Andrea Schremser, Betriebsratsvorsitzende des Gloggnitzer Textilunternehmens Huyck.Wangner Austria GmbH, hat solch eine positive Atmosphäre bei KV-Verhandlungen bisher noch nie erlebt – und das, obwohl sie schon seit 2004 den Kollektivvertrag der Textilindustrie mitverhandelt: „Heuer war es so ein entspanntes, angenehmes Verhandeln, dass man sich als Sozialpartner wirklich wertgeschätzt gefühlt hat.“ Nach nur einem einzigen Tag waren die Ergebnisse unter Dach und Fach – und die Verhandlungen dauerten gerade einmal bis zum frühen Abend des 14. März.
Mindestens 1.500 Euro
Konkret wurde beschlossen, dass ab Dezember 2018 alle ArbeiterInnen und Angestellten in der Branche mindestens 1.500 Euro brutto verdienen werden, ausgegangen wird dabei von einer Vollzeitstelle. Das hat Auswirkungen auf vier der insgesamt sechs Lohngruppen, denn sie lagen bis März unter diesem Betrag. Am stärksten fällt die Erhöhung für die unterste Lohngruppe aus: In Gruppe A wird der KV bis Ende 2018 von 1.325,81 Euro auf 1.500 Euro angehoben; in Gruppe D steigt der Satz von 1.476,47 auf 1.592 Euro. Diese Erhöhungen erfolgen in drei Schritten: Schon jetzt bekommen die MitarbeiterInnen der Textilbranche mehr Geld, dann wieder im April 2018 und erneut am 1. Dezember 2018.
Das Verhandlungsergebnis wird aber nicht nur die absoluten GeringverdienerInnen der Branche freuen, denn auch die Ist-Löhne und -Gehälter werden angehoben. Damit verdienen auch jene mehr, deren Löhne und Gehälter schon bisher höher waren, als im KV vorgesehen. Konkret bekommen auch sie schon jetzt um 1,25 Prozent mehr und in einem Jahr noch einmal um 0,25 Prozent plus Inflationsanpassung.
Beim Textilunternehmen Huyck.Wangner betrifft das sämtliche MitarbeiterInnen, also rund 410 ArbeiterInnen und 130 Angestellte, die alle schon zuvor überzahlt wurden. Der Betrieb, der seit der Jahrtausendwende in der Hand des amerikanischen Konzerns Xerium ist, ist der größte Arbeitgeber von Gloggnitz. In riesigen Werkshallen werden hier unter anderem hochautomatisierte Webmaschinen betrieben, welche etwa bei einem elf Meter breiten Stoff bis zu 35-mal pro Minute einen Schussfaden hin- und herschicken. Bedient, also eingestellt werden die Maschinen nach wie vor von menschlichen MitarbeiterInnen – übrigens vorwiegend Männern, von denen wiederum die meisten angelernt sind. Auch Lehrlinge werden hier ausgebildet, aktuell sind es 15. Und es werden momentan noch weitere gesucht, konkret für die Berufe Elektro-/MetalltechnikerIn, Industriekaufmann/-frau und LabortechnikerIn.
Arbeit mit den Händen
Neben der Weberei mit zahlreichen Webmaschinen gibt es etwa auch eine Zwirnerei, wo mehrere Einzelfäden zu stärkeren Zwirnen zusammengefügt und für die Weiterverarbeitung aufgespult werden. Relativ viele ArbeiterInnen sind in der Filzerei tätig, wo teilweise sogar händisch einzelne Fäden aus den Stoffen gezogen oder Stoffteile ebenfalls per Hand miteinander vernäht werden. In der Nadelei sorgen Maschinen, in denen sich Tausende kleine Nadeln mit Widerhaken befinden, dafür, dass die Gewebe verfilzen und damit fester werden. Dazu kommen eine Sattlerei, das Lager sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilung mit dem Labor. Dort werden systematisch sowohl die Qualität der zugekauften Grundmaterialien wie Fäden und Zwirne überprüft, aber auch die hier selbst produzierten Zwirne und Textilien, beispielsweise auf ihre Reißfestigkeit.
Am Ende des Produktionsprozesses entstehen hier in Gloggnitz Industrietextilien für Papiermaschinen. Vereinfacht gesagt entsteht hier „das Laufband“, auf dem das Papier aufliegt und von der Maschine weitertransportiert wird. Dabei handelt es sich um meist mehrere Meter breite Textilbahnen, deren Enden miteinander verbunden werden. Die dabei entstandenen Schleifen werden dann auf die Papiermaschinen aufgespannt. Ein überwiegender Teil der hier hergestellten Produkte wird exportiert, die Exportquote liegt bei rund 90 Prozent. Es wird laufend in neue und zusätzliche Maschinen und aktuell auch in einen neuen Zubau investiert. Der Grundstein für die Fabrik wurde übrigens schon 1852 von den Brüdern Volpini de Maestri gelegt, die hier eine Streichgarnspinnerei gründeten, die sie 1871 zu einer Kappen- bzw. Fezfabrik machten.