Uber, Lieferando und Mjam: Plattformen-Prekariat

Ein Uber Eats fahrer mit Rucksack in Wien. Fairwork Studie zu Uber und Lieferando.
Uber schneidet bei der Fairwork Studie 2022 schlecht ab. | © Adobe Stock/MysteryShot
Schlechte Bezahlung, kaum Mitsprache und eine KI als Manager. Plattformen wie Uber, Bolt und Mjam schaffen Arbeitsplätze am Rande der Arbeit.
Plattformen wie Mjam, Uber und Lieferando nehmen für sich gerne in Anspruch, eine digitale Revolution anzuführen. Essen und Mobilität auf Knopfdruck für die einen, neue Verdienstmöglichkeiten für die anderen. Doch die Realität sieht anders aus. Die Fairwork-Studie Austria 2022 zeigt, dass nur eine einzige Plattform in Österreich nachweisen kann, dass sie allen Beschäftigten einen Stundenlohn zahlt, der über die Armutsschwelle hinausgeht. Egal ob Essens- und Lebensmittelzustellung, Fahrradbotendienste oder Reinigungsarbeit, in Österreich ist die Branche von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt.

Bezahlung an der Armutsgrenze: Plattformen in der Kritik

Noch vor ein paar Jahren war die Plattformwirtschaft ein Zukunftsversprechen. Alles sollte einfacher, billiger und digitaler gehen. Aus Start-ups wurden binnen weniger Monate milliardenschwere Einhörner. Doch die New Economy hat bis heute ein Problem damit, ihre vermeintlich zukunftsweisenden Ideen an die Realität anzupassen. Arbeitsrecht, Mindestlohn, selbst grundlegende Gesetze standen den kühnen Plänen im Weg. Lange vor Bekanntwerden der aktuellen Uber-Files, berichtete Arbeit&Wirtschaft beispielsweise über den systematischen Rechtsbruch bei Uber.

Auch der Essenszusteller Mjam ist in Österreich ein Dauerthema. Dort hat die Belegschaft Anfang des Jahres 2021 zwar einen Kollektivvertrag durchgesetzt, der jedoch für 90 Prozent der Angestellten bedeutungslos ist. Grund ist die hohe Zahl selbstständiger Fahrer. Eine Festanstellung gibt es nur für die wenigsten. Entsprechend leicht fällt es dem Unternehmen, über Nacht 150 Mitarbeiter:innen zu entlassen. Nicht einmal grundlegenden Anforderungen – wie die Bekanntgabe der Massenentlassung beim Arbeitsmarktservice (AMS) – kam das Unternehmen nach.

Fairwork-Studie über Plattformen in Österreich

Jetzt hat sich die Fairwork-Studie der Plattform-Ökonomie in Österreich gewidmet. „Die Ergebnisse zeigen dabei ein sehr heterogenes Bild, wobei sich insgesamt sagen lässt, dass die Plattformökonomie auch in Österreich durch die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse und niedriger Verdienstmöglichkeiten sowie einen geringen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad gekennzeichnet ist“, fassen Markus Griesser, Martin Gruber-Risak und Laura Vogel von der Universität Wien die Studie zusammen.

Die Fairwork-Studie ist ein Projekt des Oxford Internet Institutes und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Sie wird in insgesamt 28 Ländern durchgeführt. In Österreich wird die Studie von der Arbeiterkammer und der Stadt Wien finanziell unterstützt. Unter der Leitung von Leonhard Plank haben Griesser, Gruber-Risak und Vogel die hiesige Situation analysiert. Sie haben alle verfügbaren Informationen zu den Unternehmen zusammengetragen, mit den Manager:innen der Firmen gesprochen und Mitarbeiter:innen interviewt.

Ein Fahrer von Lieferando fährt auf einem Fahrrad. Uber Lieferando bei der fairwork studie 2022
Lieferando schnitt bei der Fairwork Studie Austria 2022 am besten ab. | © Adobe Stock/Kara

Probleme bei Lohn, Mitbestimmung und Management

Für die Fairwork-Studie sind fünf Faktoren entscheidend. Bezahlung, Arbeitsbedingungen, Verträge, Management und Mitbestimmung. Für jede Kategorie werden Punkte vergeben. Einen gibt es dafür, wenn grundlegende Bedingungen erfüllt sind. Ein zweiter Punkt kommt hinzu, wenn weitergehende Standards eingehalten werden. Jede Plattform kann also ein Maximum von zehn Punkten verdienen.

Große Probleme haben Uber, Lieferando, Mjam und andere Plattformen vor allem bei der Frage der Bezahlung. In Österreich gibt es keinen Mindestlohn. Entscheidend ist deswegen, ob der Stundenlohn reicht, um über der Armutsgefährdungsschwelle zu liegen. Das waren im Jahr 2021 genau 9,32 Euro pro Stunde oder 1.616 Euro brutto pro Monat. Nur eine einzige Plattform konnte nachweisen, dass sie allen Beschäftigten diesen Lohn auch zahlt. Nämlich Lieferando.

Lieferando ist die fairste Plattform in Österreich

Fahrer:innen bei Lieferando verdienen abzüglich der Kosten rund zehn Euro pro Stunde. Sie können den Lohn aber noch durch Trinkgeld aufbessern. Dazu kommen Weihnachts- und Urlaubszahlungen und eine Kompensation für die Benutzung des Privathandys. In Summe konnte der Essenszusteller acht von zehn Punkten bei der Studie erreichen. Einen Punkt Abzug gibt es wegen einer Klage Lieferandos vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien. Dabei geht es um die Zuständigkeit des gegründeten Betriebsrats. Einen zweiten Punkt verlor das Unternehmen, weil noch nicht klar ist, wie sich die erst neu eingeführten Maßnahmen gegen Diskriminierung und Übergriffe in der Praxis bewähren.

Uber unten, Lieferando oben: Ergebnisse der Fairwork Studie:

  1. Lieferando (8 Punkte)
  2. ExtraSauber (5 Punkte)
  3. Mjam (4 Punkte)
  4. Alfies (2 Punkte)
  5. Uber (2 Punkte)
  6. Bolt (1 Punkt)

Vor allem in der Coronakrise erlebten diese Plattformen einen Boom. Die Beschäftigten sind die „verkannten Leistungsträger:innen“, wie es die Studie ausdrückt. Zwar seien sie „von zentraler Bedeutung für den zeitgenössischen Kapitalismus“, würden aber nicht die ihnen zustehende Anerkennung bekommen.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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