Reportage: Keine Frage des Alters

Foto (C) Michael Mazohl

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Regelmäßige AMS-Termine, unzählige Bewerbungen, seltene Vorstellungsgespräche: Wer arbeitslos ist, muss sich mitunter auf eine längere Jobsuche einstellen. Sandra Knopp und Udo Seelhofer gingen der Frage nach, warum immer mehr Menschen langzeitarbeitslos sind und wie man diesem Problem entgegenwirken kann.
Mit 58 gibt es am Bau kaum Chancen. Möchten Sie nicht etwas komplett anderes machen?“ Diesen Rat erhielt Walter Richter in einem Beratungsgespräch. Mehr als 20 Jahre war er Facharbeiter, seit über einem Jahr ist Walter auf Jobsuche. Seine Reaktion: „Warum nicht? Ich bin ja noch jung.“ Sein Arbeitsplatz im 14. Wiener Gemeindebezirk liegt tief unter der Erde – 60 Stufen führen hinab zum Konzertsaal und zur Bar des Wohn- und Kulturprojekts „Sargfabrik“. Walter ist einer der Barkeeper. An die Premiere hinter der Budel im September 2016 erinnert er sich genau: „Wir hatten ein großes Konzert und ein volles Haus. Anfangs war ich nervös, aber meine Kollegen haben mir geholfen. Ich liebe es, mit Besuchern zu kommunizieren.“ Das Umfeld passt: „Meine Arbeit wird respektiert.“ So sehr Walter sein Job auch gefällt: Er ist auf sechs Monate befristet. Anfang März muss sich der mittlerweile 60-Jährige erneut am Arbeitsmarkt beweisen.

Keine Schonfrist für Suchende

Gerade für die Generation 50 plus ist der Arbeitsmarkt ein hartes Pflaster. Im Vorjahr waren 99.452 Menschen dieser Gruppe ohne Job, sechs Prozent mehr als 2015. Neben dem Alter gibt es andere Risikofaktoren: Auch Menschen mit Behinderung, Niedrigqualifizierte, WiedereinsteigerInnen oder Asylberechtigte haben es am Arbeitsmarkt schwer. „Früher hatten Langzeitarbeitslose oft Vermittlungseinschränkungen wie Schulden, eine Suchterkrankung oder psychische Probleme. Heute braucht es nicht einmal das“, weiß Martin Kainz, Abteilungsleiter des AMS Wien Arbeitskräfteservice. Viele Hilfsarbeiterjobs seien weggefallen. „Im Verdrängungswettbewerb gehen die wenigen Jobs an Jüngere.“ Kainz rät Betroffenen, sofort nach einem neuen Job zu suchen: „Betriebe achten genau darauf, wie lange man arbeitslos war.“ Höherqualifizierung von Jüngeren wie Älteren ist ein Mittel, Eingliederungsbeihilfen für Betriebe ein anderes. Das AMS Wien fördert auch Programme im sogenannten zweiten oder erweiterten Arbeitsmarkt.

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Walter (links) und Anton bewirten KonzertbesucherInnen an der Bar des Wohn- und Kulturprojekts Sargfabrik. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Der ehemalige Bauarbeiter und der ehemalige Kellner kommunizieren gerne mit Gästen und bleiben auch bei großem Andrang gelassen. Sie suchen nach einem fixen Job in der Gastronomie.

Praxis statt Warten

Wer länger als ein Jahr beschäftigungslos ist, gilt als langzeitarbeitslos. Die Zahl steigt, 2015 fiel bereits jeder dritte Beschäftigungslose darunter. Eine Chance zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen sozialökonomische Betriebe. Transitarbeitskräfte (TAK) sind dort zu kollektivvertraglichem Gehalt befristet angestellt. Die Bar, in der Walter arbeitet, gehört zur „Die Kant_ine vier zehn“, die von „Der Kümmerei“ (www.die-kuemmerei.at) – dem sozialökonomischen Beschäftigungsprojekt der Job-TransFair GmbH, einer bfi-Tochter – betrieben wird. Auch der benachbarte Kindergarten und Hort werden bekocht. Walters Chefin, Restaurantleiterin Manon Neuer, kommt aus der 5-Sterne-Hotellerie und betreut mit zwei Kollegen die 18 TAK. Im Praktikum wird die Eignung der KandidatInnen getestet, dann folgen Schulungen: „Höflichkeit und Pünktlichkeit sind zentral. Man braucht eine hohe Frustrationstoleranz, muss offen auf Menschen zugehen. Walter kommt zwar aus einer anderen Branche, bringt aber genau das mit.“ Walter und sein Kollege Anton sind in der Bar ein eingespieltes Team. Anton war lange im Service, ließ sich mit 52 zum Bürokaufmann umschulen. Doch der Umstieg verlief anders als gedacht. Ein Grund sei das Alter: „Man muss ehrlich sein, auf uns warten sie nicht.“ Das will Walter nicht so stehen lassen: „Abschreiben können sie uns auch nicht.“ Anton sieht die Chance für ältere ArbeitnehmerInnen in der Flexibilität und Routine. „Wer erfahren ist, bleibt unter Stress gelassener.“

Das Wiener Restaurant Inigo (www.inigo.at) ist der älteste sozialökonomische Betrieb der Caritas. Seit 1992 werden Arbeitssuchende auf einen Beruf in der Gastronomie vorbereitet. Hier können Menschen, die bereits über ein Grundwissen verfügen, dieses auffrischen und erweitern. „Viele glauben, dass sie das gar nicht mehr können. Im Verlauf der ersten Tage zeigt sich dann, dass das gar nicht stimmt und das Selbstwertgefühl der Menschen steigt“, erklärt Leiterin Trixi Pech. Nach einem achtwöchigen Arbeitstraining beginnt für die Transitarbeitskräfte das befristete Arbeitsverhältnis im Restaurant. Pech setzt auf Respekt und Konsequenz: „Wir sparen nicht mit Kritik – aber es kommt darauf an, wie man sie anbringt.“ Pünktlichkeit ist besonders wichtig: „Wenn es heißt, dass der Arbeitstag im Inigo um 8 Uhr beginnt, dann reicht es nicht, wenn man um diese Uhrzeit erst ankommt. Man muss schon fix und fertig umgezogen sein.“ Benötigte Fertigkeiten werden Schritt für Schritt neu erlernt, FachanleiterInnen und SozialarbeiterInnen unterstützen die Beschäftigten. Ältere und Jüngere arbeiten oft im Tandem-System und ergänzen sich: „Die Jüngeren schleppen etwa beim Cateringservice die schweren Essensboxen. Dafür können sie von der Erfahrung ihrer Kollegen lernen.“

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Alte Computer werden von den Sammelstellen der MA 48 ins Demontage- und Recycling-Zentrum (DRZ) gebracht. Dort werden sie repariert oder ­fachgerecht zerlegt und wertvolle Rohstoffe werden weiterverwertet. Zora Göschl ist als Transitarbeitskraft für den Verkauf wiederaufbereiteter Geräte zuständig.

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