Reiche Menschen haben mehr Einfluss auf die Politik
Diese Statistiken sind Indikatoren eines gefährlichen Trends. Nach der wirtschaftlichen konzentriert sich auch die politische Macht bei den finanziellen Eliten im Land. „Eigentlich sollten Vermögende nicht mehr Einfluss auf die Politik haben als andere. Das ist der Anspruch unserer Demokratie. Aber die Praxis zeigt eindeutig, dass es anders ist. Vermögende haben auf unterschiedliche Weise viel mehr Möglichkeiten, die Politik zu beeinflussen“, diagnostiziert Julia Hofmann von der Abteilung Wirtschaftswissenschaften und Statistik in der Arbeiterkammer. Ihre Schwerpunkte sind unter anderem soziale Ungleichheit und Verteilungsfragen.
Reiche Menschen haben aus drei zentralen Gründen mehr Einfluss auf die Politik: bei den Wahlen selbst, durch Lobbying und durch direkten Einfluss. Bei Wahlen sind Wohlhabende deswegen überrepräsentiert, weil sie mehr Vertrauen in die Politik haben und deswegen häufiger an die Urne gehen. 83 Prozent aller Menschen aus dem oberen Einkommensdrittel nehmen ihr Wahlrecht wahr. Im unteren Drittel gehen mehr als 30 Prozent gar nicht mehr wählen.
Vermögend und einflussreich
Erfolgreiches Lobbying setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: zum einen durch eine Spende. „Man spendet nicht einmal 50.000 Euro, und dann wird daraus eine Politikmaßnahme. Aber es hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, wenn sich jemand besonders stark für den Zwölf-Stunden-Tag einsetzt, dabei fleißig spendet, und dann kommt das Gesetz“, erläutert Hofmann. Die zweite Komponente sind die Kontakte in die Politik. Vermögende kennen die verantwortlichen Politiker:innen von Firmenevents oder anderen Veranstaltungen. Sie haben viel mehr Möglichkeiten, direkt ins Gespräch zu kommen. Und sie können sich Lobbyisten leisten. Allein in Brüssel arbeiten 50.000 davon, rechnet Hofmann vor. Um dieses Problem zu beseitigen, müsste sich die Politik selbst verschärfte Transparenz-Regelungen auferlegen.
Eigentlich sollten Vermögende nicht mehr Einfluss
auf die Politik haben als andere.
Das ist der Anspruch unserer Demokratie.
Julia Hofmann, AK-Wirtschaftswissenschaftlerin
Der dritte Faktor ist der indirekte Einfluss. Vermögende und Unternehmer:innen müssen nicht selbst in Erscheinung treten. Sie statten neoliberale Thinktanks, Institute und andere Netzwerke mit soliden Finanzpolstern aus. Deren Ergebnisse werden in Medien platziert und – wie man im vergangenen Jahr erfahren hat – gerne auch mit Anzeigengeschäften verbunden. Ein signifikantes Beispiel: In der Gesellschaft gibt es eine klare Mehrheit für eine Vermögenssteuer – in den Medien spiegelt sich dies allerdings kaum wider. So ist diese Mehrheit bei ServusTV von Didi Mateschitz ebenso wenig Thema wie in der Kronenzeitung, an der Renė Benko beteiligt.
Wie reiche Menschen Einfluss auf die Politik üben
In der Politik kann sich das auf zwei Arten bemerkbar machen, zum Beispiel, indem Gesetze beschlossen und Entscheidungen getroffen werden, die im Sinne des oberen Einkommensdrittels sind. In den vergangenen Jahren waren das etwa die Einführung des Zwölf-Stunden-Tags, Coronahilfen für Waldbesitzer, ein Energiebonus für Nachtskilauf unter Flutlicht am Arlberg trotz Energiekrise und das Freihandelsabkommen TTIP. Hier haben vor allem Wohlhabende und deren Unternehmen ihre Interessen durchgesetzt.
