Aus der Geschichte lernen und Übergewinne besteuern

Eine Stromtrasse vor blauem Himmel. Wieso ist der Strompreis so hoch?
Wieso ist der Strompreis so hoch? | © Adobe Stock/peterschreiber.media
Jetzt bringt sogar Johanna Mikl-Leitner einen Strompreisdeckel ins Spiel. Doch auch den müssten die Steuerzahler finanzieren. Eine Sondersteuer für Krisenprofiteure wäre gerechter.
Johanna Mikl-Leitner, ÖVP-Landeshauptfrau in Niederösterreich, schlägt einen Strompreisdeckel vor. Eine Idee, die Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) als populistisch abtut. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sieht Gefahren für die Wirtschaft. Und tatsächlich gibt es eine gerechtere Möglichkeit, die Energiepreise unten zu halten. Denn die Frage ist: Wieso ist der Strompreis so hoch? Eine Antwort ist die Gewinn-Preis-Spirale. Deswegen könnte eine Sondersteuer für Krisenprofiteure die Lösung sein. Manche europäische Länder haben sie auf Anraten der EU-Kommission bereits umgesetzt. Dafür gibt es auch erfolgreiche historische Vorbilder. Vor allem trifft sie aber die Energiekonzerne. Und nicht den Steuerzahler.

Die Gewinn-Preis-Spirale ist kein neues Phänomen. Sie treibt aktuell die Inflation in Österreich an. Besonders Energiekonzerne häufen im Schatten von Pandemie, Krise und Krieg enorme Gewinne an. Die Gewinne der OMV waren im ersten Quartal 2022 viermal so hoch, wie in den 24 davor liegenden Quartalen, rechnet das Momentum Institut vor. Das hätte sogar die Bundeswettbewerbsbehörde auf den Plan gerufen, die gerade prüft, ob Gewinnabsprachen vorliegen. Nicht nur Ölkonzerne schrauben derzeit die Margen nach oben, auch die Stromkonzerne. Verbund erhöhte seine Gewinne im Jahr 2021 um satte 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Wieso ist der Strompreis so hoch?

Hinter den hohen Strompreisen steckt das Merit-Order-Prinzip. Das bedeutet, dass zwar immer das günstigste Kraftwerk, das gerade Strom hat, ihn auch liefert, aber das teuerste den Preis diktiert. Können erneuerbare Energien den Strombedarf decken, ist der Strom günstig. Verbrauchen Wirtschaft und Bürger:innen aber so viel, dass Energie aus Gaskraftwerken geliefert werden muss, schießt der Preis nach oben. Weil Gas aktuell sehr teuer ist. Die Produzenten von erneuerbaren Energien erwirtschaften dann üppige Übergewinne. Vorschläge für eine Sonderabgabe auf diese Übersteuer sind längst auf dem Tisch.

Als die EU den Strommarkt zusammengeführt hat, war dieser Effekt durchaus erwünscht. Er ist eine Maßnahme der Klimapolitik und sollte erneuerbare Energien fördern. In Zeiten der Krise könnten Regierungen die Übergewinne jedoch nutzen, um die Folgen der Inflation abzuwenden. In vielen europäischen Ländern passiert das bereits.

Installateure auf einem Solardach. Wieso ist der Strompreis so hoch?
Wieso ist der Strompreis so hoch, obwohl in Österreich so viel Energie aus erneuerbaren Energien kommt? | © Adobe Stock/anatoliy_gleb

In diesen europäischen Ländern gibt es Sondersteuern für Krisenprofiteure

Im Ringen um preisdämpfende Maßnahmen haben einige europäische Länder bereits begonnen, die Unternehmen auf dem Energiesektor stärker zu besteuern. In Italien gibt es bereits eine Steuer in Höhe von 25 Prozent auf Zusatzgewinne von Gasproduzenten. Auch England verlangt eine Sonderabgabe in dieser Höhe im Öl- und Gassektor. Entsprechende Steuern gibt es außerdem in Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Letzte nehmen sogar Banken, Versicherungen und Handelsketten in die Pflicht, wie Bettina Csoka berichtet. Sie ist Referentin für Einkommensverteilung und Arbeitszeitpolitik in der Arbeiterkammer Oberösterreich. Die EU-Kommission empfiehlt eine entsprechende Sondersteuer und rechnet vor, dass im Jahr 2022 rund 200 Milliarden Euro eingehoben werden könnten.

Unter anderem fordert Joseph Stiglitz diese Sondersteuer. Der Amerikaner ist einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler der Welt, erhielt den Nobelpreis und verfasste das Buch „Im Schatten der Globalisierung“. Eine solche „Kriegssteuer“, wie er sie nennt, ist nichts Neues. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg gab es unter anderem in England, den USA, Kanada, Frankreich und Italien teils massive Sonderabgaben. Machten die Unternehmen in den Kriegsjahren mehr Gewinn als davor, mussten sie bis zu 95 Prozent davon abführen.

Strompreise: Steuerpolitik der EU

In Österreich ist derweil noch keine Lösung in Sicht. Allerdings hat sich Gabriel Felbermayr, der Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung, in der Sendung ZIB2 im ORF zu Wort gemeldet. Er hält einen Strompreisdeckel für keine gute Idee und hofft auf eine europäische Lösung. Etwa den gemeinsamen Gasankauf. „Das könnte die Preise etwas absenken, nicht nur gegenüber Russland, auch gegenüber anderen Gaslieferanten“, so Felbermayr.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian begrüßt aktuelle Forderungen in den Energiemarkt einzugreifen: „Es ist gut, dass endlich Bewegung in die Diskussion kommt, die schon seit Monaten dringend und ergebnisorientiert geführt werden müsste.“ Wie die Forderungen von Felbermayr zeigen, liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Katzian drängt nun darauf endlich rasch einzugreifen: „Eine Preisobergrenze für einen bestimmten Grundverbrauch von Gas und Strom ist notwendig.“ Zur Finanzierung müsse, so Katzian, eine Sondersteuer auf Übergewinne eingeführt werden.

Die Lösungsvorschläge von Nehammer zielen derweil weniger auf die Absenkung des Gaspreises ab. Beim Tiroler Landesparteitag empfahl der den Bürger:innen, Alkohol oder Psychopharmaka zu konsumieren, um mit der Teuerungsrate klarzukommen. Eine nachhaltige Lösung hatte er jedoch nicht. Jüngst haben die AMAG und voestalpine Rekordprofite präsentiert. Bei den KV-Verhandlungen lassen sie die Arbeitnehmer:innen allerdings ins Leere laufen.

aktualisiert: 15.07.2022

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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