mit den Vorjahren nicht vergleichbar sind.“

Abschließend betont er: „Speziell wir in der Produktionsgewerkschaft verhandeln 113 Kollektivverträge. Das ist eine große Verantwortung, die wir tragen, und zwar gemeinsam mit den Arbeitgeber:innen. Daher ist es für den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand in Österreich notwendig und wichtig einen Ausgleich zu finden.“

Über den/die Autor:in

Eva Winterer

Eva Winterer ist Kommunikationsstrategin und war von 2022 bis 2023 Chefin vom Dienst der Arbeit&Wirtschaft.

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