Keine Schonfrist für Suchende
Gerade für die Generation 50 plus ist der Arbeitsmarkt ein hartes Pflaster. Im Vorjahr waren 99.452 Menschen dieser Gruppe ohne Job, sechs Prozent mehr als 2015. Neben dem Alter gibt es andere Risikofaktoren: Auch Menschen mit Behinderung, Niedrigqualifizierte, WiedereinsteigerInnen oder Asylberechtigte haben es am Arbeitsmarkt schwer. „Früher hatten Langzeitarbeitslose oft Vermittlungseinschränkungen wie Schulden, eine Suchterkrankung oder psychische Probleme. Heute braucht es nicht einmal das“, weiß Martin Kainz, Abteilungsleiter des AMS Wien Arbeitskräfteservice. Viele Hilfsarbeiterjobs seien weggefallen. „Im Verdrängungswettbewerb gehen die wenigen Jobs an Jüngere.“ Kainz rät Betroffenen, sofort nach einem neuen Job zu suchen: „Betriebe achten genau darauf, wie lange man arbeitslos war.“ Höherqualifizierung von Jüngeren wie Älteren ist ein Mittel, Eingliederungsbeihilfen für Betriebe ein anderes. Das AMS Wien fördert auch Programme im sogenannten zweiten oder erweiterten Arbeitsmarkt.
Praxis statt Warten
Wer länger als ein Jahr beschäftigungslos ist, gilt als langzeitarbeitslos. Die Zahl steigt, 2015 fiel bereits jeder dritte Beschäftigungslose darunter. Eine Chance zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen sozialökonomische Betriebe. Transitarbeitskräfte (TAK) sind dort zu kollektivvertraglichem Gehalt befristet angestellt. Die Bar, in der Walter arbeitet, gehört zur „Die Kant_ine vier zehn“, die von „Der Kümmerei“ (www.die-kuemmerei.at) – dem sozialökonomischen Beschäftigungsprojekt der Job-TransFair GmbH, einer bfi-Tochter – betrieben wird. Auch der benachbarte Kindergarten und Hort werden bekocht. Walters Chefin, Restaurantleiterin Manon Neuer, kommt aus der 5-Sterne-Hotellerie und betreut mit zwei Kollegen die 18 TAK. Im Praktikum wird die Eignung der KandidatInnen getestet, dann folgen Schulungen: „Höflichkeit und Pünktlichkeit sind zentral. Man braucht eine hohe Frustrationstoleranz, muss offen auf Menschen zugehen. Walter kommt zwar aus einer anderen Branche, bringt aber genau das mit.“ Walter und sein Kollege Anton sind in der Bar ein eingespieltes Team. Anton war lange im Service, ließ sich mit 52 zum Bürokaufmann umschulen. Doch der Umstieg verlief anders als gedacht. Ein Grund sei das Alter: „Man muss ehrlich sein, auf uns warten sie nicht.“ Das will Walter nicht so stehen lassen: „Abschreiben können sie uns auch nicht.“ Anton sieht die Chance für ältere ArbeitnehmerInnen in der Flexibilität und Routine. „Wer erfahren ist, bleibt unter Stress gelassener.“
Das Wiener Restaurant Inigo (www.inigo.at) ist der älteste sozialökonomische Betrieb der Caritas. Seit 1992 werden Arbeitssuchende auf einen Beruf in der Gastronomie vorbereitet. Hier können Menschen, die bereits über ein Grundwissen verfügen, dieses auffrischen und erweitern. „Viele glauben, dass sie das gar nicht mehr können. Im Verlauf der ersten Tage zeigt sich dann, dass das gar nicht stimmt und das Selbstwertgefühl der Menschen steigt“, erklärt Leiterin Trixi Pech. Nach einem achtwöchigen Arbeitstraining beginnt für die Transitarbeitskräfte das befristete Arbeitsverhältnis im Restaurant. Pech setzt auf Respekt und Konsequenz: „Wir sparen nicht mit Kritik – aber es kommt darauf an, wie man sie anbringt.“ Pünktlichkeit ist besonders wichtig: „Wenn es heißt, dass der Arbeitstag im Inigo um 8 Uhr beginnt, dann reicht es nicht, wenn man um diese Uhrzeit erst ankommt. Man muss schon fix und fertig umgezogen sein.“ Benötigte Fertigkeiten werden Schritt für Schritt neu erlernt, FachanleiterInnen und SozialarbeiterInnen unterstützen die Beschäftigten. Ältere und Jüngere arbeiten oft im Tandem-System und ergänzen sich: „Die Jüngeren schleppen etwa beim Cateringservice die schweren Essensboxen. Dafür können sie von der Erfahrung ihrer Kollegen lernen.“