Noch viel deutlicher sei der Einfluss bei Themen, die nicht umgesetzt werden, führt Hofmann weiter aus. So seien beispielsweise offshore gebunkerte Vermögen, kreative Steuervermeidung und Steuerparadiese seit Jahren ein bekanntes Problem, doch dagegen unternommen werde nichts. „Es geht hier“, sagt Julia Hofmann, „um eine langfristige Tendenz. Wer kann den Staat gestalten? Wer hat die Macht? Wer hat sie nicht?“
Ungleichheit wird nicht erkannt
Und in der Folge stellt Hofmann eben auch die Frage: Für welche Anliegen wird diese Macht genutzt? „Der Durchschnitt der Bevölkerung hat das Gefühl, dass es zu viel Ungleichheit gibt und dass die Ärmsten unterstützt werden müssen. Die Eliten glauben nicht, dass es dieses Problem gibt, weil sie es aus dem eigenen Umfeld nicht kennen. Und wenn doch, dann glauben sie eher stärker, dass Armut selbst verschuldet ist.“ Nicht alle Politiker:innen seien ausschließlich im Interesse des Kapitals unterwegs, betont Hofmann, doch gebe es eben das Problem der verzerrten Wahrnehmung.
Wenn aber das obere Einkommensdrittel einerseits einen deutlich größeren Einfluss auf die Politik, andererseits aber ein verzerrtes Bild von der Wirklichkeit hat, verstärkt das nur das Gefühl der Menschen, dass die Politik sich von ihnen entfremdet. „Wenn man die Gesellschaft ganz anders wahrnimmt, übersetzt sich das in politische Einstellungen.“
Zu viele Bauern, zu wenige Frauen
Das verschärft natürlich das Problem des Vertrauens in die Politik. „Wir haben eine ziemliche Verzerrung der Wirklichkeit, was die Besetzung des Parlaments in Österreich betrifft. Und das in vielerlei Hinsicht. Der Nationalrat repräsentiert nicht den Durchschnitt der Bevölkerung.“ So gebe es zu wenige Frauen, zu wenige Menschen mit Migrationshintergrund, zu wenige junge Menschen und eben auch zu wenige Personen aus dem unteren Einkommensdrittel, erläutert Hofmann. Dafür sind acht Prozent der 183 Abgeordneten Landwirte – diese repräsentieren jedoch nur drei Prozent der österreichischen Bevölkerung.
Wie Recht Reichtum und Ungleichheit schafft – sehr spannendes Thema über das @KatharinaPistor forscht, schreibt und jetzt bei der #Reichtumskonferenz spricht. Wer auch Interesse hat –> Livestream ist hier: https://t.co/OOV57R3Pew@Armutskonferenz #FAIRsteuern #SomusSozialstaat pic.twitter.com/kbsd7mhB40
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) October 17, 2022
Durch Repräsentation allein lasse sich das Problem nicht lösen, macht Hofmann ebenfalls deutlich. Bei den Zahlen sei nicht mit einkalkuliert, dass 1,4 Millionen Menschen in Österreich gar nicht stimmberechtigt sind, weil sie keinen österreichischen Pass haben. Deren Realität werde in der österreichischen Politik gar nicht abgebildet. Viele davon gehören dem unteren Einkommensdrittel an. Ein Drittel der AK-Mitglieder gehört zu dieser Gruppe, weswegen die AK hier eine ganz besondere Verantwortung in Sachen Repräsentation hat.
Das Problem, dass reiche Menschen mehr Einfluss auf die Politik haben und überrepräsentiert seien, habe keine Partei exklusiv, wie Hofmann betont. Zwar gebe es (noch) keine empirischen Analysen zu diesem Thema für Österreich, doch glaubt Hofmann, dass Geld eben dort versucht, Einfluss zu nehmen, wo die Macht zu Hause ist. Auch bei den Metaller KV-Verhandlungen 2022 stellt sich die Machtfrage akut.