Mit der Strommarktliberalisierung wurden Börsen etabliert, an denen die benötigten Strommengen gehandelt werden. Der Handel wird über einen Preismechanismus, das Merit-Order-Prinzip, betrieben. Dieses koppelt Strom- und Gaspreis aneinander. So sinnvoll das Prinzip bisher schien: In der aktuellen Ausnahmesituation wird es zur sprichwörtlichen Achillesferse. So stammt etwa in Österreich produzierter Strom zu 85 Prozent aus Wasser-, Solar- oder Windkraft. Preisbestimmend ist jedoch jene Energiequelle, die gerade noch benötigt wird, um die 100 Prozent des Strombedarfs zu decken – in aller Regel ein deutlich teureres Gaskraftwerk.
Steuerung von Merit-Order über einen Algorithmus
Ausschlaggebend für die Energierechnungen von Haushalten und Unternehmen sind die Großhandelspreise von Strom und Gas an den Börsen. Grundlage dafür ist das in Europa mit der Strommarktliberalisierung und der Etablierung von Strombörsen eingeführte Merit Order-Prinzip. Übersetzt bedeutet Merit-Order „Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“. Das bedeutet: Auch wenn sich die Produktionskosten von erneuerbaren Energien kaum verändert haben, steigt der Strompreis insgesamt an, weil der Preis für an der Börse gehandeltes Gas steigt.
Gesteuert wird das Merit-Order-Prinzip über einen Algorithmus namens EUPHEMIA, was so viel wie „von gutem Ruf“ bedeutet. Ob sein Ruf tatsächlich so gut ist, beantwortet eine 2019 seitens Österreichs Energie bei der Energieagentur in Auftrag gegebene Studie. Die Studie kam zu einem kritischen Urteil hinsichtlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit. So bestimme das sogenannte Flowed-Based Market Coupling (FBMC) mit EUPHEMIA die europäischen Day-Ahead-Strompreise. Jedoch sei trotz der zentralen Funktion seine Nachvollziehbarkeit mit vertretbarem Aufwand nicht herzustellen und die Qualitätsbeurteilung der von EUPHEMIA gefundenen Lösung mit den derzeit zur Verfügung gestellten Informationen nicht möglich.
Angesprochen auf eine Umprogrammierung des Algorithmus im Zuge der Neugestaltung des Merit-Oder-Prinzips, meinte E-Control Vorstand Wolfgang Urbantschitsch im Interview mit Arbeit&Wirtschaft, dass dies nicht auszuschließen sei, jedoch der Fokus aufgrund der Kurzfristigkeit der notwendigen preisdämpfenden Maßnahmen und der Komplexität des Systems in anderen Bereichen liege. „Mit einer Änderung des Algorithmus allein ist es nicht getan. Es müssen auch die Kapazitätsberechnungen geändert werden. Das dauert seine Zeit. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass man in diesen Algorithmus eingreift, aber was kurzfristig machbar ist, sind andere Möglichkeiten, die jetzt skizziert werden“, so Urbantschitsch.