Vermögenssteuer ist international üblich
Spanien und die Schweiz haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Doch etwas eint die beiden Länder: Es gibt Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern. Damit sind die beiden Staaten keine Ausnahme. Zumindest Erbschafts- und Schenkungssteuern gibt es noch in zahlreichen anderen Ländern. Von Bulgarien über die Niederlande bis zu den USA. In Österreich gibt es aber weder das eine und schon gar nicht das andere. Eine Steuer, mit der Millionär:innen einen Beitrag leisten, ist in Österreich politisch nicht gewollt. Zumindest die ÖVP lehnt sie kategorisch ab. Dabei gibt es hierzulande eine Steuerlücke in Höhe von 15 Milliarden Euro.
Auch Japan hebt seit dem Jahr 1950 eine Vermögenssteuer ein. Sie ist eine der Haupteinnahmequellen für Gemeinden. Denn steuerpflichtig ist ein Bruttovermögen, das sich aus dem Besitz von Grund und Boden, Gebäuden und abnutzbaren Anlagevermögen ergibt. „Wozu ist Geld gut, wenn nicht, um die Welt zu verbessern?“, hat die Schauspielerin Liz Taylor einmal rhetorisch gefragt. Doch das wird leider nicht überall so gesehen.
In Österreich gab es immer eine Vermögenssteuer
780 Milliarden Euro an Privatvermögen besitzen die Menschen in Österreich. Allerdings ist das Vermögen nicht fair aufgeteilt. Wäre dem so, hätte jede:r Österreicher:in rund 90.000 Euro zur Verfügung. Stattdessen besitzen die hundert Reichsten im Land 200 Milliarden Euro. Das reichste Prozent in Österreich besitzt 40 Prozent am vorhandenen Vermögen. Die ärmste Hälfte des Landes hat gerade mal 2,5 Prozent zur Verfügung hat. Für sie ist die Inflation in Österreich besonders spürbar. Zu den Überreichen gehören unter anderem Dietrich Mateschitz, der Geschäftsmann hinter Red Bull. Und René Benko, seines Zeichens Immobilien-Investor. Dass beide Milliardäre auch sehr umtriebig in der Medienbranche sind, könnte ein Grund dafür sein, warum es die Vermögenssteuern in Österreich nur selten in die breite Öffentlichkeit schafft.
Dabei waren in den 1960er-Jahre vermögensbezogene Steuern in Österreich noch ein wichtiger Bestandteil des Steuer- und Abgabenaufkommens. Knapp vier Prozent machten diese damals aus. Aktuell sind es nur 1,3 Prozent. Im OECD-Schnitt ist Österreich damit an vorletzter Stelle. Der Mittelwert beträgt nämlich 5,6 Prozent. Also mehr als viermal so viel. 80 Prozent aller Steuern werden von Arbeitnehmer:innen bezahlt. „Bei einer Anhebung der vermögensbezogenen Steuern auf OECD-Niveau hätte der österreichische Staatshaushalt jährliche Mehreinnahmen von rund fünf Milliarden Euro. Damit könnte eine nachhaltige Verbesserung in der Pflege, Schulen und Infrastrukturprojekte oder Klimaschutzvorhaben finanziert werden“, sagt Barbara Teiber. Sie ist Vorsitzende der Gewerkschaft GPA.
Mehrheit fordert eine Vermögenssteuer in Österreich
Die Mehrheit der Österreicher:innen findet es nicht gut, dass reiche Menschen so wenig zum Wohlstand des Landes beitragen. Alle Studien und Umfragen der letzten Jahre zeichnen ein eindeutiges Bild. Sechs von zehn Menschen sprechen sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus. Die Folgen der Coronapandemie haben diese Meinung nur verfestigt. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wir müssen die Armut bekämpfen, dafür brauchen wir einen gut finanzierten Sozialstaat. Im Europavergleich tragen Vermögende in Österreich sehr wenig zur Finanzierung des Staates bei, das muss sich ändern“, sagt Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer (AK).
Doch die Mehrheit will nicht nur eine Vermögenssteuer. Sie fordert auch eine Wiedereinführung der im Jahr 2008 abgeschafften Erbschaft- und Schenkungssteuer. „Erbschafts- und Vermögenssteuer besteuern unterschiedliche Tatbestände. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer den unentgeltlichen Empfang beim Erben oder Beschenkten. Die Vermögenssteuer den Besitz. Es gibt meines Erachtens gute finanzwissenschaftliche Gründe für beide Steuern. Deswegen könnten sie gut nebeneinander bestehen. Wie in der Schweiz oder Spanien“, sagt Dominik Bernhofer. Er ist Abteilungsleiter für Steuerrecht bei der AK Wien.
Selbst Überreiche wollen Vermögenssteuer in Österreich
Die Vermögensungleichheit betrifft ganz Europa. Die ungleiche Verteilung des Vermögens nimmt seit den 1980er-Jahren stetig zu. Im Euroraum sind Länder wie Deutschland und Österreich weit vorne und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Und noch etwas sticht ins Auge: Frauen haben in Österreich im Schnitt 23 Prozent weniger an Besitz als Männer. Sie sind es, die überproportional die Leistungen des Sozialstaats in Anspruch nehmen. Das bedeutet, dass die Vermögenssteuer auch ein Genderthema ist. Denn deren Einnahmen würden sozialstaatlichen Leistungen zugutekommen.
Progressive Vermögenssteuer scheitert nicht an Schwierigkeiten der Vermögensbewertung, wie Steuer- u Verteilungsexpert:innen @Arbeiterkammer belegen. Sie scheitert an Macht von Überreichen u Vermögensverteidigungsindustrie. Diese gilt es zu überwinden.https://t.co/eSRKhztN0I pic.twitter.com/TsTE9LWGAu
— Markus Marterbauer (@MarterbauerM) August 3, 2022
„Aus Sicht der Arbeiterkammer wäre die Einführung beider Steuern, also der Vermögenssteuer und der Erbschafts- und Schenkungssteuer, wünschenswert. Damit könnten eine Entlastung der Arbeitseinkommen und der notwendige Ausbau des Sozialstaats finanziert werden“, meint Bernhofer. Diese Gelder werden in vielen Bereichen gebraucht. Egal ob für Schulen oder dem öffentlichen Wohnbau.
Selbst einige Überreiche rufen nach gerechten Vermögenssteuern in Österreich. Organisationen wie Patriotic Millionaires, Taxemenow oder Millionaires for Humanity fordern von den Regierungen eine höhere Abgabenlast für sich selbst. Sie wollen, dass alle Menschen mit viel Geld durch Steuern einen Teil an die Allgemeinheit zurückgeben. Wenn sogar Überreiche das fordern, steht einer Einführung nichts im Weg. Die Regierung könnte das Projekt Vermögenssteuer in Österreich sofort angehen. Es braucht nur den Willen dazu. Falls die Menschen wirklich reich sind und nicht einen Milliarden-Betrug abziehen.