Was ist die Stille Reserve?
Zur sogenannten Stillen Reserve werden in der Arbeitsmarktpolitik Menschen gerechnet, die nicht arbeitslos gemeldet sind, allerdings auch keinen Job haben. Allerdings würden sie wieder arbeiten gehen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Zur Stillen Reserve gehören beispielsweise Hausfrauen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben oder Personen mit Betreuungs- und Pflegeaufgaben. Die größte Gruppe der Stillen Reserve sind Menschen der ersten Zuwanderungsgeneration.
Dem Thema der Stillen Reserve haben sich Dennis Tamesbergr und Thomas Pilgerstorfer im A&W-Blog gewidmet. Tamesberger ist Leiter des Teams Sozialpolitik der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich, Pilgerstorfer studiert Sozialwirtschaft an der JKU Linz und ist derzeit Praktikant in der Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik in der AK Oberösterreich.
Sie führen aus, dass in der Stillen Reserve alle Bildungsniveaus enthalten wären. Die größte Gruppe seien Menschen mit maximal einem Pflichtschulabschluss. Auf Platz kommen Personen mit Lehre und Matura. Etwa ein Viertel der Menschen in der Stillen Reserve hat in Dienstleistungsberufen gearbeitet (vor allem im Verkauf), bevor sie sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Die zweitgrößte Gruppe bilden mit 16 Prozent Hilfsarbeiter:innen.
Welche Relevanz hat die Stille Reserve?
„Die große Relevanz der Stillen Reserve wird spätestens klar, wenn der Frage nachgegangen wird, ob es aktuell passende offene Stellen für sie gäbe“, führen Tamesberger und Pilgerstorfer aus. Das bedeutet, dass offene Stellen mit den Qualifikationen der Menschen in der Stillen Reserve verglichen werden. „Demnach könnten je nach Jahr 65 bis 84 Prozent der offenen Stellen durch die Stille Reserve besetzt werden“, glauben die Autoren.
Trotzdem sind die Zahl der Stillen Reserve in wirtschaftlich guten Zeit nicht in diesem Ausmaß. „Nur zwischen etwa einem Viertel bis zur Hälfte (26 bis 51 Prozent) der Personen aus der Stillen Reserve, kann durch das fiktive Matching eine offene Stelle zugeordnet werden.“
#StilleReserve, das sind in Österreich bis zu 150.000 Menschen. Sie wollen arbeiten, sind aber nicht aktiv auf Arbeitssuche. @tamesberger & @demodomas für mehr Ermutigung und Unterstützung für diese Menschen und weniger Druck auf bereits Arbeitssuchende. https://t.co/FRTszWVaxB pic.twitter.com/dZqN7L4szS
— A&W Blog (@AundW) October 20, 2022
Wie kann den Menschen in der Stillen Reserve geholfen werden?
Daraus muss die Arbeitsmarktpolitik die richtigen Schlüsse ziehen. Um die Gruppe, wie bisher, einfach zu ignorieren, ist sie zu groß. Und hinter den Zahlen stecken nun mal echte Menschen, die oftmals Hilfe brauchen. Die Menschen der Stillen Reserve wollen theoretisch arbeiten, doch es fehlt an den richtigen Bedingungen. Beispielsweise an flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Pflegemöglichkeiten oder Kinderbetreuung. Oder an Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Menschen, die länger aus dem Berufsleben raus sind oder sich umorientieren wollen.
Zeiten, in denen Unternehmen einen angeblichen Fachkräftemangel beklagen, könnte Wirtschaft und Politik zu einem Umdenken bewegen, um das Potenzial dieser Menschen zu nutzen. „Dazu müssen Politik und das AMS die Stille Reserve als Zielgruppe adressieren und aktiv auf Betroffene zugehen“, schließen Tamesberger und Pilgerstorfer. Sie fordern eine „aktive Arbeitsmarktpolitik, die nicht auf Druck und Sanktionen, sondern Ermutigung und Unterstützung setzt.“